Читать книгу Schönbrunner Finale - Gerhard Loibelsberger - Страница 17

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Ein Lausbub in zerfetzter Kleidung kam ihnen entgegengerannt. Die Menge stob auseinander, der Bub wurde von einem keifenden Marktweib verfolgt.

»Oaschwarz’n46! Gib sofort die Zwetschken her, die du mir g’stohlen hast!«

Der Bub stürmte auf Zach zu. Offensichtlich dachte er, dieser würde so wie alle anderen ausweichen. Doch da hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn der Wirt war in diesem Fall Zach, der ihm die Rechnung in Form einer fürchterlichen Tetschn47 servierte. Und nicht nur das! Zach war auch im letzten Augenblick zur Seite gesprungen und hatte dem Lauser ein Bein gestellt. Die Kraft der Watsche48 und der Hebelmoment des gestellten Beins beförderten den Buben aus der Vertikalen in die Horizontale. Mehr hatte der Unglücksrabe nicht gebraucht. Das Marktweib, es war die Naschmarkt-Helli, stürzte sich wie eine Hyäne auf ihn. Sie hob ihren bodenlangen Rock, wobei man ihre von Krampfadern verunstalteten Beine zu sehen bekam, und hockte sich auf ihn. Gerade so, als ob sie einen jungen Hengst zureiten würde. Sie zog allerdings nicht an den Zügeln, sondern prügelte wie wild auf den Buben ein. Husak wandte sich ab. Solche Gewaltorgien erzeugten bei ihm Brechreiz. Zach hingegen sah mit sensationslüsternem Glitzern in den Augen der wüsten Rauferei zu. Die Naschmarkt-Helli war ein kräftiges Weib, das ihr Leben lang schwere Gemüse- und Obstkisten gestemmt hatte. Mit so einer legte man sich normalerweise nicht an. Der Lausbub hingegen war ein verhungertes Zniachtl49. Allein dieser physische Gegensatz zog zahlreiches Publikum an.

»Gemma! Helli, gib’s ihm. Der hat schon öfters g’stohln.«

»Das Gfrastsackel50 kriegt jetzt Dresch …«

»Der arme Bua! Hören S’ auf, Frau Helli! Ich kauf nie wieder was bei Ihnen!«

»Net aufhören! Weitermachen!«

»Helli, hau ihm a Wendeltreppn in Schädel!«

»Brich ihm die Finger! Dem Rotzer51

»Wenn S’ net sofort aufhören, kauf i wirklich nie wieder was bei Ihnen.«

Helli hielt kurz inne. Schaute die gnädige Frau böse an und knurrte:

»Hau die über die Häuser, du Schastrommel52

Und schon kassierte der Lausbub die nächste Gnackwatschn53.

»So eine Unverschämtheit! Polizei! Wo ist denn die Polizei?«

»Bin eh schon da.«

Ein beleibter Sicherheitswachmann schob sich durch die gaffende Menge. Ohne Umschweife packte er die Fratschlerin54 am Genick und riss sie von ihrem Opfer herunter.

»A Ruh’ is’!«

Die Naschmarkt-Helli schlug windmühlenartig um sich und traf dabei den Helm des Sicherheitswachmanns. Laut schrie sie auf. Der Beamte beutelte sie energisch. Und zwar so lange, bis sie schließlich in sich zusammensackte. Dann fauchte er:

»Narrische Gretl. Willst in Häf’n55

Die Fratschlerin schüttelte betreten den Kopf. Der Polizist ließ sie los und knurrte:

»Dann schleich dich! Aber schnell.«

»Danke, Herr Inspector …«

»Kusch.«

Der Sicherheitswachmann wandte sich nun dem Lauser zu. Der saß benommen auf dem Erdboden und heulte vor sich hin.

»Du schleichst dich ebenfalls. Rotzer!«

Das brauchte er dem Buben nicht zweimal zu sagen. Von den unzähligen Schlägen noch ganz benommen, kroch er auf allen vieren davon. Nicht ohne zuvor mit blitzschnellen Griffen die gestohlenen Zwetschken, die aus seiner Hosentasche gerollt waren, wieder einzustecken.

»Jetzt hat sich der G’schissene das g’stohlene Obst behalten.«

»Lassen S’ den armen Buben in Ruhe. Der hat ja nur Hunger.«

»Wer hat das heutzutage net?«

46 Arschwarze

47 Ohrfeige

48 ein weiterer Wiener Ausdruck für eine Ohrfeige

49 kleine, schwache Person

50 Schimpfwort; wird wie »Arschloch« eingesetzt

51 Rotzbub

52 alte Frau, die von Blähungen geplagt wird

53 Schlag in den Nacken

54 Marktweib

55 Gefängnis

Schönbrunner Finale

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