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DER YOGA DES ERFAHRENS VON NEKTAR
ОглавлениеDas Umwandeln unserer Vergnügen in den spirituellen Pfad ist der Hauptzweck des Yogas des Erfahrens von Nektar. Weil wir Wesen des Begierdebereiches sind, sind wir immer erfreut, wenn wir attraktive Formen sehen, schöne Klänge hören, wohlriechende Düfte riechen, köstliche Speisen kosten und weiche und sinnliche Objekte berühren. Diese fünf Objekte der Vergnügen, bekannt als die «fünf Objekte des Begehrens», werden normalerweise mit einem Geist der Anhaftung genossen. Folglich sind die meisten Handlungen, die auf diese Objekte bezogen sind, nichttugendhaft und führen zu leidvollen Erfahrungen in der Zukunft.
Nur durch die Dharma-Praxis, insbesondere durch die Praxis des Geheimen Mantras, kann die Erfahrung dieser fünf Objekte des Begehrens in einen spirituellen Pfad umgewandelt werden. Gemäß den Sutra-Unterweisungen wird die Anhaftung an die fünf Objekte des Begehrens verhindert, indem ihre Fehler erkannt und der Kontakt mit ihnen vermieden wird. In der Praxis des Geheimen Mantras jedoch wird der Genuß von begehrenswerten Objekten in den spirituellen Pfad umgewandelt. Diese Umwandlung ist eine der besonderen Eigenschaften des Geheimen Mantras.
Die Praxis des Umwandelns von Vergnügen ist sehr ausgedehnt, weil sie sich auf jedes Objekt des Begehrens anwenden läßt. Eine dieser Methoden besteht darin, alle visuellen Formen in der Essenz von Rupavajra-Göttinnen, alle Klänge als Shaptavajra-Göttinnen, alle Gerüche als Gändhavajra-Göttinnen, allen Geschmack als Rasavajra-Göttinnen und alle Tastempfindungen als Parshavajra-Göttinnen zu betrachten. Wenn wir zum Beispiel ein köstliches Essen genießen, sollten wir die gewöhnliche Erscheinung des Essens aufgeben, indem wir es in Leerheit auflösen und dann an seiner Stelle Rasavajra-Göttinnen visualisieren, die uns reinen Nektar darbringen, der Spontane Große Glückseligkeit hervorruft. Die Vergnügen der anderen Sinne können auf ähnliche Weise umgewandelt werden.
Eine andere Art, unsere Erfahrung von freudebringenden Objekten in den spirituellen Pfad umzuwandeln, ist, alle Sinnesobjekte in ihrer Natur als untrennbare Spontane Große Glückseligkeit und Leerheit anzusehen. Wir sollten jede visuelle Form, alle Klänge, Geschmäcke, Gerüche und Tastobjekte betrachten, als hätten sie diese Natur.
Unter den vielen tantrischen Methoden, angenehme Erfahrungen in den Pfad umzuwandeln, ist der Yoga des Erfahrens von Nektar eine Methode, mit der wir das Genießen von Essen und Getränken umwandeln und dabei unsere Praxis des Geheimen Mantras verbessern können. Es gibt drei Arten, den Yoga des Erfahrens von Nektar zu praktizieren. Die erste Art ist, eine Nektarpille, die in der traditionellen Weise hergestellt wurde, zu kosten und zu schlucken; die zweite ist, den Nektar zu kosten, der gemacht wird, indem wir eine Nektarpille in eine innere Darbringung auflösen; und die dritte ist, unsere täglichen Speisen und Getränke als Nektar zu betrachten.
Wir sollten versuchen, eine echte Nektarpille zu erhalten, die von unserem Guru gesegnet wurde. Es gibt verschiedene Arten von Nektarpillen, die nach den verschiedenen Traditionen des tibetischen Buddhismus hergestellt werden. In allen Traditionen werden die Zutaten zuerst durch meditative Konzentration und Mantra-Rezitation gesegnet und dann zu Pillen geformt. Eine Meditation, die dem Segnen der inneren Darbringung ähnlich ist, wird dann angewendet, um die Pille zu segnen, und das Mantra OM AH HUM wird viele Male mit starker Konzentration rezitiert, bis gewisse Zeichen der Vollendung auftreten.
Zu Beginn der Segnung werden die Zutaten der Pille als die fünf «Fleischarten» und die fünf «Nektare» visualisiert. Die fünf «Fleischarten», die visualisiert werden, sind die Leiche einer Kuh, eines Hundes, eines Elefanten, eines Pferdes und eines Menschen, und die fünf «Nektare», die visualisiert werden, sind Exkremente, Gehirn, Sperma, Blut und Urin. Diese grundlegenden Zutaten werden dann in kostbaren Nektar umgewandelt.
Ein hoch verwirklichter Meditierender kann die eigentlichen fünf Fleischarten und fünf Nektare in die Substanz der kostbaren Nektarpillen umwandeln. Als der erste Panchen Lama, Losang Chögyan, Nektarpillen zubereitete, gab es klare Zeichen dieser Umwandlung. Durch die Kraft seiner Konzentration brannte Feuer unter dem Behälter und die Zutaten kochten. Jedoch nur wer außergewöhnliche Erlangungen besitzt, kann unreine Substanzen wie Urin und Exkremente in kostbare Nektarpillen umwandeln; es ist für ungeübte Personen mit wenig Realisationen unmöglich, dies zu bewerkstelligen. Einige Praktizierende waren bekannt dafür, daß sie Nektarpillen aus echtem Fleisch und echten Nektaren herstellten und verteilten, obwohl sie keine Zeichen erhielten, daß die Zutaten umgewandelt worden waren. Wir werden in verschiedenen tantrischen Texten davor gewarnt, solche Pillen anzunehmen, sonst entdecken wir vielleicht, daß wir Exkremente essen! Wir sollten statt dessen versuchen, Pillen aus medizinischen Kräutern zu erhalten, die von einem qualifizierten, tantrischen Meister hergestellt wurden, der für seine Vollendung und Rechtschaffenheit bekannt ist. Wir können dann sicher sein, daß die Pillen, die wir erhalten, sowohl heilsam als auch echt sind.
Wenn möglich sollten wir versuchen, gesegnete Pillen zu erhalten, die von den Pillen des ersten Panchen Lama stammen. Diese Pillen sind als «feuergesegnete Nektarpillen» bekannt. Heutzutage ist es schwierig, Pillen zu finden, die vollständig vom ersten Panchen Lama gemacht wurden. Es ist jedoch möglich, Pillen zu erhalten, die von späteren, vollendeten Meditierenden hergestellt wurden, die ein Stück von einer vom Panchen Lama gemachten Pille mit frischen Substanzen mischten und auch mit allen folgenden Pillen so verfuhren, so daß jede Pille einen Teil einer Pille enthält, die vom Panchen Lama gesegnet wurde. Wenn wir eine von diesen Pillen erhalten, können wir sie als Basis für unsere Praxis des Yogas des Erfahrens von Nektar benutzen und sie auch verwenden, um weitere Pillen herzustellen.
Wenn wir selbst keine neuen Nektarpillen herstellen können, sollten wir ein wenig Alkohol oder Tee in eine Schädelschale oder irgendeinen anderen kleinen, sauberen Behälter gießen und darin eine Pille auflösen, die von einem qualifizierten Meister gesegnet wurde. Jeden Morgen sollten wir diesen Nektar als innere Darbringung segnen, wie es hier erklärt wird, und dann kosten. Dazu tauchen wir unseren linken Ringfinger in den inneren Darbringungsnektar und zeichnen ein Dreieck auf die Handfläche unserer rechten Hand. Das Dreieck wird im Gegenuhrzeigersinn gezeichnet, wobei eine Spitze auf das Handgelenk weist. Dann tauchen wir den gleichen Finger dreimal in die innere Darbringung; jedesmal bringen wir einen Tropfen in das Zentrum des Dreiecks, so daß sie ineinanderfließen und einen einzigen Tropfen bilden. Wir segnen diesen Nektar, indem wir das Mantra OM AH HUM dreimal rezitieren. Wir stellen uns vor, daß der gesegnete Nektar nun drei Merkmale besitzt: er ist ein Medizinnektar, der Krankheit verhindert, er ist ein Lebensnektar, der den Tod überwindet, und er ist ein Weisheitsnektar, der alle Verblendungen reinigt. Wir kosten dann diesen Nektar und betrachten ihn als eine Darbringung für uns, die Gottheit Vajrayogini. Während wir den Nektar kosten, stellen wir uns vor, daß wir Spontane Große Glückseligkeit erfahren, und mit diesem Geist meditieren wir über Leerheit oder rufen uns zumindest kurz Leerheit in Erinnerung.
Wenn weder eine Nektarpille noch eine innere Darbringung verfügbar ist, wie es vielleicht auf Reisen der Fall sein kann, kann das erste Getränk des Tages als Nektargabe benutzt werden. Zuerst halten wir die Tasse mit der linken Hand hoch und segnen den Inhalt, indem wir dreimal OM AH HUM rezitieren. Wir stellen uns vor, daß das Getränk in den Nektar mit den drei Merkmalen umgewandelt wird, und bringen es uns selbst, als Vajrayogini erzeugt, dar. Während wir trinken, stellen wir uns vor, daß wir Große Glückseligkeit erfahren, und meditieren dann über Leerheit oder rufen uns Leerheit gemäß unseres eigenen Verständnisses in Erinnerung.
Der Yoga des Erfahrens von Nektar sollte als erstes am Morgen und dann den ganzen Tag über, jedesmal wenn wir essen oder trinken, praktiziert werden. Auf diese Weise werden alle unsere täglichen Handlungen des Essens und Trinkens zum Yoga des Erfahrens von Nektar. Wenn dieser Yoga praktiziert wird, sollten sich die Praktizierenden des Körper-Mandalas von Vajrayogini an die siebenunddreißig Heldinnen bei ihrem Herzen erinnern und ihnen den Nektar darbringen.
Das Praktizieren dieses Yogas hat viele Vorteile. Selbst im Alter werden wir beispielsweise eine jugendliche Vitalität beibehalten, weil wir jedesmal, wenn wir essen und trinken, große Verdienste ansammeln und die Ursache erzeugen, ein langes und glückliches Leben zu genießen. Außerdem ist die Praxis des Yogas des Erfahrens von Nektar eine Ursache für die Erlangung tantrischer Realisationen wie Spontaner Großer Glückseligkeit. Das Kosten der Nektarpillen und der inneren Darbringung erinnert uns daran, daß alle Speisen und Getränke in den Yoga des Erfahrens von Nektar umgewandelt werden sollten. Meditieren wir jedesmal, wenn wir essen und trinken, über Glückseligkeit und Leerheit, wird unsere Erfahrung des wesentlichen Punktes des Geheimen Mantras, der Vereinigung von Spontaner Großer Glückseligkeit und Leerheit, schnell zunehmen.