Читать книгу Einfach weitergehen - Gertraud Hofbauer - Страница 7
Kleine Hinweise der Seele
ОглавлениеUnsere Hotelanlage ist wunderschön. Wir haben ein Zimmer mit Balkon und Meerblick und sind in fünf Minuten am Strand. Die Umgebung und die Sehenswürdigkeiten erkunden wir auf eigene Faust und fast täglich gehen wir in das kleine Hafenstädtchen Girne oder fahren mit dem hoteleigenen Shuttlebus dorthin.
Am ersten Tag beschließen wir, mit der EC-Karte vom Bankautomaten Türkische Lira zu besorgen, auch wenn wir überall mit Euro bezahlen könnten.
Zu unserem großen Entsetzen zieht der Automat die Karte ein!
Es bleibt uns nichts anderes übrig, als dass Rupert bei dem Automaten wartet, während ich in die Bank gehe und unser Missgeschick erkläre. Der freundliche Angestellte holt unsere Karte, ich winke Rupert herein und bevor er sie ausgehändigt bekommt, muss er noch ein Formular unterschreiben, da es seine Karte ist. Wir bekommen außerdem mitgeteilt, dass wir von nun an von jedem Automaten dieser Bank Geld abheben können.
Am Abend schreiben wir eine SMS nach Hause und ernten für diesen amüsanten Zwischenfall natürlich jede Menge lustige Kommentare.
Bei einer leichten Steigung des Weges bittet mich Rupert, kurz Pause zu machen und langsamer zu gehen, da er ein Druckgefühl auf dem Herzen verspüre. Ich bekomme einen enormen Schreck und schlage ihm vor, sofort zum Arzt zu gehen, aber er weigert sich vehement und meint nur, dass er das schon öfter gehabt habe und es stets gleich wieder verginge. Alles Zureden bleibt erfolglos.
Zu Hause würde ich ihn schon zu einem Arztbesuch überreden können.
Es ist mein 50. Geburtstag! Wir bummeln am Vormittag durch Girne. Zu Hause ist Leonhardiritt und wir amüsieren uns, als Georg, unser Jüngster, zweimal auf Ruperts Handy anruft, um etwas bezüglich des Festes zu fragen. Nur meinen Geburtstag hat er vergessen.
Insgeheim warte ich auf einen Anruf der Kinder, aber nichts rührt sich. Bis zum Nachmittag ist meine Enttäuschung so groß, dass mein Mann bei Georg anruft und ihn darauf hinweist, mich anzurufen.
Ich möchte keine aufgeforderten Glückwünsche! Auf diese Weise haben sie keinen Wert!
Die Kinder rufen an, aber ich kann mich nicht darüber freuen. Nach den angeordneten Glückwünschen nimmt mich Rupert in die Arme und ich lasse meine Tränen der Enttäuschung fließen.
Ich weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass mir meine Tochter sogar ein Video mit den Enkeln geschickt hatte, welches wir jedoch auf Grund der schlechten Verbindung nicht erhalten hatten. Ich werde es erst zu Hause sehen.
Wir besichtigen in dieser Woche Kirchen, alte Festungen und Moscheen, bummeln durch die geteilte Hauptstadt Nikosia und besuchen ein Museum. Aber unser Lieblingsort ist der kleine, malerische Hafen von Girne.
»Ich möchte mir gerne eine Kette kaufen«, teilt Rupert mir hier beim Bummeln mit.
»Welche Kette?«
»Eine silberne mit Kreuzanhänger.«
Wir suchen nach Schmuckgeschäften und finden im zweiten Geschäft eine Kette. Kreuze gibt es hier allerdings nirgends. »Dann kaufen wir eben zu Hause noch ein Kreuz dazu«, schlage ich vor und Rupert ist einverstanden.
Von unserem Balkon aus sehen wir auf den Pool und kommen auf die Kinder zu sprechen. Rupert erzählt, was er an jedem Einzelnen von ihnen besonders schätzt, einschließlich unseres Schwiegersohnes.
Es ist ungewöhnlich, da er in dieser Hinsicht eigentlich kein Mann vieler Worte ist. Dann ergänzt er unvermittelt: »Du musst unsere Kinder mehr loslassen. Sie sind nicht mehr so klein und brauchen uns auch nicht mehr ständig. Und auch mich musst du mehr loslassen, darfst mich nicht so festhalten.«
Mir kommen die Tränen und ich entgegne, dass von Festhalten wohl keine Rede sein könne, da er durch seine Arbeit und Vereinsarbeit ohnehin weit mehr Zeit außer Haus verbringe als daheim.
Das ganze Gespräch verläuft trotz der intensiven Gefühle friedvoll und vor allem äußerst ungewöhnlich.
Es ist unser letzter Abend und wir sitzen an unserem kleinen Tisch beim Abendessen. Es liegt eine ruhige und liebevolle, fast zauberhaft wirkende Stimmung in der Luft. Als säßen wir alleine unter einer unsichtbaren Glocke. Nachdem wir mit dem Essen fertig sind und wir nur noch unsere Getränke vor uns stehen haben, bemerke ich, wie Rupert mich auf ungewöhnliche Weise betrachtet: »Was ist los?«, frage ich amüsiert.
»Nichts«, bekomme ich lächelnd zur Antwort und es fällt mir schwer, seinem Blick standzuhalten. Sein Lächeln ist versonnen und sein Blick erfüllt von tiefster Liebe, und es fühlt sich an, als blicke er direkt tief in meine Seele. Ich werde etwas verlegen und fange an, an der Tischdecke zu nesteln, woraufhin er mich nur noch liebevoller anlächelt. Lange hält er diesen Blick und das versonnene Lächeln. Es bleibt unvergessen.
Später am Abend sitzen wir auf der Terrasse und trinken Cocktails. Unsere Stimmung ist heiter und ausgelassen und wir lachen in Erinnerung an die vielen gegenseitigen Streiche, die wir vor Jahren gemeinsam mit unseren Nachbarn erlebten.
»Wir haben davon doch bestimmt noch viele Fotos«, überlegt Rupert.
»Ja, haben wir!«, bestätige ich, »und auch Videoaufnahmen! Die Kassetten müssten in unserer alten Kameratasche sein!«
»Weißt du was? Die suchst du zu Hause raus und dann setzen wir uns mit unseren Nachbarn zusammen. Das wird bestimmt ein sehr lustiger Abend!«
»Ja, das ist eine tolle Idee!«
»Du musst dir das unbedingt merken! Nicht vergessen!«
»Ja, ich denke schon daran!«
Mit dieser beschwingten Stimmung gehen wir anschließend ins Bett und freuen uns schon wieder auf daheim und die Kinder.