Читать книгу Das Pentameron - Giambattista Basile - Страница 7
II
Der Myrtenzweig
ОглавлениеEine Bäuerin aus Miano bringt einen Myrtenzweig zur Welt. Ein Prinz verliebt sich in ihn, und er entpuppt sich als eine wunderschöne Fee. Als der Prinz sich für einige Zeit entfernen muß, läßt er sie in dem Myrtenzweig zurück, an dem er ein Glöckchen befestigt. In das Gemach des Prinzen schleichen sich gewisse üble Frauenzimmer, die auf die Fee eifersüchtig sind; sie berühren den Myrtenzweig, die Fee kommt heraus, und sie reißen sie in Stücke. Der Prinz kehrt zurück, findet das Gemetzel vor und will vor Schmerz sterben; als ihm aber die Fee auf wunderbare Weise zurückgegeben wird, nimmt er sie zur Gemahlin und läßt die Weiber hinrichten.
Alle hielten den Atem an, als Zeza ihre Erzählung vortrug. Als sie aber damit zu Ende war, erhob sich ein großes Gerede, und sie bekamen den Mund nicht mehr zu vor Staunen über die wunderbare Leibesfracht des Esels und den verzauberten Prügel; und eine meinte, wenn man einen Wald von solchen Prügeln besäße, würden bald nur noch wenig Gauner lange Finger machen und die meisten Verstand annehmen, so daß man nicht mehr wie heutzutage mehr Esel als Traglasten fände. Doch als sie eine Zeitlang ihre Meinungen ausgetauscht hatten, gab der Herr Cecca den Befehl, den Faden der Erzählung weiterzuspinnen, und Cecca erzählte wie folgt:
Wenn der Mensch bedächte, wieviel Schaden und Unheil und welches Verderben durch schamlose Weiber in der Welt angerichtet werden, würde er die Fährte eines liederlichen Weibsbildes sorgsamer fliehen als den Anblick einer Schlange; und er würde seine Ehre nicht aufs Spiel setzen für solch einen Bordellwisch, nicht sein Leben für ein Spital von Krankheiten und nicht all sein Einkommen für eine Metze, die noch keine drei Heller wert ist, die dir nichts eingibt als Abführpillen für Ekel und Ärger: was ihr vernehmen sollt aus der Geschichte eines Prinzen, der sich solch schlimmem Pack in die Hände gegeben hatte.
Es lebten einmal unten in der Vorstadt von Miano ein Mann und eine Frau, die sich, da ihnen auch nicht der Keim eines Kindes beschert war, nichts sehnlicher wünschten als einen Erben. „O Gott, wenn ich doch nur irgend etwas zur Welt brächte, und wäre es auch nur ein Myrtenzweiglein!“ so seufzte die Frau ohne Unterlaß. Und so oft sang sie diese Melodie und lag dem Himmel so lange damit in den Ohren, bis ihr der Leib schwoll und sich rundete und sie nach Ablauf von neun Monaten, anstatt ein Knäblein oder Mägdelein der Wehmutter in den Arm zu legen, aus den elysäischen Gefilden des Leibes einen schönen Myrtenzweig hervortrieb.
Hocherfreut pflanzte sie ihn in einen Blumentopf, der mit viel schönen Masken geschmückt war, stellte ihn auf das Fensterbrett und pflegte ihn des Morgens und des Abends mit größerer Sorgfalt als der Bauer sein Kohlfeld, aus dem er die Pacht seines Gartens zu erzielen hofft. Als aber der Königssohn, der auf die Jagd gehen wollte, an dem Hause vorbeikam, verliebte er sich über alle Maßen in den schönen Myrtenzweig, und er ließ die Bäuerin bitten, ihn ihm zu verkaufen, und hätte ihr gern ein Auge dafür gezahlt. Nach vielem Nein und vielem Widerspruch wurde sie schließlich von Begehrlichkeit nach dem Angebot ergriffen, von Versprechungen geschmiert, durch Drohungen verschüchtert und durch Bitten überwunden, so daß sie ihm den Topf mit dem Myrtenzweig gab mit der Bitte, ihn zu hegen und zu pflegen, denn sie liebe ihn mehr als einen Sohn und hinge in Zärtlichkeit an ihm, wie wenn er aus ihrem Leibe hervorgegangen wäre.
Niemand jubelte lauter als der Prinz. Er ließ den Myrtenzweig in seine eigenen Gemächer tragen, setzte ihn auf eine Terrasse, lockerte das Erdreich und begoß den Zweig mit eigenen Händen.
Nun geschah es, daß der Prinz, als er eines Abends zu Bett gegangen war und die Kerzen schon gelöscht hatte, die Stille sich ringsum dehnte und die Menschen im ersten Schlummer lagen, das Schlurfen von Schuhen im Hause vernahm und jemand vorsichtig auf sein Bett zuschleichen spürte. Es schoß ihm durch den Kopf, es könne sein Kammerdiener sein, der ihm die Börse erleichtern, oder ein Kobold, der ihm die Decke vom Leibe ziehen wollte. Kurzum, als Mann von Mut, dem auch die finsterste Hölle keine Furcht einjagen konnte, stellte er sich mausetot und harrte des Ausgangs des Abenteuers. Als er jedoch jemand an seiner Seite fühlte und im Tasten auf etwas Weiches stieß, wo er auf die Borsten eines Stachelschweins zu treffen vermeinte, da fand er etwas, das war viel feiner und molliger als armenische Wolle, sanfter und schmiegsamer als ein Marderschwanz, flaumig und zart wie das Gefieder des Stieglitzes. Da schloß er sie in seine Arme in dem Glauben, sie sei eine Fee, was sie ja auch wirklich war, und umschlang sie wie ein Polyp und spielte mit ihr all die verliebten Spiele wie „die stumme Spätzin“ oder „Steinchen im Schoß“. Doch ehe die Sonne ihre ärztliche Visite bei den Blumen machte, die in der Nacht krank und matt geworden waren, erhob sich die Freundin und schlüpfte davon. Der Prinz aber blieb zurück voll süßer Erschöpfung, geladen mit Neugier und glühend vor Entzücken.
Sieben Tage hindurch währte das Spiel, und der Prinz verzehrte sich und verschmachtete vor Begierde, zu erfahren, welches Glück ihm da von den Sternen herabgeregnet war, und welches Schiff, so reich beladen mit den kostbarsten Schätzen der Liebe, da in seinem Bette Anker geworfen hatte. Als daher eines Nachts das schöne Kind eingeschlummert war, band er sich eine ihrer Flechten an den Arm, damit sie nicht davonschlüpfen könnte, rief seinen Kammerdiener und hieß ihn die Kerzen anzünden und erblickte die Blüte der Schönheit, das Wunder der Frauen, den Spiegel und das Nesthäkchen der Venus, sah ein Püppchen, ein anmutiges Täubchen, eine Fata Morgana, ein leuchtendes Banner, ein Zweiglein von Gold, schaute eine Herzensbrecherin, ein Falkenauge, einen Mond in seiner Fülle, einen Königsbissen, ein Juwel, nahm mit einem Wort ein Schauspiel wahr, wie er es noch nie gesehen.
Wieder und wieder betrachtete er sie und rief: „Jetzt krieche hinter den Ofen, du zyprische Göttin! Häng dich auf, o Helena! Pack dich, schöne Kleopatra! Eure Reize sind ein Pappenstiel neben dieser Schönheit mit doppelten Sohlen, dieser vollkommenen, ungeteilten, vollendeten, unbestreitbaren, fest gegründeten und tief verwurzelten Schönheit, neben dieser wunderbaren Holdseligkeit, neben dieser sevillanischen, unübertrefflichen, bezaubernden, prächtigen Anmut, an der kein Makel ist und die nirgendwo einer Erhöhung bedarf. O Schlaf, du süßer Schlaf, tröpfle weiter Mohn auf die Augen dieses Edelsteins! Zerstöre mir nicht den Genuß, so lange, wie es mich verlangt, diesen Triumph der Schönheit zu betrachten. O schöne Flechte, die mich bindet! O schöne Augen, die mich wärmen! O schöne Lippen, die mich erquicken! O schöne Brust, die mich tröstet! O schöne Hand, die mich durchbohrt. Wo, wo, in welcher Wunderwerkstatt der Natur ist diese lebende Statue geschaffen worden? Welches Indien lieferte das Gold, dieses Haar daraus zu spinnen? Welches Äthiopien das Elfenbein, um diese Stirn zu bilden? Welche Maremme die Karfunkel, diese Augen zu formen? Welches Tyrus den Purpur, dieses Antlitz zu färben? Welcher Orient die Perlen, um diese Zähne zu modeln? Und von welchem Gebirge nahm man den Schnee, ihn auf diese Brust zu streuen? Diesen Schnee, der gegen alle Natur die Blumen am Leben erhält und die Herzen wärmt?“
Bei diesen Worten schlang er seine Arme wie Rebenranken um die Fee, um den Trost seines Lebens festzuhalten. Doch als er ihren Hals umfaßte, erwachte sie aus ihrem Schlummer und antwortete mit einem anmutigen Gähnen auf die Seufzer des verliebten Prinzen. Da er sah, daß sie erwacht war, sprach er zu ihr: „O mein Schatz, wenn ich schon fast gestorben wäre, als ich diesen Liebestempel ohne Kerze bewachte, was soll nun erst aus meinem Leben werden, da du zwei Sterne entzündet hast? O schöne Augen, die ihr mit dem Triumph eures Lichtes die Bank der Gestirne gesprengt, ihr allein habt dieses Herz durchbohrt, ihr allein könnt wie mit frischen Eiern die Wunde wieder zum Versiegen bringen. Und du, meine schöne Ärztin, laß dich von Mitleid rühren mit einem Liebeskranken, der beim jähen Wechsel aus der Luft der dunklen Nacht in das Licht dieser Schönheit sich ein Fieber zugezogen hat! Leg mir die Hand aufs Herz, fühl mir den Puls, verschreib mir ein Rezept! Aber welches Rezept suche ich, meine Fee? Setze mir mit deinem schönen Munde fünf Schröpfköpfe auf die Lippen; ich brauche keine andere Einreibung als ein Streicheln dieses Händchens, denn ich bin sicher, daß du mich mit dem herzstärkenden Wasser dieser zierlichen Anmut und der Heilwurzel deiner Zunge stark und gesund machen wirst.“
Bei diesen Worten errötete die schöne Fee wie eine flammende Lohe, und sie antwortete: „Lobet mich nicht so sehr, gnädiger Herr Prinz, ich bin nur eine Dienerin, und diesem königlichen Antlitz aufzuwarten, würde ich nicht davor zurückschrecken, das Gefäß der Nacht für Euch zu leeren; erachte ich es doch für ein hohes Glück, aus einem Myrtenzweig in einer tönernen Scherbe zum Lorbeerzweig geworden zu sein und an der Herberge eines lebendigen Herzens aufgesteckt zu werden, in der so viel Güte und so viel Tugend wohnt.“
Der Prinz schmolz dahin wie ein Talglicht, und wieder begann er sie zu umarmen und den Brief mit einem Kusse zu besiegeln; und er reichte ihr die Hand und sprach: „Hier hast du mein Wort, du sollst meine Gemahlin werden, du sollst die Herrin des Zepters sein, du sollst den Schlüssel zu diesem Herzen haben, wie du ja schon das Steuer dieses Lebens führst.“ Und nach diesen und anderen Liebenswürdigkeiten und Reden erhoben sie sich vom Lager und versicherten sich, daß ihr innerer Mensch noch in Ordnung war, und auf diese Weise genossen sie noch eine Reihe von Tagen.
Das Schicksal aber, dieser Spielverderber und Ehestörer, steht den Plänen der Liebe immer im Wege, es ist immer der schwarze Köter, der die Freuden der Liebenden verbellt, und so geschah es denn auch, daß der Prinz aufgefordert wurde, Jagd zu machen auf einen großen wilden Eber, der das Land verwüstete. Das zwang ihn, die Fee zu verlassen und damit zwei Drittel seines Herzens; und da er sie mehr liebte als sein Leben und in ihr den Ausbund alles Schönen sah, sproß aus dieser Liebe und dieser Schönheit jene dritte Art, die ein Sturm auf dem Meere der Liebesfreude ist, ein Regen auf die Wäsche der Liebestruhe, ein Ruß, der in den fetten Topf der Vergnügen der Verliebten fällt; jene Art sage ich, die eine stechende Schlange, ein nagender Wurm, eine giftige Galle, ein klirrender Frost ist, jene Art, die das Leben immer in Spannung hält, das Gemüt immer schwanken macht, das Herz immer mit Argwohn füllt. Er rief also die Fee und sprach zu ihr: „Ich bin gezwungen, liebes Herz, zwei oder drei Tage von Hause fortzugehen. Gott weiß, mit welchen Schmerzen ich mich von dir trenne, die du meine Seele bist; es weiß der Himmel, ob nicht, ehe ich den ersten Schritt von dir weg tue, meine letzte Stunde gekommen ist! Doch da ich nicht anders kann, als meinem Vater zu Willen zu sein, muß ich dich verlassen. Aber ich bitte dich, bei aller Liebe, die du zu mir hegst, begib dich wieder in den Myrtenzweig und komme nicht eher heraus, als ich zurückgekehrt bin, und das wird so bald wie möglich sein.“ — „Das werde ich tun“, versetzte die Fee, „denn ich mag, kann und will dem nicht entgegen sein, was dir gefällt. Geh also, und alles Glück auf den Weg, ich werde dir aufs beste dienen. Aber tu mir einen Gefallen, binde oben an den Myrtenzweig einen seidenen Faden mit einem Glöckchen, und wenn du zurückkehrst, ziehe an dem Faden und klingele, dann komme ich sofort heraus und rufe: ,Hier bin ich!‘“
Der Prinz tat so und schärfte einem seiner Diener ein: „Komm her, komm her, du, sperr die Ohren auf, mach dieses Bett jeden Abend, als ob ich darin schlafen wollte, begieße täglich diesen Topf und paß wohl auf, denn ich habe die Blätter gezählt, und finde ich eines weniger, so kannst du deine Rechnung mit dem Himmel machen.“ Mit diesen Worten bestieg er sein Roß und ritt davon wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, um hinter einem Eber herzujagen.
Inzwischen hatten die sieben lockeren Weiber, die der Prinz zu seinem Vergnügen gehalten hatte, gemerkt, daß er in der Liebe nachgelassen, erkaltet war und aufgehört hatte, ihre Gärtlein zu bestellen, und sie schöpften Verdacht, er könne über irgendeine neue Bindung die alte Freundschaft vergessen haben. Begierig, Land zu entdecken, riefen sie einen Maurer, und mit dem Klang des Geldes brachten sie ihn dazu, einen unterirdischen Gang zu graben, der von ihren Häusern zu dem Palaste des Prinzen führte. Dort eingedrungen, öffneten die schmutzigen Weiber das Gemach, um zu sehen, ob eine listenreiche Nebenbuhlerin ihnen die Stellung weggenommen und den guten Kunden bezaubert hätte, aber sie fanden niemand. Als sie den wunderschönen Myrtenzweig erblickten, pflückte eine jede ein Blatt ab, die Jüngste aber nahm die ganze Spitze, an welcher das Glöckchen befestigt war; und dieses, kaum berührt, ertönte, und die Fee, des Glaubens, es sei der Prinz, kam sofort hervor. Als die häßlichen Hexen jedoch die zierliche Gestalt gewahrten, schlugen sie ihr die Nägel ins Gesicht und kreischten: „Bist du es, die das Wasser unserer Hoffnungen auf ihre Mühle leitet? Bist du es, die uns den hübschen Bissen der prinzlichen Gunst aus den Händen gerissen hat? Bist du die saubere Dame, die sich in den Besitz des Bratens gesetzt hat, der uns gehörte? Sei uns willkommen: du hast deinen letzten Schritt getan! Es wäre besser, deine Mutter hätte dich nie geboren! Das wird dir übel bekommen! Du hast gefunden, was du nicht suchtest! Du kommst uns wie gerufen! Ich will kein Neunmonatskind sein, wenn du uns entgehst!“ Mit diesen Worten schlugen sie die Fee mit einer Keule auf den Kopf und zerschnitten sie sofort in hundert Stücke, und jede nahm sich ihren Teil. Nur die Jüngste wollte sich an der Bluttat nicht beteiligen, und als sie von den Schwestern aufgefordert wurde, zu tun wie sie, nahm sie nur ein Büschel von dem goldenen Haar. Da sie fertig waren, verschwanden sie durch denselben unterirdischen Gang.
Mittlerweile kam der Kammerdiener, um das Bett zu machen und den Topf zu begießen, wie sein Herr ihm befohlen hatte. Als er die Zerstörung sah, wäre er beinahe vor Schrecken davongelaufen. Er biß sich die Hände, dann sammelte er die Überreste des Fleisches und der Knochen, wusch das Blut vom Boden ab, häufte alles in demselben Topfe zusammen, begoß es, legte das Bett offen, schloß ab, und nachdem er den Schlüssel unter die Schwelle gelegt hatte, floh er eilends aus dem Lande.
Als er von der Jagd zurückkehrte, zog der Prinz an der Seidenschnur und läutete das Glöcklein. Aber läute nur, daß du Wachteln fängst, läute nur, denn der Bischof zieht vorbei! Er hätte mit dem Hammer läuten können, die Fee stellte sich taub. Wütend eilt er in das Gemach, und da er nicht die Ruhe hat, den Kammerdiener zu rufen und den Schlingel zu suchen, stemmt er sich gegen das Schloß, sprengt die Tür auf, stürzt hinein, reißt das Fenster auf, und als er den Myrtenzweig entblättert dastehen sieht, erhebt er ein großes Klagegeschrei und ruft mit schriller Stimme: „O ich Elender, o ich Trübseliger, o ich Unglücklicher! Wer hat mir diesen Wergbart umgehängt? Wer hat mir diese Unglückskarte vorgespielt? O du vernichteter, zerschmetterter, in den Staub gestürzter Prinz! O meine entblätterte Myrte, o meine verlorene Fee, o mein kummervolles Leben, o ihr meine in Rauch aufgegangenen Freuden, o mein zu Essig gewordener Wein! Was sollst du tun, elender Cola Marchionne! Was beginnen, du Unglücklicher? Nun spring über den Graben, zieh dich aus dieser Klemme! Du bist aus allen Himmeln gestürzt und schneidest dir nicht die Kehle durch? All deiner Schätze hat man dich beraubt, und du brichst nicht ohnmächtig zusammen? Das Leben hat man dir genommen, und du verlierst nicht den Verstand? Wo bist du, wo bist du, meine Myrte? Welches Herz, härter denn Pfefferstein, hat mir diesen schönen Topf zerschlagen? O verfluchte Jagd, du hast mich aus all meinem Behagen gejagt. Weh mir, um mich ist es geschehen, ich bin vernichtet, ich bin tot, meine Tage sind zu Ende! Ich kann nicht mehr leben, wie soll ich dieses Dasein fristen ohne mein Leben? Ich muß mich auf die Bahre strecken, denn ohne meinen Schatz wird der Schlaf mir zur Qual, das Essen zu Gift, das Vergnügen zur Folter, das Leben zur Bitternis!“
Solche und andere Worte, die einen Stein auf der Straße hätten erweichen können, stieß der Prinz hervor, und nach einer langen Totenklage und schmerzlichem Jammern, voller Angst und Weh, konnte er weder ein Auge schließen, um zu schlafen, noch den Mund öffnen, einen Bissen zu genießen, so durchwühlte ihn der Schmerz. Sein Gesicht, das vorher geleuchtet hatte wie orientalische Mennige, wurde gelb wie Schwefel und der rosige Schinken seiner Lippen ranzig wie Schweineschmalz. Die Fee, die aus den in dem Topfe gesammelten Resten wieder anfing zu wachsen, sah, wie der arme Verliebte sich zerschlug und die Haare raufte und klein und häßlich wurde und aussah wie ein kranker Spanier, wie eine wurmige Eidechse, wie Kohlsuppe, wie Gelbsucht, wie eine Quitte, wie der Steiß eines Feigenfressers und der Furz eines Wolfes; und sie wurde von Mitleid bewegt. Und mit einem Satze aus dem Topf springend, wie ein Lichtstrahl aus einer Blendlaterne huschend, stand sie vor den Augen von Cola Marchionne, schlug ihm die Arme um den Hals und sagte: „Ruhig, ruhig, mein Prinz! Es ist genug, hör auf zu klagen, trockne deine Tränen, glätte deine Stirne! Sieh da, ich bin gesund und munter, jenen schlechten Weibern zum Trotz, die mir den Schädel spalteten und mit meinem Fleische verfuhren wie Typhon mit seinem armen Bruder.“
Bei diesem jähen Wechsel der Dinge, der gerade eintrat, als er es am wenigsten vermutete, erwachte der Prinz vom Tode zum Leben. Die Farbe kehrte in seine Wangen zurück, die Wärme ins Blut, der Geist in die Brust, und tausendmal herzte und küßte er die Fee und wollte haarklein wissen, wie alles gekommen war. Und als er erfuhr, daß den Kammerdiener nicht die geringste Schuld traf, ließ er ihn zurückrufen, hieß ein großes Gastmahl anrichten und vermählte sich mit Zustimmung seines Vaters mit der Fee. Er wünschte, daß außer allen Großen des Reiches vor allem die sieben Schandweiber zugegen wären, die aus diesem Milchschäfchen Hackfleisch gemacht hatten.
Als die Tische abgeräumt wurden, fragte der Prinz jeden einzelnen seiner Gäste: „Was hätte die Person verdient, die diesem schönen Kinde ein Leids angetan?“ Und dabei zeigte er mit dem Finger auf die Fee, die so schön war, daß sie die Seelen wie ein Blitz durchpfeilte, die Herzen wie eine Winde herauszog und die Wünsche karrenweise erregte. Und alle, die am Tisch saßen, beim König angefangen, gaben Antwort. Der eine sagte, sie verdiene den Galgen, ein anderer, es stehe ihr zu, aufs Rad geflochten zu werden, der dritte empfahl glühende Zangen, der vierte wollte sie vom Felsen herabgestürzt sehen, der eine empfahl diese, der andere jene Strafe. Zuletzt kam die Frage an die sieben Scheusale. Diese ahnten wohl, daß es ihnen an den Kragen gehen würde und ihnen eine schlimme Nacht bevorstand, dennoch antworteten sie, da nun einmal im Wein Wahrheit ist, wer die Verwegenheit besitze, jene köstlichste aller Liebesfreuden anzurühren, der verdiene, lebendig in einer Kloake begraben zu werden.
Auf diesen Urteilsspruch, den sie mit eigenem Munde gefällt hatten, sagte der Prinz: „Ihr habt euch selbst den Prozeß gemacht, ihr selbst habt den Urteilsspruch verkündet. Mir bleibt nur übrig, euren Befehl auszuführen, denn ihr seid diejenigen, die mit dem Herzen eines Nero, mit der Grausamkeit einer Medea einen Eierkuchen aus diesem schönen Köpfchen gemacht und diese köstlichen Glieder zerschnitten habt wie Wurstfleisch. Drum vorwärts, schnell, daß keine Zeit verlorengeht! Auf der Stelle sollen sie in die Hauptkloake gestürzt werden und dort jämmerlich ihr Leben beschließen!“
Der Befehl wurde sofort ausgeführt. Der Prinz verheiratete die jüngste dieser Dirnen mit dem Kammerdiener und gab ihr eine gute Mitgift. Und nachdem er dem Vater und der Mutter des Myrtenzweiges ein bequemes Dasein gesichert hatte, lebte er in Fröhlichkeit mit seiner Fee. Jene Töchter der Hölle aber, die ihr Leben in so bitterer Not beschlossen, bestätigten die Wahrheit des Sprichwortes unserer Väter:
Die lahme ziege käm’ ans ziel,
wenn sie nicht stolperte und fiel.