Читать книгу Führer ins Dakiniland - Geshe Kelsang Gyatso - Страница 53
DIE ALLGEMEINE ERKLÄRUNG
ОглавлениеNicht nur Buddhisten nehmen Zuflucht; jedermann nimmt zu etwas oder bei jemandem Zuflucht. Die Anhänger von nichtbuddhistischen Religionen suchen Zuflucht bei ihrem Gott oder ihren Göttern; und weil jeder in Samsara Angst und Schwierigkeiten erfahren muß, müssen sogar diejenigen, die jede Religion ablehnen, gelegentlich Zuflucht suchen. Wenn Gefahr oder Unheil droht, bitten die Menschen andere um Zuflucht, auch wenn sie niemals von der buddhistischen Zuflucht gehört haben. Wenn Tiere oder Vögel von Raubtieren gejagt werden, suchen sie Zuflucht in Löchern im Boden oder auf Bäumen.
Obwohl alle Wesen Zuflucht vor Leiden suchen, sollten wir als Buddhisten nicht nur Zuflucht nehmen, um vorübergehende Probleme zu vermeiden. Wir sollten vielmehr Zuflucht nehmen, um uns selbst und andere von allen zukünftigen Leiden zu befreien und vollkommenen Frieden und vollkommenes Glück zu erlangen. Wenn wir jedoch nicht aus diesen Gründen Zuflucht nehmen können, ist die Zufluchtnahme zu den Drei Juwelen von großem Nutzen, selbst wenn es nur zum Schutz vor der Not und den Gefahren dieses Lebens ist.
Es gibt drei Motivationsstufen für die buddhistische Zufluchtnahme. Diejenigen, die Zuflucht zu den Drei Juwelen nehmen und Schutz vor den Leiden dieses Lebens oder vor dem Fall in die niederen Bereiche in zukünftigen Leben suchen, nehmen die Zuflucht einer Person der anfänglichen Ausrichtung. Diejenigen, die Entsagung entwickelt haben und lediglich ihre eigene Erlösung aus Samsara wünschen, nehmen Zuflucht, um von allen Formen des Leidens befreit zu werden. Dies ist die Zuflucht einer Person der mittleren Ausrichtung. Eine Person der großen Ausrichtung wird von Großem Mitgefühl für alle Wesen motiviert und wünscht, sie von Leiden zu befreien. Und weil eine Person der großen Ausrichtung erkennt, daß es notwendig ist, die Erleuchtung zu erlangen, um diesen Wunsch zu erfüllen, nimmt sie Zuflucht zu den Drei Juwelen, indem sie sie als hauptsächliches Mittel betrachtet, Buddhaschaft zu erlangen.
Viele Leute nehmen Zuflucht bei weltlichen Göttern wie Ishvara, aber weltliche Götter können keine endgültige Sicherheit und Zufriedenheit bringen, weil sie selbst immer noch in Samsara gefangen sind. Wir müssen eine Quelle der Zuflucht suchen, die völlig verläßlich ist. Hoch realisierte Meditierende und Gelehrte mit großen hellseherischen Kräften haben gesehen, daß es nur die Drei Juwelen - Buddha, Dharma und Sangha - sind, die immerwährenden Schutz vor Leiden bringen können. Sie sind die höchsten Zufluchtsobjekte. Es gibt keine andere Quelle der endgültigen Zuflucht als die Drei Juwelen.
Wenn wir starkes Vertrauen in die Drei Juwelen haben, werden wir großen Nutzen aus dem Rezitieren von Zufluchtsgebeten ziehen. Es ist wichtig, daß wir die Bedeutung der Drei Juwelen klar verstehen, die Bedeutung der Zufluchtnahme kennen und während des Rezitierens der Zufluchtsgebete darüber nachdenken. Wir sollten unser Verständnis der tiefgründigen Natur der Drei Juwelen allmählich vertiefen und unsere Überzeugung in ihre beschützende Kraft stärken. Dann werden wir selbst erkennen, daß die Drei Juwelen die höchste und einzig währende Quelle der Zuflucht sind.
Jedes Wesen, das von den Behinderungen zur Befreiung und von den Behinderungen zur Allwissenheit völlig befreit ist, ist ein Buddha-Juwel. Behinderungen zur Befreiung sind Verblendungen wie Unwissenheit, Anhaftung, Wut, Eifersucht usw. Behinderungen zur Allwissenheit sind die Prägungen dieser Verblendungen, die in unserem Geisteskontinuum zurückbleiben, nachdem die Verblendungen aufgegeben worden sind. Buddha Shakyamuni, Buddha Vajradhara und die Ehrwürdige Vajrayogini sind Beispiele für Buddha-Juwelen.
Jedes Wesen, das Leerheit direkt realisiert hat, ist ein Sangha-Juwel. Alle Höheren des Hinayana und alle Höheren des Mahayana sind Sangha-Juwelen.
Dharma-Juwelen sind entweder Wahre Pfade oder Wahre Beendigungen. Wahre Pfade führen zu Wahren Beendigungen. Ein Wahrer Pfad ist ähnlich einer Ursache und eine Wahre Beendigung ist ähnlich einer Wirkung, aber eine Wahre Beendigung ist keine eigentliche Wirkung, weil ihre Natur beständig ist und nicht aus Ursachen entsteht. Die dritte Edle Wahrheit bezieht sich auf Wahre Beendigungen, und die vierte Edle Wahrheit bezieht sich auf Wahre Pfade.
Wahre Pfade sind Weisheitspfade, die Leerheit direkt realisieren, und alle Methodenpfade wie Entsagung, Mitgefühl und Bodhichitta, die mit solcher Weisheit verbunden sind. Diese Pfade führen zu definitiver Freiheit von den zwei Behinderungen und den Leiden Samsaras. Eine Wahre Beendigung ist das Fehlen von inhärenter Existenz eines Geistes, der in Abhängigkeit von Wahren Pfaden von einer der beiden Behinderungen befreit worden ist. Eine Wahre Beendigung ist ein nichtbestätigendes negatives Phänomen, eine bloße Abwesenheit von inhärenter Existenz. Zu Beginn ist es nicht einfach, Wahre Beendigungen zu verstehen.
Jeder Geist ist leer von inhärenter Existenz. Unser Ursprungsgeist und seine Leerheit sind unsere Buddha-Abstammung, der Samen, aus dem unsere Erleuchtung wachsen wird. Der Grund, warum wir noch nicht erleuchtet sind, ist, daß unsere Buddha-Abstammung durch die Behinderungen zur Befreiung und zur Allwissenheit verdunkelt ist. Diese Behinderungen verhindern das Wachstum unserer Buddha-Abstammung. Wenn unser Geist Leerheit direkt realisiert, ist diese Realisation ein Wahrer Pfad. Wenn die endgültige Natur unseres Geistes durch die Kraft dieser Realisation von jeder Behinderung befreit wird, wird diese endgültige Natur zu einer Wahren Beendigung. Wenn der Geist völlig frei von allen Verblendungen und ihren Prägungen ist, verwandelt er sich in den allwissenden Geist eines Buddhas und wird Weisheits-Wahrheitskörper genannt. Die Leerheit dieses Geistes wird Naturkörper genannt.
Im Augenblick besitzen wir gewöhnlichen Wesen keine wahren Dharma-Juwelen, aber durch unsere tägliche Praxis können wir das Fundament legen, sie in der Zukunft zu erlangen. Ein Geist, der beispielsweise über Unbeständigkeit meditiert, um Anhaftung zu überwinden, ähnelt einem Wahren Pfad. Wenn wir Anhaftung aufgrund der Meditation über Unbeständigkeit vorübergehend überwinden, erlangen wir vorübergehende Freiheit von den Problemen der Anhaftung, und dieses vorübergehende Aufgeben der Anhaftung ähnelt einer Wahren Beendigung. Sowohl der Geist, der über Unbeständigkeit meditiert, als auch das vorübergehende Aufgeben der Anhaftung, das von dieser Meditation abhängt, bilden die Fundamente, auf denen eigentliche Dharma-Juwelen erlangt werden. Somit bildet die reine Meditation, die eine Ursache ist, irgendeine Verblendung aufzugeben, ein Fundament, auf dem Wahre Pfade erlangt werden, und das Überwinden irgendeiner Verblendung, selbst für kurze Zeit, ist die Basis, auf der Wahre Beendigungen erlangt werden. Durch das Verbessern unserer Meditation über Leerheit werden wir schließlich eine direkte Realisation von Leerheit erlangen, und unser Geist wird zu einem Wahren Pfad, einem eigentlichen Dharma-Juwel, werden. Dharma-Juwelen sind somit nicht nur etwas, was wir visualisieren und an das wir Bitten richten, sie sind etwas, was in unserem eigenen Geisteskontinuum durch die Praxis der Meditation entwickelt wird.
Es ist für diejenigen, die im buddhistischen Gedankengut geschult sind, verhältnismäßig leicht, die Bedeutung des Buddha-Juwels und Sangha-Juwels zu verstehen, aber es ist schwieriger, die wahre Bedeutung des Dharma-Juwels zu erfassen. Somit ist es nicht einfach, die tiefere Bedeutung der Zufluchtnahme zu begreifen. Um die tiefgründige Bedeutung der Zuflucht zu verstehen, müssen wir lange Zeit studieren und nachdenken und der Natur des Dharma-Juwels besondere Aufmerksamkeit schenken.
Es gibt zwei Arten der Zufluchtnahme: die ursächliche Zufluchtnahme und die resultierende Zufluchtnahme. Wir nehmen auf ursächliche Weise Zuflucht, wenn wir die Drei Juwelen vor uns visualisieren und sie um Schutz und so weiter bitten. Wir nehmen resultierende Zuflucht, wenn wir unseren Geist auf die Drei Juwelen richten und dabei den festen Wunsch in uns tragen, ein Buddha-Juwel und ein Sangha-Juwel zu werden, indem wir die Realisationen des Dharma-Juwels erlangen. Diese Art der Zufluchtnahme wird von denjenigen praktiziert, die eine besondere Auffassungsgabe und größere Fähigkeiten besitzen.
Für einen intelligenten Praktizierenden ist die Selbsterzeugung eine Praxis der resultierenden Zuflucht. Zu Beginn der Meditationssitzung erzeugt er die Motivation: «Um schnell Erleuchtung zu erlangen, werde ich das zukünftige Resultat in den Pfad bringen, indem ich mich als Buddha erzeuge.» Dies ist eine Form von resultierender Zuflucht. Wir praktizieren Mahayana-Buddhismus mit dem hauptsächlichen Ziel, unsere Fähigkeit zu vervollkommnen, allen fühlenden Wesen zu helfen, indem wir ein Buddha-Juwel werden; und darum müssen wir alle Realisationen des Dharma-Juwels erlangen und ein Sangha-Juwel werden.
Solange wir nicht eine bleibende Erfahrung der Erzeugungsstufenmeditation erlangen, ist es notwendig, die elf Yogas der Erzeugungsstufe in Verbindung mit den Worten des Vajrayogini-Sadhanas zu praktizieren, aber wenn wir einmal mit der Praxis vertraut sind, können wir ohne die Worte auskommen. Im allgemeinen gibt es vier Vajrayogini-Sadhanas: das ausgedehnte, das mittlere, das zusammengefaßte und das stark zusammengefaßte Sadhana. Das beste ist, wenn wir Unterweisungen über das ausgedehnte Sadhana erhalten, weil darin die Anweisungen für die drei kürzeren Arten der Praxis enthalten sind. Dieser Kommentar basiert auf dem ausgedehnten Sadhana, das als Der schnelle Pfad zur Großen Glückseligkeit bekannt ist und von Je Phabongkhapa verfaßt wurde. Eine Übersetzung dieses Sadhanas kann in Anhang II gefunden werden.
Das ausgedehnte Sadhana von Vajrayogini ist sehr kurz, wenn wir es mit den ausgedehnten Sadhanas von Heruka, Yamantaka oder Guhyasamaja vergleichen, aber es enthält die wesentliche Bedeutung und die Segnungen all dieser Gottheitsübungen. Wenn wir die Ergebnisse dieser Anweisungen tatsächlich erfahren wollen, müssen wir das ausgedehnte Sadhana von Vajrayogini regelmäßig praktizieren.