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Zweiter Brief.

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Von Madame Dupin an den Maire des I. Arrontissements.

„Indem Sie meine Befürchtungen bestätigten, mein Herr, haben Sie mir das Herz zerrissen, und es wird lange währen, ehe es für die Tröstungen empfänglich ist, die Sie ihm spenden, aber niemals wird es der Dankbarkeit verschlossen sein und ich weiß vollkommen den Werth einer Absicht zu schätzen, die Ihrem Herzen Ehre macht. Indessen verdanke ich Ihren Bemühungen schon zu viel, um nicht noch auf etwas zu hoffen. Sie scheinen zu glauben, daß der größte Verstoß, den man bei dieser Heirath begangen hat, der ist, daß man die achtungswerthesten und zärtlichsten Gefühle verletzte. Ich sehe, daß Sie diese Gefühle verstehen, aber Sie können unmöglich wissen, bis zu welchem Grade mein Solm sie verletzt hat. Ich weiß es selbst noch nicht, aber mein Herz sagt mir, daß er sehr strafbar sein muß, da er glaubte, mir aus dem wichtigsten Schritte seines Lebens ein Geheimniß machen zu müssen. Sie sind der einzige Mensch, der mir helfen kann, das Geheimniß zu ergründen, weil Sie der Einzige sind, der es weiß, denn ich wage keinem meiner Bekannten in Paris zu vertrauen, was mein Sohn seiner Mutter verheimlichte — und ich wage noch weniger selbst hinzukommen, während er dort ist und meine Besitzung zu verlassen, die er, wie ich hoffte, durch eine seiner und meiner würdige Lebensgefährtin verschönern sollte. Indessen muß ich wohl wissen, wer diese sonderbare Schwiegertochter ist, die er mir geben will — meine Ruhe und sein künftiges Wohlsein hängt davon ab. Damit mein Herz sich mit allen Consequenzen seines Fehlers vertraut machen kann, ist es durchaus nöthig, daß ich ihn in allen Einzelnheiten kenne. — Ihr geehrter College, der Maire des ... Arrondissements, hat die Güte gehabt, Ihnen die Mittheilung des Aktenstückes anzubieten, welches die von den beiden Gatten vorgelegten Papiere enthält und er wird Ihnen gewiß eine genaue Abschrift aller dieser Papiere nicht verweigern. Ich wage von Ihrer Gefälligkeit, oder ich sollte vielmehr sagen, von Ihrer gefühlvollen Theilnahme zu erwarten, daß Sie ihn in Ihrem oder in meinem Namen darum bitten werden.“

Aus diesem so schmerzlichen, so großmüthigen und doch so geschickt geschriebenen Briefe ist leicht zu ersehen, daß meine Großmutter mit den Akten in der Hand zu untersuchen wünschte, ob es nicht möglich sei, die Ehe für ungültig erklären zu lassen. Sie war mit dem Namen und der Vergangenheit ihrer Schwiegertochter nicht so unbekannt, als sie sagte — sie gab nur vor, von Nichts zu wissen, um ihre Absichten nicht zu verrathen, und wenn sie im Hintergründe eine Art Verzeihung sehen ließ, die zu gewähren sie durchaus noch nicht gesonnen war, so geschah das nur in der Befürchtung, in dem Maire des ... Arrondissements, der die Ehe geschlossen hatte, einen gefälligen Beschützer der Heirath zu finden, bei der so viele Unregelmäßigkeiten vorgekommen waren. Sie schrieb deshalb auch nicht direkt an diesen, sondern an den Maire des 5. Arrondissements, in dessen Gerichtsbarkeit, wie sie wohl wußte, die rue Meslay nicht lag, dessen Rechtschaffenheit ihr aber wahrscheinlich besonders empfohlen war. Die feine List der Frauen diente ihr besser, als ein kluger Rath es gekonnt hätte und ich gestehe, daß diese kleine Verschwörung gegen die Legitimität meiner Geburt mir eine unbestreitbare Berechtigung zu haben scheint.

Mein Vater, der seinerseits durch einen Mann von Fach mit gutem Rath unterstützt wurde, denn er allein wäre in alle Fallstricke der mütterlichen Zärtlichkeit gefallen, wollte seine Heirath bis zu dem Zeitpunkte geheim halten, wo der gesetzliche Termin eines Einspruchs seiner Mutter vorüber sein würde. So betrog denn Eins das Andere nach der traurigen Nothwendigkeit ihrer gegenseitigen Stellung, und sie schrieben an einander, als ob nichts zwischen ihnen sei. Ich sagte, sie betrogen sich und doch gebrauchten sie keine Lüge. Die einzige Kunst war das Stillschweigen, das Beide in ihren Briefen über den Gegenstand beobachteten, der sie am meisten beschäftigte.

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