Читать книгу Das Pentameron - Giambattista Basile - Страница 4
ОглавлениеWer sucht, was er nicht soll, findet, was er nicht will — so heißt es in einem Sprichwort aus der guten alten Zeit. Und hätte der Affe sich nicht die Stiefel angezogen, dann wäre er den Jägern nicht in die Falle gegangen. So geschah es auch einer lumpigen Mohrensklavin. Denn der Schleifstein glättet jede Rauheit, und einmal kommt der Tag, da jede Rechnung bezahlt wird. Daher stolperte endlich auch die über ihre eigenen Füße, die sich auf krummen Wegen verschafft hatte, was anderen zukam; und je höher sie gestiegen war, desto tiefer stürzte sie hinab. Und das wird in diesem Buche erzählt.
Es war einmal ein König von Vallepelosa. Der hatte eine Tochter namens Zoza, die man, gleich als wäre sie ein anderer Zoroaster oder ein zweiter Heraklit, niemals hatte lachen sehen. Der unglückliche Vater, der nichts anderes im Sinne hatte als diese einzige Tochter, ließ kein Mittel unversucht, um den Schatten der Melancholie von ihr zu vertreiben. Um sie zum Lachen zu reizen, ließ er bald Seiltänzer kommen, bald Reifenspringer, bald Schembartläufer; heute Gaukler, morgen Ringkämpfer, stark wie Herkules; einmal einen tanzenden Hund, ein andermal einen Esel, der aus einem Becher trank; nun Moriskentänzer, dann dies, dann das. Aber alles war vergebliche Liebesmühe, denn weder das Rezept eines Wunderdoktors noch das sardinische Kraut oder ein Stich ins Zwerchfell hatte ihren Mund auch nur zu dem leisesten Lächeln gekräuselt. Da nahm der arme Vater, der nicht mehr aus noch ein wußte, seine Zuflucht zu einem letzten Mittel.
Er gab Befehl, vor dem Portal seines Schlosses einen Ölbrunnen springen zu lassen, wobei er dachte, die Menschen, die auf der Straße wie die Ameisen hin und her liefen, würden vor dem spritzenden Brunnen — aus Angst, sich die Kleider zu beschmutzen — einherhüpfen wie die Grillen, springen wie die Böcklein, Haken schlagen wie die Hasen, so daß die Tochter beim Anblick all des Gleitens und Rutschens in ein helles Gelächter ausbrechen müßte.
Der Brunnen begann zu sprudeln, aber Zoza stand am Fenster und machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Da führte der Zufall ein altes Weiblein des Weges, das sog das Öl mit einem Schwamme auf und drückte den in ein Krüglein aus. Während die Alte so alle Hände voll zu tun hatte und ganz in ihre Arbeit vertieft war, schleuderte so ein Satansbraten von Hofpage ein Steinlein so geschickt gegen das Krüglein, daß es in tausend Scherben zersplitterte. Die Alte, die Haare auf den Zähnen hatte und nicht gewohnt war, sich zum Narren halten zu lassen, fuhr herum und schrie den Pagen an: „Ha, du Schlingel, du Scheißkerl, du Bettpisser, du Taugenichts, du Schlappschwanz, du Galgenstrick, du Eselsbastard, auf dem sogar die Flöhe den Husten haben! Daß du doch den Tatterich kriegtest! Deiner Mutter gönnte ich die böse Nachricht. Wärst du doch vor die Hunde gegangen, ehe die Bäume wieder ausschlagen! Eine katalanische Lanze müßte dir zwischen die Rippen fahren! Das Seil sollte dir den Hals zuziehen, daß auch nicht ein einziges Tröpfchen Blut herauskäme. Eimerweise müßte das Unglück auf dich niederregnen! Keine Spur sollte von dir zurückbleiben, du Lump, du Tunichtgut, du Gauner, du Hurensohn!“
Nun hatte der Knabe zwar erst wenig Flaum auf den Wangen und noch weniger Bescheidenheit im Herzen, da er aber diesen Hagel unbeherrschter Schimpfworte auf sich niederprasseln fühlte, zahlte er es ihr mit derselben Münze heim und schrie: „Willst du wohl deine Kloake zumachen, du Satansbraten, du blutsaugerische Hexe, du Kindsmörderin, du Schlangengezücht, du Furzgesicht!“ Als die Alte diese Kosenamen hörte, stieg ihr die Wut in den Kopf, so daß sie den Kompaß ihrer Gelassenheit verlor, aus dem Stalle der Geduld ausbrach und den Vorhang ihrer Hinterbühne aufhob, so daß man den ganzen umbuschten Schauplatz erblickte und Silvio wohl hätte sagen können: „Geht hin und weckt die Schläfer mit der Trompete.“ Bei diesem Anblick bekam Zoza einen solchen Lachkrampf, daß sie beinahe ohnmächtig geworden wäre.
Durch den Lärm dieses Gelächters erneut in Wut versetzt, schnitt die Alte schreckliche Grimassen und rief: „Warte nur, du sollst auch nicht den Schatten eines Ehegatten finden, es sei denn, du bekämst den Fürsten von Camporotondo!“ Kaum hatte die Prinzessin diese Worte gehört, da ließ sie die Alte holen und wollte um jeden Preis wissen, ob sie sie habe beleidigen oder verwünschen wollen. Die Alte antwortete: „Der Fürst, den ich genannt habe, müßt Ihr wissen, ist ein Bild von einem Manne; er hat aber auf die Verwünschung einer Fee hin den letzten Pinselstrich an dem Gemälde seines Lebens getan und wurde außerhalb der Stadtmauern ins Grab gelegt. Auf seiner Gruft befindet sich eine Inschrift, die besagt, daß die Frau, die innerhalb von drei Tagen einen Krug, der dort an einem Haken hängt, mit ihren Tränen füllt, ihn vom Tode auferwecken und zum Gatten nehmen wird. Nun ist es aber unmöglich, daß zwei Menschenaugen so viele Tränen vergießen können, damit einen Krug zu füllen, der einen halben Scheffel faßt, es sei denn jene Nymphe Egeria, die, wie ich habe erzählen hören, in Rom in eine Tränenquelle verwandelt wurde; drum habe ich, als ich mich von Euch verlacht und verspottet sah, Euch diesen Fluch zugeschleudert, und ich bitte den Himmel, er möge ihn erfüllen zur Bestrafung des Unrechts, das mir zugefügt worden.“ Mit diesen Worten flitzte sie eilends die Treppe hinab, als säße ihr die Angst vor einer Tracht Prügel im Nacken.
Von Stund an begann Zoza über die Worte der Alten nachzusinnen und sie hin und her zu überlegen; der Versucher trat bei ihr ein, und nachdem sie das Rad der Gedanken und die Mühle der Zweifel immer wieder um diese Tatsache gedreht hatte, ließ sie sich endlich auf dem Wagen jener Leidenschaft, die den Verstand des Menschen verblendet und seine Urteilskraft lähmt, dahin bringen, daß sie einen ordentlichen Haufen Taler aus der Schatzkammer des Vaters nahm und aus dem Palaste des Königs entwich. Sie wanderte, bis sie an das Schloß einer Fee gelangte, und nachdem sie der ihr Herz ausgeschüttet, wurde die Fee von Mitleid gerührt mit dem jungen Mädchen, das zwei Sporen dem Abgrunde entgegenhetzten: ihre große Jugend und ihre übermächtige Liebe zu einem Unbekannten. Daher gab sie ihr einen Empfehlungsbrief an eine ihrer Schwestern, die auch zauberkundig war. Diese nahm sie mit vielen Aufmerksamkeiten auf, und als am anderen Tage die Morgenröte anbrach und die Nacht eine Botschaft an die Vögel erließ und demjenigen ein gutes Trinkgeld versprach, der ihr Kunde brächte über einen verlorenen Haufen Schatten, reichte sie ihr eine schöne Walnuß und sprach: „Nimm, mein Töchterchen, bewahre sie gut und öffne sie nur im Augenblicke höchster Not.“ Dann empfahl sie Zoza mit einem anderen Briefe an eine dritte Schwester. Nach langer Wanderung dort angekommen und genau so liebreich aufgenommen, erhielt sie von ihr einen Brief an eine vierte Schwester und eine Kastanie mit derselben Weisung, wie sie ihr mit der Walnuß gegeben worden war. Darauf machte sie sich wieder auf den Weg und gelangte an das Schloß der letzten Fee, die sie tausendmal liebkoste und ihr am nächsten Morgen beim Abschied eine Haselnuß verehrte mit derselben Mahnung, sie nicht zu öffnen, es sei denn, daß die äußerste Not sie dazu zwinge.
Im Besitz dieser Gaben nahm Zoza den Weg unter die Füße und wanderte durch so viele Länder und durchquerte so viele Wälder und Flüsse, daß sie nach sieben Jahren — es war gerade in dem Augenblick, da die Sonne, von den Trompeten der Hähne geweckt, ihr Pferd gesattelt hatte, um die gewohnten Posten abzureiten — fast lahm in Camporotondo ankam. Noch hatte sie das Stadttor nicht erreicht, da erblickte sie das Marmorgrab am Fuße einer Quelle, die, in ein Porphyrbecken eingeschlossen, kristallene Tränen weinte. Sie nahm den Krug von der Wand, setzte ihn zwischen die Knie und begann die Komödie der beiden Zwillinge zu spielen, sie unten und die Quelle oben, und nicht eher hob sie den Kopf von der Öffnung des Kruges, als bis in weniger als zwei Tagen die Tränenflut bis hoch an den Rand gestiegen war und an der ganzen Füllung nur noch zwei Fingerbreit fehlten. Ehe Zoza aber diesen Stand erreicht hatte, war sie vom vielen Weinen so müde geworden, daß sie, ohne widerstreben zu können, vom Schlafe überwältigt wurde und gezwungen war, sich für ein paar Stunden unter das Zelt ihrer Augenlider zurückzuziehen.
In dieser Zeit legte sich eine krummbeinige Mohrensklavin — sie begab sich oft mit einem Fäßchen zum Wasserschöpfen an die Quelle und kannte deren allerorten beredete Inschrift recht gut —, die gesehen hatte, wie Zoza dasaß und in zwei Bächlein ihre Tränen verströmte, auf die Lauer, um ihr den Krug, wenn er ungefähr voll wäre, aus den Händen zu nehmen und sie mit einer Handvoll Fliegen sitzen zu lassen. Als sie bemerkte, daß Zoza eingeschlafen war, zog sie ihr geschickt den Krug vom Schoße, hielt ihre Augen darüber und füllte ihn im Handumdrehen bis oben an den Rand. Kaum war er voll, da erhob sich der Fürst wie einer, der aus langem Schlaf erwacht, aus seinem Marmorsarg und streckte die Hände nach dem schwarzen Fleischkloß aus, den er auf der Stelle in seinen Palast führte und unter Festen und wunderbarem Feuerwerk zu seiner Gemahlin machte.
Inzwischen erwachte Zoza. Als sie den Krug auf dem Boden und damit ihre Hoffnungen im Staube und das Grab der Verzweiflung geöffnet sah, da krampfte sich ihr Herz zusammen, und es fehlte nicht viel, so hätte sie das Gepäck ihrer Seele an dem Zollhause des Todes abgelegt. Da es aber nun einmal kein Mittel gegen ihr Leid gab und sie sich über nichts anderes zu beklagen hatte als über ihre Augen, welche die Schäfchen ihrer Hoffnungen nicht sorgfältig genug bewacht hatten, wandte sie sich langsamen Schrittes dem Stadtinnern zu. Dort hörte sie von dem Feste des Fürsten und von der hochedlen Gemahlin, die er heimgeführt, und nun konnte sie sich ohne weiteres vorstellen, wie alles zugegangen war. Da sprach sie unter Seufzern, zwei dunkle Wesen hätten sie auf die nackte Erde gesetzt, der Schlaf und die Mohrin. Um nun aber nichtsdestoweniger gegen den Tod, dem sich jedes Wesen nach Kräften widersetzt, kein Mittel unversucht zu lassen, nahm sie in einem schönen Hause gegenüber dem Palaste des Fürsten Quartier. Von hier aus konnte sie, wenn es ihr schon versagt sein sollte, den Abgott ihres Herzens zu erblicken, wenigstens die Mauern des Tempels betrachten, die ihn umschlossen. Fürst Taddeo, der bisher wie eine Fledermaus die schwarze Nacht der Sklavin umflattert hatte, erblickte nun eines Tages Zoza, und auf der Stelle wurde er zum Adler und ließ diesen Ausbund aller Köstlichkeiten der Natur, dieses Trumpf-As der Schönheiten, keinen Augenblick mehr aus den Augen. Kaum hatte die Mohrin das bemerkt, schlug sie einen Höllenlärm, und da sie gesegneten Leibes war, drohte sie dem Gatten: „Wenn du nicht Fenster verlassen, ich mich schlagen in Bauch und klein Georglein totdrücken.“ Um seinen Sprößling besorgt, zitterte Taddeo wie Espenlaub und riß sich aus Furcht vor ihrem Mißfallen von Zozas Anblick los wie die Seele vom Leibe.
Als Zozas schwachen Hoffnungen auch noch diese gebrechliche Stütze entzogen wurde, wußte sie im ersten Augenblick nicht, woran sie sich halten sollte. In dieser äußersten Not erinnerte sie sich an die Geschenke der Feen. Sie öffnete also die Walnuß, und heraus sprang ein Zwerglein wie ein Püppchen so groß, die zierlichste Gestalt, die man auf Erden je gesehen, und das setzte sich ans Fenster und begann mit so viel Trillern, Figuren und Läufen zu singen, daß es die berühmtesten Volkssänger und die Königin der gefiederten Sänger weit hinter sich ließ. Zufällig erblickte und hörte die Mohrensklavin den kleinen Sänger. Da überkam sie ein so großes Verlangen nach ihm, daß sie Taddeo rief und sprach: „Wenn ich nicht haben das Sängerlein, ich mich schlagen in Bauch und klein Georglein totdrücken.“ Der Fürst, der völlig nach der Flöte seiner schwarzen Gemahlin tanzte, schickte sofort zu Zoza und ließ fragen, ob sie ihm den Kleinen verkaufen wolle. Zoza erwiderte, sie sei keine Händlerin; wenn er das Zwerglein aber als Geschenk betrachten wolle, so möge er es nur nehmen, denn sie wolle es ihm gern verehren. Immer nur darauf bedacht, seine Frau bei guter Laune zu halten, damit sie ihr Kind glücklich zur Welt bringe, stimmte Taddeo zu.
Vier Tage darauf öffnete Zoza die Kastanie, und heraus trat eine Glucke mit zwölf goldenen Küchlein. Sie setzte sich an dasselbe Fenster, und als die Mohrin sie erblickte, packte sie ein unbändiges Verlangen danach. Daher rief sie Taddeo, zeigte ihm das wunderschöne Spielzeug und sprach: „Wenn du die Glucke nicht holen, ich mich schlagen in Bauch und klein Georglein totdrücken.“ Taddeo, der sich von der türkischen Hündin einschüchtern und vollständig beherrschen ließ, schickte von neuem zu Zoza und bot ihr für die Glucke jeden Preis, den sie verlange. Zum andern Male erhielt er dieselbe Antwort, daß er sie nur als Geschenk bekommen solle; wenn er aber dächte, sie kaufen zu können, so seien seine Worte in den Wind gesprochen. Da ihm nichts anderes übrig blieb, beugte sich seine Klugheit vor der Notwendigkeit, und er heimste den schönen Fang ein und wunderte sich über die Freigebigkeit dieses Weibes, wo doch die Weiber sonst von Natur so habgierig sind, daß ihnen nicht sämtliche Goldminen Indiens Genüge tun.
Wieder vergingen einige Tage, da öffnete Zoza die Haselnuß, aus der eine Puppe hervorging, die goldene Fäden spann, eine wahrhaft wunderbare Erscheinung. Kaum hatte Zoza sich an dasselbe Fenster gesetzt, und kaum war der Blick der Mohrin daraufgefallen, da rief sie auch schon nach Taddeo und wiederholte dieselbe Melodie: „Wenn du nicht Puppe kaufen, ich mich schlagen in Bauch und klein Georglein totdrücken!“ Taddeo, der sich wie ein Kreisel aufdrehen und von seiner Frau an der Nase herumführen ließ, wollte persönlich zu ihr gehen, denn ihm kamen die Sprichwörter in den Sinn: ,Besser ist’s, selbst zuzufassen, als auf Fremde sich verlassen.‘ — ,Selbst geh, hast du was im Sinn, und wenn nicht, schick andre hin.‘ — ,Wer Fische will zum Essen fangen, muß selber nach der Angel langen.‘ Und er bat sie umständlich um Entschuldigung wegen der unbeherrschten Gelüste der Schwangeren. Zoza aber, die vor Wonne fast zerfloß, da nun endlich der Quell all ihrer Leiden vor ihr stand, beherrschte sich um so mehr und ließ sich bitten und beschwören, um ihr Schifflein in Fahrt zu halten und möglichst lange den Anblick des Geliebten zu genießen, der ihr von einer häßlichen Mohrin entrissen worden war. Schließlich gewährte sie ihm die Puppe, wie sie es mit den anderen Dingen auch getan hatte. Ehe sie sie ihm jedoch überreichte, flüsterte sie dem Figürchen ein, es solle in der Brust der Mohrin das Gelüste wecken, sich Geschichten erzählen zu lassen. Da stand nun Taddeo und hielt die Puppe in der Hand, für die er nicht einen roten Heller gegeben hatte, und fand keine Worte für so viel Freundlichkeit. Endlich bot er ihr als Gegengabe für ihre Huld Reich und Leben an, kehrte in den Palast zurück und brachte der Mohrin das Spielzeug.
Die setzte sich das Püppchen auf den Schoß, um sich an ihm zu ergötzen, und siehe da: wie Amor in Gestalt des Ascanius auf Didos Schoße saß und das Feuer ihres Herzens entzündete, so weckte die Puppe in der Mohrin den Wunsch nach Märchen, so daß sie nicht widerstehen konnte und Angst hatte, sich den Mund zu berühren und Kinder zur Welt zu bringen, die zudringlicher werden würden als eine ganze Schiffsladung voll Bettelvolk. Daher rief sie wie gewöhnlich nach ihrem Gemahl und wiederholte den gewohnten Spruch: „Wenn nicht kommen Leute Märchen erzählen, ich mich schlagen in Bauch und klein Georglein totdrücken.“
Um ungesäumt diesen Wunsch zu erfüllen, ließ Taddeo ausrufen, alle Frauen des Landes sollten sich an einem bestimmten Tage beim Aufgange des Sternes Diana, der Aurora weckt, damit sie die Straße für die Durchfahrt der Sonne schmücke, an einem bezeichneten Orte einfinden. Da es ihm aber zuwider war, daß das gesamte Weibervolk die Hände in den Schoß legen sollte nur wegen eines seltsamen Gelüstens seiner Frau, und da er außerdem zu ersticken fürchtete in dem Gedränge einer solchen Menge, wählte er zehn von ihnen aus, und zwar die Besten der Stadt, die ihm die gescheitesten und zungenfertigsten zu sein schienen. Und das waren: die lahme Zeza, die krumme Cecca, die kropfhalsige Menica, die großmäulige Tolla, die bucklige Popa, die geifernde Antonella, die breitmäulige Ciulla, die triefäugige Paola, die grindige Ciommetella und die schlampige Jacova. Nachdem ihre Namen aufgeschrieben und die anderen entlassen worden waren, erhoben Taddeo und die Mohrin sich von den Thronsesseln und begaben sich gemessenen Schrittes zu einem Garten des Schlosses, wo die laubigen Zweige so ineinander gewachsen waren, daß die Sonne mit dem Kamme ihrer Strahlen sie nicht zu entwirren vermochte. Sie ließen sich in einer von Reben überwachsenen Laube nieder, in deren Mitte ein großer Brunnen sprudelte — der Lehrmeister der Hofschranzen, die er jeden Tag in der Kunst der Geschwätzigkeit unterrichtete —, und Taddeo nahm wie folgt das Wort:
„ Es gibt nichts Verlockenderes auf der Welt, meine verehrten Damen, als von den Taten anderer Menschen zu hören, und nicht ohne Grund erblickte jener große Philosoph das höchste Glück der Menschenkinder in dem Anhören gefälliger Geschichten: wenn man nämlich angenehmen Dingen sein Ohr leiht, verflüchtigt sich der Kummer, vergehen die trüben Gedanken und verlängert sich das Leben. Denn seht, aus Gelüste nach Neuigkeiten verlassen die Handwerker ihre Werkstätten, die Kaufleute ihre Kontore, die Advokaten ihre Gerichtshöfe, die Krämer ihre Läden und gehen in die Barbierstuben und wo sie sonst noch Schwätzer finden, um mit offenen Mäulern falschen Nachrichten, aus der Luft gegriffenen Zeitungen und erfundenen Berichten zu lauschen. So werdet ihr auch meine Gemahlin entschuldigen, daß sie sich das Gelüste in den Kopf gesetzt hat, Mären zu hören. Wenn es euch gefällt, dem Verlangen meiner Fürstin zu entsprechen und damit in den Mittelpunkt meiner eigenen Wünsche zu treffen, so seid es zufrieden, während der vier oder fünf Tage, bis ihr Leib sich seiner Bürde entledigt, jeden Tag, und zwar jede von euch, eine Geschichte zu erzählen,wie es die alten Weiblein mit den Kindern machen, um ihnen die Zeit zu vertreiben. Findet euch also immer an demselben Orte ein, wo man zuerst essen und dann mit dem Erzählen beginnen wird. Der Tag soll dann beschlossen werden mit einem von unseren eigenen Dienern aufgeführten Hirtenspiel, und so wollen wir unser Leben in Freuden fristen, hat doch mit dem Tode alle Fröhlichkeit ein Ende!“
Diesen Worten nickten alle beifällig zu. Inzwischen waren die Tische aufgestellt, die Schüsseln hereingetragen worden, und sie begannen zu speisen. Nachdem sie sich tüchtig gütlich getan, gab der Fürst der lahmen Zeza ein Zeichen, auf daß sie Feuer an die Kohlen lege. Zeza verbeugte sich tief vor dem Fürsten und seiner Gemahlin und begann also zu erzählen: