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Die geschundene Alte

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Der König von Roccaforte verliebt sich auf den Klang der Stimme hin in ein unsichtbares altes Weib und nimmt es, durch das Vorzeigen eines Fingers getäuscht, zu sich ins Bett. Als er den Betrug entdeckt, läßt er die Alte zum Fenster hinauswerfen. Sie bleibt auf einem Baume hängen und wird von sieben Feen in ein wunderschönes junges Mädchen verwandelt, so daß der König sie zur Gemahlin nimmt. Die Schwester der Alten, neidisch auf ihr Glück, läßt sich, um auch so schön zu werden wie sie, die Haut abziehen und stirbt.

Da war niemand, dem die Geschichte Ciommetellas nicht gefallen hätte. Alle freuten sich über die Maßen, als Canneloro befreit und der Zauberer bestraft wurde, der den armen Jägern solche Qualen zufügte. Dann aber kam die Reihe an Jacova, daß sie mit ihrem Wappen den Brief der Unterhaltung versiegele. Und Jacova erzählte folgendes:

Das verwünschteste Laster, das uns Frauen eingeboren ist, das Verlangen, schön zu scheinen, setzt sich so über alle Schranken hinweg, daß wir, um den Rahmen der Stirn zu vergolden, uns das Bild des Gesichtes zerstören. Um die Haut unseres Fleisches zu bleichen, ruinieren wir uns die Zähne im Munde. Und um unsere Glieder leuchten zu lassen, bedecken wir unsere Augen mit Schatten, so daß uns, ehe noch die Stunde gekommen ist, da wir der Zeit unseren Tribut zahlen, der Eiter in die Augen, die Falten ins Gesicht und die Lücken ins Gebiß kommen. Tadelt man nun schon mit Recht ein junges Ding, wenn es aus purer Eitelkeit zu solchen Tändeleien greift, wieviel mehr gebührt dann einem alten Weibe eine Züchtigung, wenn es, um mit den Jungen zu wetteifern, sich den Spott der Leute und das eigene Verderben zuzieht, wie ich im Begriffe bin euch zu erzählen, so ihr mir ein Weilchen Gehör schenken wollt.

In einen Garten, der unter dem Fenster des Königsschlosses lag, hatten sich zwei uralte Weiblein zurückgezogen, der wahre Ausbund aller Häßlichkeit, der Inbegriff der Scheußlichkeit und die Summe aller Widerwärtigkeit. Struppig und borstig waren ihre Haare, die Stirn zerfurcht und blatternarbig, die Brauen stachlig und borstig, die Lider dick geschwollen, die Augen trüb und schielend, das Gesicht quittengelb und runzlig, der Mund breit und schief, kurzum, sie waren die reinsten Ziegenbärte, mit zottiger Brust, verwachsenen Schultern, gichtsteifen Armen, lahmen und gebrechlichen Beinen und wahren Hakenfüßen. Aus diesem Grunde hatten sie sich in ein Kellerloch unter dem Fenster des Königs verkrochen, damit kein Sonnenstrahl ihr häßliches Gesicht erblicke.

Der König war nun glücklich soweit, daß er nicht einmal einen Wind lassen konnte, ohne daß die alten Vetteln die Nase darüber rümpften. Sie murrten und brummten über die geringste Kleinigkeit: bald erklärten sie, ein Jasminblättchen, das aus dem Fenster herabgeschwebt war, hätte ihnen einen blauen Flecken auf dem Kopfe beigebracht, bald hatte ein Fetzchen Papier ihnen eine Schulter verrenkt, dann ein Stäubchen ihnen den Schenkel zerquetscht. Als der König dieses Übermaß von Empfindlichkeit gewahr wurde, kam er zu dem Schluß, dort unten müsse die Quintessenz aller zierlichen Dinge wohnen, das delikateste Stückchen Fleisch und die Blüte aller Blüten der Zartheit.

Und von der kleinen Zehe aus stieg ihm der Appetit und aus dem Mark die Begier, ein solches Wunder zu schauen und den Dingen auf die Spur zu kommen.

Er begann also Seufzer von oben nach unten zu schicken, zu husten, ohne erkältet zu sein, und schließlich immer vernehmlicher und nicht mehr hinter dem Gehege seiner Zähne zu sprechen: „Wo, wo verbirgst du dich, du Kleinod, du Edelstein, du Zier der Welt? Komm hervor, komm hervor, o Sonne, wärme mich, du Himmelskönigin! Entschleiere deine schönen Züge, enthülle die Lichter, die vor Amors Zelten brennen! Stecke doch ein einziges Mal dein Köpfchen heraus! Du vielbegehrte Bank der Schönheitskapitalien, geize nicht so sehr mit deinem Anblick! Tu auf, tu auf die Tore dem armen Liebesfalken! Hast du ein Geschenk für mich, so gib es mir! Laß mich doch das Instrument sehen, aus dem diese liebliche Stimme hervortönt! Laß mich die Glocke schauen, die diesen Klang verströmt! Laß mich nur einen Blick tun auf den zierlichen Vogel! Wie kannst du zulassen, daß ich armes Schäfchen nur Wermut auf der Weide finde? Versag mir doch nicht, dich zu schauen und dich wunderschönes Wesen mit Staunen zu betrachten!“

Dieses und vieles andere sagte der König. Aber er hätte Siegesfanfaren blasen können, die Alten hielten ihre Ohren verstopft. Und das warf nur noch mehr Holz ins Feuer. Der König, der wie Eisen in der Esse seiner Sehnsucht glühte, den die Begierde mit roten Zangen zwickte, und der den schweren Hammer seiner verliebten Qual unermüdlich tanzen ließ, um einen Schlüssel zu schmieden, mit dem er den Schrein jener Edelsteine öffnen könnte, die ihn vor Verlangen vergehen ließen, wich keinen Schritt zurück, sondern fuhr fort, Bittgesuche zu schicken und die Sturmangriffe nach Ruhepausen zu verstärken.

Die alten Weiber, die sich eingestimmt hatten und denen der Kamm schwoll bei den Angeboten und Versprechungen des Königs, hielten Rat und beschlossen, sich die Gelegenheit nicht entgehen zu lassen, den Vogel zu fangen, der sich da freiwillig auf der Leimrute niederließ. Und eines Tages, als der König wieder sein liebeirres Klagelied anstimmte, riefen sie ihm durch das Schlüsselloch der Tür mit zartem Stimmchen zu: die größte Gunst, die sie ihm gewähren könnten, würde sein, daß sie ihm innerhalb von acht Tagen einen einzigen Finger ihrer Hand zeigen wollten.

Der König war ein erfahrener Soldat und wußte, daß man Festungen Schritt für Schritt erobert. Darum wies er den Vorschlag nicht zurück in der Hoffnung, nach und nach das ganze Bollwerk zu nehmen, das er belagert hielt; denn er hatte das alte Sprichwort noch nicht vergessen: „Nimm und fordere!“ Nachdem er die unerläßliche Frist des achten Tages angenommen, um das achte Weltwunder zu sehen, taten die beiden Alten nichts anderes als ein Apotheker, der seinen Sirup verschüttet hat: sie lutschten an den Fingern und waren übereingekommen, daß diejenige, die am festgesetzten Tage den glattesten Finger habe, ihn dem König zeigen solle. Der König aber baumelte inzwischen an dem Strick seiner Hoffnungen und erwartete die Stunde, die seine Sehnsucht stillen sollte. Er zählte die Tage, numerierte die Nächte, wog die Stunden, maß die Minuten, notierte die Sekunden und lotete die Augenblicke aus, die ihm zugemessen waren für die Erwartung des ersehnten Glückes. Jetzt bat er die Sonne, sie möchte doch einen Richtweg einschlagen durch die himmlischen Gefilde, damit sie, ihre Bahn verkürzend, früher als zur gewohnten Stunde den feurigen Wagen abschirren und die Pferde zur Tränke führen könne, die von der Fahrt ermattet waren. Dann beschwor er die Nächte, die Schatten sinken zu lassen und ihm das Licht zu zeigen, das, bisher noch nicht geschaut, ihn zwang, in dem Glutofen der Liebesflammen zu brennen. Jetzt setzte er der Zeit zu und warf ihr vor, sie habe, ihm zum Tort, Krücken und Stiefel mit Bleisohlen angelegt, um die Stunde hinauszuzögern, da er den geliebten Wesen die Rechnung begleichen und die Verpflichtung einlösen könne, die sie eingegangen waren.

Die Stunde kam, wie es der großen Sonne gefiel, und er begab sich persönlich in den Garten, klopfte an die Tür und sprach: „Komm, komm!“ Und die eine der beiden Alten, die die größte Last der Jahre zu schleppen und auf dem Prüfstein festgestellt hatte, daß ihr Finger von höherem Karat war als der ihrer Schwester, steckte ihn durch das Schlüsselloch und zeigte ihn dem König.

Doch das war ja gar kein Finger: es war ein spitzer Dorn, der ihm das Herz durchstach! Vielmehr, es war kein Dorn, es war ein Knüppel, der betäubend auf seinen Schädel herniedersauste! Was sage ich, ein Dorn, ein Knüppel? Es war ein Schwefelhölzchen, das sich an dem Zunder seiner Wünsche entzündete; es war eine Lunte, zum Glühen gebracht durch die Munition seiner Begierden. Was sage ich: Dorn, Knüppel, Schwefelhölzchen, Lunte? Es war ein Dorn unter dem Schwanz seiner Gedanken, es war eine Kur mit süßen Feigen, die ihm die Blähungen seiner Liebeskolik mit einer Flut von Seufzern aus dem Leibe trieb. Er drückte besagten Finger mit der Hand und küßte ihn, der aus einer Schusterfeile zum Polierstahl des Goldschmieds geworden, und rief: „O Schrein der Süßigkeit, o Geheimschrank der Edelsteine, o du Register der Liebesprivilegien. Durch dich bin ich zu einer Vorratskammer des Kummers, zu einem Speicher der Angst, zu einem Zollhaus der Qual geworden. Ist es denn möglich, daß du dich so hartherzig, so unerbittlich zeigst und unbewegt von meinen Klagen? Weh, mein liebes Herz, wenn du mir durch dieses Loch den Schwanz gezeigt hast, so strecke doch nun auch das Schnäuzchen heraus, und laß uns eine Torte der Vergnügen daraus machen! Hast du mir schon eine Schnecke gezeigt, so zeige mir nun auch die Auster, du Meer der Schönheit. Nimm die Haube von den Augen des Falken, daß er sich an meinem Herzen ersättige. Wer hat den Schatz dieses schönen Antlitzes in einen Abtritt eingeschlossen? Wer läßt diese edle Ware in einer Höhle Quarantäne halten? Wer hält die Macht der Liebe in einem Schweinekoben gefangen? Hebe dich aus dieser Grube, entspringe aus dem Stall, komm aus dem Loch hervor. ,Tanze, mein Liebchen, reich Klaus deine Hand!‘ Und gib mir, was mir zusteht! Du weißt, ich bin der König und keine Gurke, und ich kann schaffen und vernichten. Aber jener falsche Blinde, der Sohn eines Lahmen und einer Dirne, der alle Gewalt über die Zepter hat, will, daß ich dein Sklave sei, und daß ich dich bei deiner Gnade um etwas bitte, was ich aus eigener Macht mir nehmen könnte; und ich weiß auch, warum es heißt: Venus lockt man nicht mit Drohen, schmeichelnd naht man nur der Hohen.“

Die Alte, die wohl wußte, wo der Teufel den Schwanz hat, denn sie war eine gerissene Füchsin, ein alter Hase, gerieben, gewitzigt und zu jedem Schwindel fähig, überlegte, daß der Mächtigere, wenn er bittet, im Grunde doch befiehlt, und daß die Hartnäckigkeit des Vasallen die wütenden Säfte im Leibe des Lehnsherrn in Aufruhr versetzt, so daß sie wie die rote Ruhr mit allem Unflat hervorbrechen. Darum streckte sie die Waffen, und mit der Stimme einer Katze, der man die Haut abgezogen hat, antwortete sie: „Hoher Herr, da Ihr Euch herablaßt und Euch derjenigen unterwerft, die unter Euch steht, und geruhet, vom Zepter zum Spinnrocken, vom Thronsaal zum Stalle, vom Königsmantel zu den Lumpen, von der Herrlichkeit zum Elend, vom Balkon in den Keller, vom Pferd auf den Esel zu steigen, kann ich, darf ich und will ich dem Willen eines so großmächtigen Königs nicht widersprechen. Weil ihr also nun diese Legierung von Fürst und Sklavin, diese Intarsie von Elfenbein und Pappelholz, diese Inkrustierung von Diamanten und Glassplittern herstellen wollt, so füge und unterwerfe ich mich Eurem Willen. Nur um eine Gnade bitte ich als erstes Zeichen der Liebe, die Ihr zu mir hegt: empfangt mich bei Nacht und ohne Kerze in Eurem Bett, denn mein Herz würde es nicht ertragen, von Euch nackt gesehen zu werden!“

Hell jubelnd vor Freude, schwor der König, eine Hand auf der anderen, er werde gerne tun, was sie wünsche. Und als er noch ein zuckersüßes Kußhändchen dem Schandmaul zugeworfen hatte, ging er fort. Er konnte die Stunde nicht erwarten, da die Sonne aufhörte, die Gefilde des Himmels zu durchpflügen und sie mit Sternen zu besäen, so sehnte er sich danach, seinerseits ein Feld zu bestellen, wo er die Freuden in Scheffeln und die Genüsse in Tonnen zu ernten hoffte.

Die Nacht stieg herab, und als sie sich umringt sah von Taschendieben und Beutelschneidern, verspritzte sie wie ein Tintenfisch ihr Dunkel. Die Alte hatte alle Runzeln ihres Leibes geglättet, die Haut auf dem Rücken zusammengezogen, einen Knoten hinter den Schultern gemacht und ihn mit einem Stück Bindfaden zusammengebunden. So kam sie denn im Dunkel, geführt von einem Kammerdiener, in das Schlafgemach des Königs. Dort riß sie sich die Lumpen vom Leibe und warf sich ins Bett.

Voller Ungeduld stand der König, die Lunte an dem Pulverfaß. Er hatte sich über und über mit Moschus und Ambra begossen und sich die Haut mit Duftwasser eingerieben. Kaum hörte er, daß sie zu Bett gegangen war, da stürzte er sich hinein wie ein korsischer Bullenbeißer. Es war ein Glück für die Alte, daß er so viel Wohlgerüche auf sich verschwendet hatte, denn auf diese Weise merkte er nicht den faulen Atem ihres Mundes, den Dunst ihrer Achselhöhlen und den Gestank ihrer widerlichsten Höhle. Er hatte sich aber kaum zu Bett gelegt und das Gelände abzutasten begonnen, da merkte er im Zugreifen den Schwindel hinter ihren Schultern, der runzligen Haut, der schlappen Beutel, die vor dem Laden der hereingefallenen Alten hingen. Er lag starr wie ein Stein. Doch wollte er einstweilen kein Wort sagen, um der Sache um so tiefer auf den Grund zu gehen. So tat er sich Gewalt an und tauchte in den schmutzigen Hafen von Mandracchio, wo er doch geglaubt hatte, er befände sich an dem lieblichen Gestade von Posilipo. Und er segelte auf einem elenden Lastkahn, während er auf einer florentinischen Galeere zu fahren gehofft hatte. Kaum aber hatte die Alte sich dem ersten Schlaf überlassen, da nahm der König aus einem Kästchen von Ebenholz und Silber einen Beutel aus Gamsleder, in dem ein Feuerzeug stak, und zündete eine Ampel an. Dann durchsuchte er die Bettücher und fand eine Megäre statt einer Nymphe, eine Furie an Stelle einer Grazie, eine Gorgona statt einer Aphrodite. Da packte ihn eine derartige Wut, daß er am liebsten das Tau gekappt hätte, an das dies Schiff gebunden gewesen. Schnaubend vor Zorn rief er alle seine Diener zusammen. Die hörten kaum das Alarmgeschrei, da stürzten sie in ihren Hemden in das hochzeitliche Gemach.

Der König schlug um sich wie eine Seespinne und schrie: „Da seht her, wie mich des Teufels Großmutter an der Nase herumgeführt hat! Da glaubte ich, ich würde mir ein Milchschäfchen einverleiben können und habe den Mutterkuchen einer Büffelkuh zwischen den Zähnen. Ich dachte, ich hätte eine liebliche Taube gefangen, da halte ich diese alte Schleiereule in den Händen. Ich hatte mir eingebildet, einen wahren Königsbissen zu bekommen, da liegt mir dieser ekelhafte Dreckhaufen vor der Nase! Das und noch Schlimmeres verdient, wer die Katze im Sack kauft! Sie hat mir den Streich gespielt, sie wird mir auch dafür büßen! Schnell, nehmt sie, wie sie da liegt, und werft sie zum Fenster hinaus!“

Als sie das hörte, begann die Alte sich mit Zähnen und Klauen zu wehren. Sie schrie, sie werde Berufung gegen das Urteil einlegen, denn der König selbst habe sie mit einem Wagen in sein Bett gefahren, außerdem werde sie hundert Doktoren der Rechte zu ihrer Verteidigung herbeizitieren, und ferner gelte immer noch das Wort: „Ein altes Huhn gibt auch eine gute Suppe“, und das andere: „Man soll den alten Weg nicht eines neuen wegen aufgeben!“ Aber das half ihr alles nichts, man nahm sie an Armen und Beinen und schleuderte sie in den Garten.

Und das war ihr Glück. Sie brach den Hals nicht, denn sie wurde von einem Feigenast aufgefangen und blieb daran hängen. Am frühen Morgen, noch bevor die Sonne Besitz ergriff von den Gebieten, die ihr die Nacht einräumte, ereignete es sich, daß sieben Feen des Weges kamen, die aus irgendeiner inneren Boshaftigkeit weder jemals gesprochen noch gelacht hatten. Als sie das böse Gespenst im Baume hängen sahen, das noch vor der Zeit die Schatten vertrieben hatte, kam sie ein so unbändiges Lachen an, daß sie stehen blieben und sich gar nicht wieder beruhigen konnten. Und als sie erst ihre Zungen in Bewegung gesetzt hatten, da konnten sie den Mund eine ganze Weile nicht wieder zumachen ob des lustigen Schauspiels. Zur Belohnung für den Spaß und das Vergnügen, das sie gehabt hatten, gab jede von ihnen der Alten ihren Zaubersegen, und eine nach der anderen verhieß ihr Jugend, Schönheit, Reichtum, Adel, Tugend und ein glückliches Schicksal.

Als die Feen gegangen waren, befand sich die Alte wieder auf dem Erdboden, und zwar auf einem Sessel von dickem Samt mit Goldfransen sitzend, unter dem Baum, der sich in einen Thronhimmel aus grünem Samt mit goldenem Untergrund verwandelt hatte. Von Gesicht sah sie wieder aus wie ein junges Mädchen von fünfzehn Jahren und war so schön, daß alle anderen Schönen neben ihr wie ein schiefgelaufener Kommißstiefel neben einem eleganten, zierlichen Damenschühchen gewirkt hätten. Neben dieser Anmut hohen Geblütes hätte man alle anderen Grazien für die Töchter von Trödlern und Straßenfegern gehalten. Wo diese das Trumpfas ihrer Liebkosungen und Zärtlichkeiten auf den Tisch geworfen hätte, würden alle anderen ihren ganzen Einsatz verloren haben. So geputzt, geziert und herausstaffiert war sie, daß sie wirkte wie eine königliche Majestät: das Gold gleißte, die Edelsteine funkelten, die Blumen neigten sich ihr zu, ein Kranz von Dienern und Hoffräulein umgab sie, so daß es den Anschein hatte, es wäre ein hohes Ablaßfest.

Mittlerweile hatte sich der König eine Decke um die Schultern geworfen, Pantoffel an die Füße gezogen und war ans Fenster getreten, um Ausschau zu halten, was wohl mit der Alten geschehen sein könnte. Da bot sich ein Anblick seinen Augen, den er niemals erwartet hätte. Er stand da, den Mund sperrangelweit auf wie verzaubert, und musterte eine lange Weile vom Kopfe bis zu den Füßen dieses Wunder von einem Geschöpfchen, bestaunte jetzt die Flut der Haare, die über ihre Schultern flossen und von goldenen Spangen gehalten waren, so daß die Sonne hätte neidisch werden können. Dann faßte er die Bogen ihrer Brauen ins Auge, von denen ihm die Pfeile ins Herz flitzten. Dann wieder betrachtete er die Augen, diese Blinkfeuer Amors. Jetzt hing sein Blick an dem Munde, dieser Liebeskelter, aus der die Anmut den süßen Griechenwein und den feurigen Malvasier preßte. Außer sich vor Wonne, drehte und wendete er sich wie eine Wetterfahne nach all dem Geflimmer und Geblitze, das sie da um den Hals trug, nach den reichen Gewändern, die sie auf dem Leibe hatte. Und er sprach bei sich selbst: „Habe ich das erste geträumt oder bin ich jetzt wach? Bin ich noch bei Verstand oder hat mich ein Wahn umfangen? Bin ich oder bin ich nicht? Welches Zauberkunststück hat diese schöne Kugel gegen mich geschleudert, daß ich ganz davon zerschmettert bin? Mit mir ist es zu Ende, ich bin vernichtet, wenn ich mich nicht wiederfinde! Von wo taucht diese Sonne plötzlich auf? Wie sprang diese Blume aus der Knospe? Wo ist dies Vöglein ausgeschlüpft, das mir wie ein Angelhaken das Herz aus dem Leibe zieht? Welche Barke hat sie in dieses Land getragen? Welche Wolke sie herabgeregnet? Welcher Gießbach der Schönheit wirbelt mich in ein Meer der Schmerzen?“

Mit diesen Worten stürzte er die Treppen hinunter, eilte durch den Garten, warf sich vor der verjüngten Alten auf die Knie, kroch fast auf sie zu und nahm das Wort: „O du Taubenschnäbelchen, o du Püppchen der Grazien, du zierliches Täubchen am Wagen der Venus, du Triumphwagen Amors! Wenn du dein Herz nicht im Flusse Sarno gebadet hast, wenn dir kein Rohrsamen in die Ohren geflogen, wenn dir kein Schwalbenkot in die Augen gefallen ist, so bin ich sicher, daß du die Qualen und Schmerzen siehst und fühlst, die deine Schönheit beim ersten Anblick in meiner Brust erregt hat. Und wenn das Laugentuch dieses Gesichtes dir nicht anzeigt, welche Lauge mir im Busen siedet, wenn die Flammen meiner Seufzer dir nicht zeigen, welche Glut in meinen Adern rast, so kannst du doch als verständige und kluge Frau von deinen goldenen Haaren abnehmen, welches Tau mich gebunden hält, von diesen schwarzen Augen, auf welchem Rost ich schmore, von den roten Bögen deiner Lippen, welcher Pfeil in meinem Herzen zittert. Ach, schlage nicht die Tür des Mitleids zu, ziehe nicht die Brücke der Barmherzigkeit hoch, verschütte nicht die Quelle der Erbarmung! Und wenn du mich nicht für würdig erachtest, Verzeihung von deinem schönen Antlitz zu empfangen, so gewähre mir wenigstens einen Schutzbrief guter Worte, das freie Geleit eines Versprechens und den Gutschein einer frohen Hoffnung, oder ich schüttele den Staub von meinen Füßen, und du sollst mich niemals wiedersehen.“

Diese und tausend andere Worte quollen aus den Tiefen seiner Brust empor, und sie trafen die verjüngte Alte ins Mark, so daß sie ihn schließlich zum Gatten annahm. So erhob sie sich von ihrem Thron, nahm ihn bei der Hand, und sie schritten Arm in Arm dem königlichen Palaste zu. Im Handumdrehen war ein glänzendes Festmahl angerichtet, dazu alle Damen des ganzen Landes geladen wurden.

Die alte Hochzeiterin hatte gewünscht, daß unter anderen auch ihre Schwester daran teilnehme. Und es gab ein Suchen und Fragen, bis man sie endlich gefunden und zum Gastmahl herbeigeholt hatte, denn sie hatte sich aus großer Furcht so gut versteckt gehalten, daß man auch nicht die geringste Spur von ihr entdecken konnte. Als sie mit Gottes Hilfe endlich gekommen war und neben ihrer Schwester saß — welche Mühe hatte es sie gekostet, die wiederzuerkennen! —, da gaben sich alle dem Gaudeamus hin. Der unseligen Alten aber nagte ein ganz anderer Hunger in den Eingeweiden. Das Herz wollte ihr brechen vor Neid, da sie ihre Schwester in solcher Herrlichkeit erblickte. Und alle Naselang zog sie sie am Ärmel und fragte: „Was hast du eigentlich gemacht, liebe Schwester, was hast du nur gemacht? Du Glückliche, du Selige!“ Die Schwester antwortete: „Iß und trink, davon sprechen wir nachher!“ Der König wollte wissen, was sie wünsche, und die Braut versetzte schlagfertig, sie habe nach etwas grüner Tunke verlangt. Da ließ der König sofort Knoblauchtunke, Senftunke und Pfeffertunke und hundert andere Tunken kommen, um den Appetit zu wecken. Die Alte aber, der ein Mandelkuchen wie Kuhgalle geschmeckt haben würde, zog ihre Schwester wieder am Ärmel und fragte aufs neue: „Was hast du nur gemacht, liebe Schwester, was hast du nur gemacht? Ich will dich ja nur schützen vor dem bösen Blick.“ Und die Schwester erwiderte: „Still, wir haben doch mehr Zeit als Geld; greif zu, daß du warm wirst, und dann reden wir davon!“ Der neugierige König fragte wieder, was mit der Schwester los sei. Und die Braut, die so ungeduldig war wie ein Küchlein im Ei und der schon der Schädel brummte von der dummen Fragerei, antwortete, sie wünsche etwas Süßes. Sofort schneite es Mandelkuchen, Waffeln, Brezel, eine Flut von Honigkuchen strömte herbei, und es regnete Zuckerwerk aus offenem Himmel. Aber die Alte, die die Krämpfe im Leibe und das Gedärm in Aufruhr hatte, kam wieder auf dieselbe Melodie zurück. Da konnte die Braut sich nicht mehr halten, und um sie los zu werden, erwiderte sie: „Ich habe mir die Haut abziehen lassen, liebe Schwester.“

Kaum hatte die Neidische diese Worte gehört, da sprach sie bei sich: „Wohlan, das soll sie nicht tauben Ohren gesagt haben! Nun will ich auch mein Glück versuchen, denn jeder Geist hat seinen Magen. Und wenn mir die Sache glückt, dann sitzt du nicht alleine obenauf. Ich will auch meinen Teil mithaben, und das bis zum Tipfelchen auf dem I.“ Gerade in dem Augenblick hob man die Tafel auf; sie schützte ein kleines Geschäftchen vor und schlüpfte in eine Baderstube.

Sie trat ein und erblickte den Meister, zog ihn ins Hinterstübchen und sprach: „Hier sind fünfzig Dukaten, zieh mir die Haut ab vom Kopf bis zu den Füßen!“ Der Bader glaubte, sie sei nicht richtig im Kopfe, und antwortete: „Hör auf, liebe Schwester, du sprichst alles durcheinander. Läßt man so was frei herumlaufen? Du bist ja nicht bei Troste!“ Die Alte machte ein Gesicht wie ein Pfefferstein und antwortete: „Verrückt bist du, daß du nicht dein Glück erkennst, denn außer den fünfzig Dukaten werde ich dafür sorgen, das heißt, wenn die Sache gut geht, daß du in Zukunft der Fortuna selbst das Seifenbecken an den Bart halten kannst. Drum nimm das Messer zur Hand, verlier keine Zeit, dein Glück steht auf dem Spiel!“

Der Bader sperrte sich, machte Ausflüchte und Einwendungen eine ganze Weile lang, schließlich aber, an der Nase gezogen, entschloß er sich gemäß dem Worte: „Binde den Esel dort an, wo der Herr es will!“ Er setzte sie also auf einen Schemel und fing an, die alte Rinde abzuschälen, so daß es nur so Blut und Wasser regnete und plätscherte. Von Zeit zu Zeit sagte die Alte, die sich wacker hielt, als ließe sie sich nur rasieren: „Huh, wer will gern sein fein, der muß leiden Pein.“ Er aber fuhr mit seinem Zerstörungswerk fort, und sie sang immer dieselbe Melodie. So führten sie den Kontrapunkt auf dieser alten Laute durch, bis sie an das Schalloch des Nabels kamen. Da ging ihr mit den letzten Blutstropfen die letzte Kraft aus, und da feuerte sie einen dröhnenden Salutschuß zum Abschied ab und erwies mit ihrem Schaden die Wahrheit des Verses von Sannazaro:

O hüte dich, mein sohn, vor neid,

er frisst sich selbst im lauf der zeit.

Dieses Märchen ging zu Ende gerade zu der Zeit, in der der Sonne eine Stunde Frist gegeben war, innerhalb derer sie wie ein lästiger Student ihr luftiges Quartier zu räumen hatte. Da ließ der Fürst Fabiello und Jacovuccio rufen — der eine der Garderobenmeister, der andere der Haushofmeister seines Hofes —, damit sie den Nachtisch für diesen Tag servierten. Flink wie die Häscher eilten sie herbei, der eine mit Stulpenstiefeln an den Beinen, schwarzen Hosen und einem gamsledernen Bauernkittel mit Knöpfen so dick wie Kanonenkugeln; der andere mit einer Tellermütze, einer Bauchjacke und Pluderhosen aus tarantanischem Leinen. Sie traten hinter einem Myrtenspalier hervor und führten ein allerliebstes Hirtenspiel auf. Dabei begleiteten sie ihre Worte mit so anmutigen Bewegungen und einer so zierlichen Mimik, daß alle Zuschauer mit offenem Munde zuhörten und von Zeit zu Zeit in helles Gelächter ausbrachen. Als dann die Heimchen die Gesellschaft aufforderten, sich zurückzuziehen, gab der Fürst den Frauen Urlaub mit der Weisung, sich am folgenden Morgen zur Fortsetzung der Erzählungen wieder einzufinden. Er aber und die Mohrin begaben sich in ihre Gemächer.

Das Pentameron

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