Читать книгу Das Pentameron - Giambattista Basile - Страница 10

V
Der Floh

Оглавление

Ein König, der etwas schwach im Kopfe ist, zieht einen Floh auf, bis er so groß wird wie ein Hammel. Nachdem er ihm die Haut hat abziehen lassen, bietet er demjenigen seine Tochter an, der sagen kann, von welchem Tier die Haut ist. Ein Zauberer erkennt es am Geruch und gewinnt die Prinzessin, die dann von den sieben Söhnen eines alten Weibleins mit ebensoviel Kunststücken befreit wird.

Der Fürst und die Mohrin wollten vor Lachen platzen über die Dummheit des Vardiello, und sie lobten die Klugheit der Mutter, welche sein tölpelhaftes Benehmen voraussah und ihm vorzubeugen verstand. Popa, die nun zum Erzählen aufgefordert wurde, begann ihre Geschichte, nachdem alle den Riegel vor ihre geschwätzigen Mäuler gelegt hatten:

Immer führen unverständige Entschlüsse zu unheilbarem Unglück: wer sich als Narr gebärdet, beklagt sich, wenn er weise geworden ist. So ging es auch dem König von Altomonte, dem ein hahnebüchener Entschluß zu einer Riesennarrheit gedieh, wobei er seine Tochter und seine Ehre in schwerste Gefahr brachte.

Der König von Altomonte wurde eines Tages von einem Floh gebissen, und als er ihn mit großer Geschicklichkeit gefangen hatte, erschien er ihm so blank und fett, daß ihm Bedenken kamen, ihm auf dem Schafott seines Daumennagels den Garaus zu machen.

Er ließ ihn daher in eine Karaffe stecken und nährte ihn jeden Tag mit dem Blute seines eigenen Armes. Dabei nahm der Floh an Umfang derart zu, daß der König ihm nach sechs Monaten ein anderes Gelaß anweisen mußte, und so wurde er nach und nach so groß wie ein Hammel.

Als er dieses Leibesmaß erreicht hatte, ließ der König ihm die Haut abziehen und sie gerben. Darauf machte er bekannt, daß derjenige, der ihm sagen könne, von welchem Tiere das Leder stamme, seine Tochter zur Frau haben sollte. Allerorten wurde die Bekanntmachung angeschlagen, und in hellen Scharen strömten die Menschen aus den entlegensten Winkeln zusammen, um sich an dem Wettkampf zu beteiligen und das eigene Glück auf die Probe zu stellen. Der eine sagte, es sei die Haut einer Meerkatze, der andere, die eines Luchses, dieser, die eines Krokodils, und jener, von diesem Tier, und ein anderer, von jenem. Alle aber schossen meilenweit daneben, und keiner traf ins Schwarze.

Endlich fand sich bei dieser Anatomie ein Zauberer ein, das entsetzlichste Untier, das man je gesehen hatte, so daß bei seinem bloßen Anblick auch dem unerschrockensten Jüngling von der Welt das Schlottern ins Gebein, die Schwäche ins Gedärm und der Frost ins Herz fuhr. Kaum angekommen, strich der Zauberer wie eine Fliege um die Haut herum, und als er sie von allen Seiten beschnüffelt hatte, traf er mit einem Schuß in das Zentrum der Scheibe und löste das Rätsel: „Das ist die Haut des Erzangebers unter den Flöhen!“

Der König sah, daß er sich hübsch in die Nesseln gesetzt hatte, aber er wollte sein Wort nicht zurücknehmen und ließ seine Tochter Porziella rufen, ein Kind wie Milch und Blut. Ach Gott! Anmutig war sie wie ein Rehlein, und das Feuer ihrer Augen versengte einem das Herz, so wunderschön war sie! Der König sprach zu ihr: „Meine Tochter, du kennst den Aufruf, den ich erlassen habe, und du weißt, wer ich bin. Ich kann mein Wort nun einmal nicht zurücknehmen: entweder bin ich ein König oder ein Holzklotz! Mein Wort ist gegeben, ich muß es halten, wenn auch das Herz mir bricht. Wer hätte denn denken können, daß das große Los bei dieser Lotterie auf einen Zauberer fallen würde? Aber kein Blättchen kann sich regen ohne Gottes Segen, und deshalb müssen wir glauben, daß diese Ehe zuerst dort droben und dann hier unten geschlossen wird. Habe darum Geduld, und wenn du eine brave Tochter bist, so sei deinem Papa zu Willen, denn mir sagt das Herz, daß es zu deinem Besten sein wird. Wie oft hat man nicht in einem Topf aus rohem Ton kostbare Schätze gefunden!“

Als Porziella diesen bitteren Beschluß vernahm, wurde es ihr schwarz vor den Augen, ihr Gesicht wurde gelb, ihre Lippen zuckten schmerzlich, die Knie zitterten ihr, und es fehlte nicht viel, so hätte sie den Falken ihres Schmerzes der Wachtel ihrer Seele nachgesandt. Schließlich brach sie in Tränen aus, erhob jammernd ihre Stimme und sagte: „Was habe ich denn Schlimmes verbrochen, daß mich diese Strafe trifft? Habe ich mich gegen dich so schlecht aufgeführt, daß ich in die Hände dieses häßlichen Teufels gegeben werden soll? O unglückselige Porziella! Soll ich denn freiwillig wie ein Wiesel einer Kröte ins Maul laufen? Siehe, ich bin ein unglückliches Lamm, das einem Werwolf zur Beute wird. Ist das die Liebe, die du für dein eigenes Blut hegst? Ist das die Zuneigung der gegenüber, die du den Augapfel deiner Seele nanntest? So willst du aus deinem Herzen verstoßen, was ein Teil deines eigenen Wesens ist? So reißt du aus deinen Augen, was das Licht deiner Tage ist? O Vater, o grausamer Vater! Du bist gewiß nicht aus menschlichem Fleische geboren. Du hast Haifischblut in den Adern, Wildkatzen haben dich gesäugt. Aber wer spricht von den Tieren des Meeres und der Erde? Jedes Tier liebt seine Jungen, du allein hassest und verabscheust deinen Samen, dir allein ist deine eigene Tochter zuwider! Besser wäre es gewesen, wenn meine Mutter mich erstickt hätte, wenn meine Wiege mein Sarg, die Brust meiner Amme eine Giftblase, die Windeln Schlingen, das Räppelchen, das man mir um den Hals hängte, ein Mühlstein gewesen wäre, der mich auf den Grund des Meeres gezogen hätte. So aber war mir von meinen bösen Sternen bestimmt, mich an der Seite dieses Scheusals zu sehen, die Liebkosungen von Harpyienklauen zu erdulden, mich von zwei Bärentatzen umarmen und zwei Eberhauern küssen zu lassen!“

Und noch mehr hätte sie gesagt, wenn nicht der König, dem die Wut zu Kopfe stieg, sie unterbrochen hätte: „Beherrsche deine Bitterkeit, denn der Zucker ist teuer. Schweig, hör auf zu murren, du bist mir zu bissig, deine Zunge zu spitz und zu lästerlich. Was ich tue, ist gut getan. Willst du deinem Vater beibringen, was für Kinder er in die Welt setzen soll? Hör auf und halte deine Zunge im Zaum und mach nicht, daß mir der Senf in die Nase steigt, sonst rücke ich dir auf den Leib, und dann hast du kein Haar mehr auf dem Kopf und kannst mit deinen Zähnen die Erde besäen. Was denkst du dir? Ein Fürzchen von mir will sich als Mann aufspielen und dem Vater Gesetze vorschreiben! Seit wann wagt denn eine, die noch nicht trocken hinter den Ohren ist, sich meinem Willen entgegenzustellen? Geschwind, gib deinem Gatten die Hand und verfüge dich augenblicklich nach seinem Hause, denn ich will dein schamloses und hochfahrendes Gesicht nicht mehr vor Augen haben, nicht eine Viertelstunde länger!“

Als die unglückliche Porziella sich so rettungslos verloren sah, reichte sie dem Zauberer die Hand mit einem Gesicht wie eine zum Tode Verurteilte, mit entgeisterten Augen, mit todbleichen Lippen und dem Herzen eines Menschen, der zwischen Fallbeil und Richtblock liegt. Und der Zauberer riß sie mit sich mutterseelenallein in einen Wald, wo die Bäume ein undurchdringliches Dach über die Wiese spannten, so daß sie nicht von der Sonne entdeckt werden konnten, wo die Flüsse sich beklagten, daß sie bei ihrem Weg durch das Dunkel gegen die Steine stießen, und wo die wilden Tiere, ohne Weidegeld zu zahlen, sich ihres Asyls erfreuten und ungefährdet durch die Büsche strichen, wo ihnen niemals ein Mensch begegnete, wenn sie sich nicht vom Wege verirrten. An diesem Orte, der so schwarz war wie ein verstopfter Kamin, so furchterregend wie das Antlitz der Hölle, stand die Hütte des Zauberers, ganz besät mit Knochen von Menschen, die er gefressen hatte. Nun stelle sich eine Christenseele vor, wie das arme Mädchen zitterte und bebte, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte, wie sich ihr vor Entsetzen alles im Magen umdrehte, und wie sie vor Grauen verging. Kein Tropfen Blut blieb in ihren Adern.

Aber das alles war weniger als nichts im Vergleich zu dem, was ihr noch bevorstand, denn vor der Mahlzeit bekam sie Erbsen und hinterher trockene Bohnen. Das Ungeheuer war auf die Jagd gegangen und kehrte zurück, ganz beladen mit gevierteilten Menschen, die er umgebracht hatte, und sprach zu ihr: „Du kannst dich nicht beklagen, liebe Frau, daß ich nicht für dich sorgte. Hier habe ich dir eine leckere Mahlzeit mitgebracht. Nimm und schlampampe und hab mich lieb, denn eher fällt der Himmel ein, als daß ich es dir am Essen fehlen lassen werde.“

Die erbarmungswürdige Porziella erbrach sich wie eine Schwangere und wandte das Gesicht nach der anderen Seite. Der Zauberer, der diese Bewegung bemerkte, rief: „Das heißt doch Perlen vor die Säue werfen! Aber das macht nichts! Hab nur ein bißchen Geduld bis morgen früh, denn ich bin zu einer Wildschweinjagd geladen. Dann bringe ich dir ein paar mit, und wir halten unser Hochzeitsmahl mit den Verwandten und können dann mit um so größerem Genuß den Ehebund schließen.“

Mit diesen Worten schlug er sich in die Büsche, und sie blieb weinend am Fenster stehen. Da kam zufällig ein altes Weiblein vorbei, das, von Hunger gequält, sie um etwas Essen bat. Das unglückliche Mädchen antwortete ihr: „O meine gute Frau, Gott sieht in mein Herz und weiß, daß ich in der Gewalt eines höllischen Dämons bin, der mir nichts anderes ins Haus bringt als gevierteilte Menschen und Stücke von Ermordeten, so daß sich mir bei diesem ekelhaften Anblick der Magen umdreht. Ich führe das traurigste Leben, daß je einer getauften Seele beschieden war. Und dabei bin ich eine Königstochter und aufgewachsen mit Specknudeln und habe immer in Saus und Braus gelebt!“ Als sie das sagte, fing sie an zu weinen wie ein kleines Mädchen, dem man den Nachtisch wegnimmt.

Da wurde die Alte von Mitleid gerührt und erwiderte: „Laß den Mut nicht sinken, mein schönes Kind! Weinen macht häßlich. Dir ist das Glück über den Weg gelaufen, und ich will dir in Harnisch und Sattel helfen. Drum hör zu! Ich habe sieben Söhne, sieben Edelsteine, sieben Eichen, sieben Riesen: Mase, Nardo, Cola, Micco, Petrullo, Ascadeo und Ceccone, und ihre Kraft ist größer als die des Rosmarin. Mase braucht nur sein Ohr an die Erde zu legen, dann hört und fühlt er alles, was dreißig Meilen entfernt vorgeht. Wenn Nardo spuckt, bildet sich ein großes Meer von Seifenschaum. Wirft Cola ein Eisenstückchen hin, so läßt er daraus ein ganzes Feld von scharfen Schermessern aufsprießen, Micco mit einem Stecken einen Urwald. Sobald Petrullo einen Wassertropfen auf die Erde sprengt, rauscht ein furchtbarer Strom daher. Wenn Ascadeo ein Felsstück schleudert, läßt er einen gewaltigen Turm erstehen. Und Ceccone weiß so gut mit seiner Armbrust zu zielen, daß er über eine Meile weg einem Huhn ins Auge trifft. Mit Hilfe dieser Söhne, die alle ritterlich und liebenswürdig sind und mit deiner Lage Mitleid haben werden, will ich versuchen, dich den Klauen des Zauberers zu entreißen. Denn ein solcher Leckerbissen wie du ist nicht für den Schlund eines so häßlichen Teufels bestimmt.“

„Du hättest zu keinem günstigeren Augenblicke kommen können“, sagte Porziella, „denn dieser Unhold von Gatte ist draußen und kehrt heute abend nicht zurück, so daß wir Zeit genug haben, ihm zu entwischen und uns in Sicherheit zu bringen.“

„Heute abend kann es noch nicht sein“, versetzte das alte Weiblein, „denn ich wohne etwas weit weg. Aber morgen früh bin ich mit meinen Söhnen hier und erlöse dich aus deiner Not.“ Mit diesen Worten ging sie fort, und Porziella, der das Herz vor Freude schwoll, verbrachte eine ruhige Nacht.

Bei Morgengrauen — noch hatten die Vögel nicht gerufen: „Es lebe die Sonne!“ — da kam die Alte mit ihren sieben Söhnen, die Porziella in die Mitte nahmen und sich auf den Weg zur Stadt machten. Sie waren aber noch keine halbe Meile gegangen, als Mase das Ohr an die Erde hielt und rief: „Achtung, heda, hallo, da naht der Fuchs! Das Scheusal ist nach Hause gekommen, hat das Mädchen nicht gefunden und saust hinter uns her, seine Mütze unter dem Arm!“

Als er das hörte, spie Nardo auf die Erde und schuf ein Meer von Seifenschaum. Da der Zauberer dieses erblickte, mußte er nach Hause zurückgehen, einen Sack mit Kleie zu holen, und streute sie so lange vor seinen Füßen her in das schaumige Meer, bis er zum Schluß unter großen Mühen das Hindernis überwand.

Mase lauschte von neuem und warnte: „Jetzt bist du dran, Bruderherz!“ Da warf Cola das Eisenstückchen, und hervor sproß das Feld der Schermesser. Als der Zauberer den Weg wieder versperrt sah, lief er nach Hause zurück, kleidete sich von Kopf bis zu Fuß in Eisen und überkletterte den Damm.

Wieder lauschte Mase und schrie: „Auf, auf, zu den Waffen! Der Unhold kommt auf Windesflügeln herangebraust!“ Blitzschnell ließ Micco mit dem Stecken einen furchtbaren Urwald entstehen, der sehr schwierig zu durchdringen war. Der Zauberer aber riß sich ein Haumesser von der Seite, hieb hier eine Pappel, dort eine Eiche um, ließ auf der einen Seite einen Corneelkirschbaum, auf der anderen eine Meerkirsche auf die Erde stürzen, so daß er mit vier oder fünf Hieben den Wald zu Boden schmetterte und frei aus dem Gewirr der Büsche hervortrat.

Wieder erhob Mase, nachdem er gelauscht hatte, seine Stimme: „Was stehen wir hier, als ob wir uns den Bart abnehmen lassen wollten? Das Scheusal hat seine Flügel angelegt,im Handumdrehen sitzt er uns im Nacken!“Da schöpfte Petrullo einen Wasserstrahl aus einer Quelle, die Tropfen für Tropfen aus einer steinernen Muschel plätscherte, spritzte sie auf die Erde, und plötzlich rauschte ein großer Fluß daher. Als der Zauberer dieses neue Hindernis erblickte und sah, daß er kaum so schnell Löcher machen konnte, wie sie sie wieder zustopften, zog er sich splitternackt aus und schwamm, die Kleider über den Kopf haltend, an das andere Ufer.

Mase hörte das Dröhnen der Schritte und rief: „Diesmal geht die Sache schief, der Zauberer peitscht den Boden mit den Füßen, daß es vom Himmel widerhallt. Nehmt eure Kunst zusammen und rüstet euch gegen diesen Sturm, sonst sind wir verloren!“ — „Habt keine Angst“, versetzte Ascadeo, „mit diesem scheußlichen Unhold nehme ich es schon auf.“ Und er schleuderte einen Felsen und ließ einen Turm aus der Erde steigen, in den sie sofort alle hineinstürzten und den Riegel vorstießen. Als der Zauberer sah, daß sie sich in Sicherheit gebracht hatten, eilte er spornstreichs nach Hause, nahm eine Winzerleiter auf die Schulter und rannte zu dem Turm zurück.

Mase, der die Ohren gespitzt hatte, hörte ihn von weitem kommen und sprach: „Nun ist die Kerze unserer Hoffnungen bis auf ein Stümpfchen herabgebrannt. Ceccone ist die letzte Zuflucht unseres Lebens, denn das Scheusal kommt mit großer Wut zurück. Weh mir! Mir schlägt das Herz, schon sehe ich unsern Untergang!“ — „Du bist ein Hosenscheißer!“ erwiderte der jüngste der Brüder, „laß mich nur machen und paß auf, ob ich den Pfeil richtig anbringe.“ Während er das sagte, legte der Zauberer schon die Leiter an und begann hinaufzuklettern. Ceccone aber nahm ihn aufs Korn, jagte ihm einen Pfeil ins Auge, so daß er wie eine Birne hinunterpurzelte; dann stürzte Ceccone aus dem Turm und mit demselben Haumesser, das er bei sich trug, schnitt er ihm den Hals ab, als ob er aus Quark wäre.

Und mit großer Freude trugen sie den Kopf zum König. Der jubelte laut, als er seine Tochter wiederbekam, denn er hatte schon hundertmal bereut, sie einem Zauberer gegeben zu haben. In wenigen Tagen verschaffte er ihr einen schönen Gemahl, beschenkte die sieben Söhne und die Mutter mit Reichtümern, weil sie sie aus einem so unglücklichen Leben befreit hatten, und tausendmal entschuldigte er sich bei Porziella, weil er sie aus einer windigen Laune in eine so große Gefahr gebracht hatte, ohne das Sprichwort zu bedenken:

Wer vom ochsen milch verlangt und vom wolfe eier, ist fürwahr ein riesentropf und irrt ungeheuer.

Das Pentameron

Подняться наверх