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VII
Die beiden Kaufmannssöhne

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Cienzo wirft einem Königssohn ein Loch in den Kopf und flieht aus dem Vaterlande. Nachdem er die Infantin von Perdisenno von einem Drachen befreit hat, erhält er sie nach mannigfachen Erlebnissen zur Gattin. Durch die Künste einer anderen Frau bezaubert, wird er von seinem Bruder befreit, den er aus Eifersucht tötet. Als er aber dann entdeckt, daß er unschuldig war, ruft er ihn dank der Kraft eines gewissen Krautes wieder ins Leben zurück.

Man kann sich nicht vorstellen, welch große Freude sie alle empfanden über das günstige Geschick, das Zezolla zuteil geworden war. So sehr sie jedoch die Gnade des Himmels gegenüber diesem Mädchen priesen, so sehr waren sie aber auch der Meinung, daß die sechs Töchter der Stiefmutter eine viel zu leichte Strafe erhalten hätten, denn es gebe keine Züchtigung, die der Hochmut nicht verdiene, und keine Buße, die dem Neide nicht zukomme.

Noch war die Unterhaltung über die Erzählung der Antonella in vollem Schwung, da legte sich der Fürst Taddeo den rechten Zeigefinger auf die Lippen und gab das Zeichen, daß sie schweigen sollten. Und alle erstarrten, als hätten sie den Wolf erblickt, oder wie ein Schüler, der mitten in dem Heidenlärm unversehens den Lehrer auftauchen sieht. Auf ein Zeichen des Fürsten begann nun Ciulla zu erzählen:

Oftmals sind die Mühseligkeiten eines Menschen die Hacken und Spaten, mit denen er sich die Straße zu einem Glücke bahnt, von dem er nicht zu träumen gewagt hätte. Und oft flucht ein solcher dem Regen, welcher ihm den Kürbis wäscht, und weiß nicht, daß er ihm den Überfluß beschert, mit dem er den Hunger vertreiben kann. Das mag auch an einem Jüngling zu sehen sein, von dem ich euch unterhalten will.

Es war einmal ein sehr reicher Kaufmann namens Antoniello. Der hatte zwei Söhne, Cienzo und Meo. Die glichen einander so sehr, daß man sie nicht voneinander unterscheiden konnte. Nun geschah es, daß Cienzo, der Erstgeborene, beim Steineschleudern am Strande von Arenaccia dem Sohn des Königs von Neapel ein Loch in den Kopf warf. Wütend über diesen Vorfall sagte Antoniello zu seinem Erstgeborenen: „Bravo! Das hast du schön gemacht! Schlag es im Lande an! Blähe dich, Sack, sonst trenne ich dich auf! Steck es auf eine Bohnenstange, daß alle es sehen! Geh zu, du hast etwas zerbrochen, was sechs Heller wert ist! Dem Königssohn hast du die Hirnschale zerschmettert. Hattest du denn kein Metermaß, den Abstand zu messen, du Schafsnase? Was soll nun aus deinen Geschäften werden? Du hast dir eine so üble Suppe eingebrockt, daß ich keine drei Heller mehr auf dich setzen werde! Selbst wenn du in die Höhle zurückkehrtest, aus der du gekrochen bist, würde dich das nicht vor den Händen des Königs sichern, denn du weißt, die sind lang und reichen überall hin; es wird eine furchtbare Geschichte werden!“

Nachdem der Vater so seinem Herzen Luft gemacht hatte, erwiderte Cienzo: „Herr Vater, ich habe immer sagen hören, besser vor dem Richter als in den Händen des Arztes. Wäre es nicht schlimmer gewesen, wenn er m i r den Schädel eingeworfen hätte? Er hatte mich herausgefordert, wir sind jung, es war eine Balgerei, es ist mein erstes Vergehen, der König ist ein verständiger Mann. Und was kann er mir schließlich schon tun? Wer mir die Mutter nicht geben will, der gebe mir die Tochter, was er mir nicht gekocht schicken will, das soll er mir roh senden, die ganze Welt ist mein Vaterland, und wer Furcht hat, der soll Polizist werden!“

„Was er dir tun kann?“ fragte Antoniello. „Er kann dir eine Luftveränderung verschreiben und dich aus dem Lande jagen. Er kann dich zum Schulmeister machen mit einer Peitsche von vierundzwanzig Handbreit, damit du auf die Fische einschlagen kannst, ihnen das Sprechen beizubringen. Er kann dir ein Halsband von drei Fingerbreit umlegen lassen, mit Seife eingefettet, damit du Hochzeit feierst mit des Seilers Töchterlein, und anstatt daß du die Braut bei der Hand faßt, setzt dir Meister Hans die Füße auf die Schultern. Darum, wenn dir dein Leben lieb ist, halte dich nicht zwischen Tuch und Schere auf, sondern pack dich auf der Stelle, daß man weder etwas Neues noch etwas Altes von deinen Heldentaten erfährt, wenn sie dich nicht bei den Beinen kriegen sollen. Besser ein Vogel auf freiem Felde als im Käfig. Hier hast du Geld, nimm ein Pferd, eins von den beiden gefeiten, die ich im Stalle habe, und einen Hund, der gleichfalls gefeit ist. Und säume nicht! Besser die Beine auf den Rücken nehmen als Henkersfüße auf den Schultern spüren; besser Fersengeld geben als des Henkers Fersen fühlen; besser tausend Fuß weit laufen als es bei drei Fuß langem Hanf bewenden lassen. Drum: nimmst du nicht schleunigst den Rucksack zur Hand, so hilft dir nicht Franz und nicht Ferdinand.“

Cienzo bat um den väterlichen Segen, stieg aufs Pferd, nahm das Hündchen auf den Arm und verließ die Stadt. Als er aber aus dem Tor von Capuana ritt, wandte er den Blick zurück, nahm Abschied von der Vaterstadt mit ihren Vierteln, Plätzen und Straßen und sprach: „Ich muß dich verlassen, mein schönes Neapel! Wer weiß, ob es mir vergönnt ist, dich noch einmal wiederzusehen, du Stadt, wo die Ziegel von Zucker, die Mauern von Marzipan, wo die Steine von Manna, die Balken von Zuckerrohr, die Türen und Fenster von Blätterteig sind! Weh mir! Ich muß mich losreißen von dir, mein Pennino, und deinen roten Dächern, und es ist mir, als rausche die rote Todesfahne mir zu Häupten. Wie eng wird mir die Brust, da ich von dir scheide, breiter Platz! Wie ich mich von dir entferne, Platz der Rüstern, will meine Seele sich zum Scheiden rüsten. O Lancieri, da ich euch verlasse, fährt mir eine katalanische Lanze durch meine Brust. Fort muß ich, o Forcella, und mein Leben zög am liebsten auch fort von mir. Wo finde ich dich, Porto, wieder, du süßer Port aller Güter der Welt? Wo euch Maulbeergäßchen, wo der Seidenwurm der Liebe endlose Fäden der Ergötzung spinnt? Wo ein anderes Loch, in dem so viele tugendsame Menschen nisten? Wo eine zweite Loggia, dieses Logis des Überflusses und der Freude? Ach, ich kann dich nicht verlassen, mein Lavinaro, ohne daß eine Lawine von Tränen aus meinen Augen bricht. Ich kann nicht von dir gehen, lieber Markt, ohne zu wissen, wo ich meinen Schmerz zu Markte tragen soll. Wie könnte ich von dir scheiden, schöner Strand, ohne daß das Schifflein meines Herzens strandet? Lebt wohl, ihr Pastinaken und zarten Rübchen! Ade, ihr Eierfladen und Kastanienkuchen! Behüt euch Gott, ihr Kohlsuppen und Räucherfische! Gott befohlen, ihr Leckerbissen und Schlemmerschnittchen! Ade, du Blüte aller Städte, du Kleinod Italiens, du Liebling Europas, du Spiegel der Welt! Ade, du unvergleichliches Neapel, wo die Tugend ihre Grenzpfähle und die Anmut ihre Marken aufgerichtet hat! Ich scheide von dir und muß leben fern von deinen fetten Suppen, verjagt aus deinen Häusern, o geliebter Carfiol, ich lasse dich hinter mir!“

Eine Sommerglut von Seufzern wehte über die Winterlandschaft seiner Tränen, während er diese Worte sprach und sich auf den Weg machte. Am ersten Abend gelangte er in der Gegend von Cascano an einen Wald, der den Sonnenwagen außerhalb seiner Grenzen halten ließ, während er sich an den schweigenden Schatten ergötzte. Dort stand eine alte Hütte zu Füßen eines Turmes. Cienzo klopfte an, der Hausherr jedoch wollte nicht auftun, weil er vermutete, es ständen Räuber vor der Tür, und die Nacht war schon hereingebrochen. So mußte der arme Cienzo in der verfallenen Hütte bleiben. Nachdem er sein Pferd auf einer Wiese angebunden hatte, legte er sich, sein Hündchen zur Seite, auf einem Haufen Stroh schlafen, den er drinnen fand.

Kaum hatten sich die Lider über seinen ermüdeten Augen zum ersten Schlummer gesenkt, da wurde er aufgeschreckt durch das Bellen des Hündchens und hörte das Schlurfen von Schritten in der Behausung. Cienzo, der keine Furcht kannte und gegen jede Gefahr gewappnet war, fuhr an seine Plempe und führte mächtige Streiche gegen das Dunkel. Als er aber merkte, daß er nur die leere Luft traf, streckte er sich von neuem auf dem Strohlager aus.

Nach einer kleinen Weile fühlte er sich ganz leise am Fuß gezogen. Wieder schnappte er nach dem Schläger, sprang von neuem auf die Füße und rief: „Hallo, das ist mir doch zu bunt! Mit solchen Scherzen kommt man bei mir nicht weit. Wenn du Mut im Leibe hast, so zeige dich. Ich werde dir schon die Grillen austreiben. Nimm nur den Fehdehandschuh auf!“

Ein tolles Gelächter war die Antwort auf diese Worte, und eine tiefe Stimme antwortete: „Komm doch heraus, ich werde dir schon sagen, wer ich bin.“ Unerschrocken erwiderte Cienzo: „Warte nur, ich komme schon.“ Und er tappte solange herum, bis er auf eine Leiter stieß, die in einen Keller führte. Er stieg hinab und fand eine brennende Laterne und drei Kerle, die wie die Kobolde aussahen. Sie stießen ein schmerzliches Geheul aus und jammerten: „Mein lieber Schatz, daß ich dich verlieren muß!“ Cienzo dünkte es gut, zur Gesellschaft in die Klagen einzustimmen, und nachdem das eine Weile gedauert hatte — Luna war gerade dabei, mit dem Schwerte ihrer Strahlen die Himmelszwiebel in zwei Hälften zu zerschneiden —, sprachen die drei Klageweiber zu ihm: „Komm und nimm den Schatz an dich, er ist für dich allein bestimmt und halte ihn gut zusammen!“ Damit waren sie plötzlich verschwunden wie der, den noch niemand zu Gesicht bekommen hat. Cienzo erblickte durch ein Loch die Sonne und wollte wieder hinaufsteigen, aber er fand die Leiter nicht wieder. Da fing er an zu rufen, und rief so lange, bis der Herr des Turmes, der gerade zwischen das Gemäuer getreten war, um ein Geschäft zu verrichten, es hörte und ihn fragte, was er da mache. Als er erfahren hatte, was vorgegangen war, holte er eine Leiter und stieg zu Cienzo hinab. Kaum hatte er den Fuß in den Keller gesetzt, da stand er geblendet von dem Anblick des Schatzes, von dem er Besitz ergriff, nicht ohne Cienzo den Teil, der ihm zustand, anzubieten. Cienzo aber wies ihn zurück, nahm sein Hündchen unter den Arm, stieg aufs Pferd und machte sich auf den Weg.

Nach einigen Stunden gelangte er an einen einsamen und verlassenen Wald; der war so dunkel, daß einem das Gruseln über den Rücken lief. Dort begegnete er einer Fee an der Quelle eines Flüßchens, das zum Ergötzen des Schattens, in den es sich verliebt hatte, durch die Wiese tanzte und über die Kiesel hüpfte. Die Fee aber war einer Räuberbande in die Hände gefallen, die ihr die Ehre rauben wollte. Kaum hatte Cienzo die gemeinen Absichten der Schurken erkannt, da griff er nach seiner Plempe und metzelte sie zusammen. Die Fee, die sich auf diese Weise gerettet sah, überhäufte ihn mit Dankesbezeugungen und Liebenswürdigkeiten und lud ihn in ihr nahes Schloß, ihm den Dienst, den er ihr erwiesen, zu vergelten. Cienzo aber versicherte immer wieder: „Keine Ursache, tausend Dank, ein andermal werde ich Eure Gunst zu nutzen wissen, heute aber habe ich es eilig einer wichtigen Sache wegen“, und ritt von dannen.

Er hatte wieder eine gute Strecke hinter sich gebracht, da stand er plötzlich vor einem Königspalaste. Der war ganz mit schwarzen Tüchern ausgeschlagen, so daß es einem bei seinem Anblick ganz finster im Herzen wurde. Cienzo fragte nach der Ursache der Trauer und erfuhr, daß in dem Lande ein siebenköpfiger Drache erschienen sei, wie man ihn schrecklicher auf der Welt niemals gesehen, mit Hahnenkamm und Katzenkopf, feurigen Augen und einem Rachen wie ein sardinischer Bluthund, mit Fledermausflügeln, Bärenpranken und Schlangenschwanz. „Täglich verschlingt er einen Christenmenschen, und nachdem das bis auf den heutigen Tag gewährt hat, ist das Los nun auf Menechella, die Königstochter, gefallen. Das ist der Grund für die Trauer und Niedergeschlagenheit im Hause des Königs, soll doch die lieblichste Blüte unseres Landes von einem grimmigen Untier zerrissen und verschlungen werden.“

Nach diesen Mitteilungen zog sich Cienzo zurück und sah Menechella herausschreiten, in Trauergewänder gehüllt und von den Damen des Hofes und allen Frauen des Landes geleitet, die sich die Hände blutig schlugen und sich Locke für Locke die Haare rauften, das Unglück der unseligen Prinzessin bejammernd: „Wer hätte diesem Mädchen gesagt, daß es die Güter des Lebens dem Leibe dieses Untieres vermachen würde? Wer hätte diesem schönen Stieglitz gesagt, es werde einmal der Bauch eines Drachen sein Käfig sein? Wer hätte diesem schönen Seidenwürmchen gesagt, es würde seine Seide einmal in einem schwarzen Kokon abspinnen?“ Und während sie das sagten, siehe, da kroch aus einer Höhle der Drache hervor: Du lieber Himmel, wie war der scheußlich! Selbst die Sonne versteckte sich aus Furcht hinter den Wolken, der Himmel bedeckte sich, und das Herz der Menschen wurde dürr wie eine Mumie. Und kein Klistier, nicht einmal das Haar eines Schweines, hätte die Wirkung gehabt wie sein Erscheinen. Bei diesem Anblick stürzte Cienzo vor, ein Schwerthieb zischte sst!, und einer der Köpfe purzelte zu Boden. Der Drache aber rieb seinen Hals an einem nahen Kraut, und sofort klebte der Kopf wieder daran, wie der Schwanz an der Eidechse. Cienzo dachte: „Wer sich nicht anstrengt, bringt nichts zur Welt“, biß die Zähne zusammen und führte einen so maßlosen Streich, daß er ihm alle sieben Köpfe mit einem Male glatt abschnitt und sie von dannen hüpften wie die Erbsen vom Rührlöffel. Dann schnitt er die Zungen heraus, steckte sie in seinen Quersack, schleuderte die Köpfe eine Meile weit fort, damit sie nicht wieder mit dem Körper zusammenwüchsen, und steckte eine Handvoll von dem Kraute zu sich, an dem der Drache seinen Hals gerieben hatte. Nachdem das erledigt war, sandte er Menechella zum Hause ihres Vaters zurück und machte sich davon, um in einer Herberge der Ruhe zu pflegen.

Es ist unmöglich, mit Worten zu beschreiben, mit welchem Jubel der König seine Tochter begrüßte. Als er vernahm, auf welche Weise sie befreit worden, ließ er sofort allerorten ausrufen: wer den Drachen getötet hätte, solle sich melden, er werde seine Tochter zur Frau bekommen.

Die Bekanntmachung wurde verbreitet, und ein gerissener Schelm von Bauer sammelte die Drachenköpfe, trat vor den König und sprach: „Durch das Eingreifen des Mannes, den Ihr hier vor Euch seht, ist Menechella gerettet worden, diese Hände haben das Land von der Plage befreit. Hier diese Köpfe sind die Beweise meiner Tapferkeit. Wohlan denn, jedes Versprechen ist eine Schuld! Löst sie ein!“ Der König nahm die Krone von seinem Haupte und setzte sie dem Bauer auf den Kürbis, und der sah aus wie der Kopf eines Räubers auf dem Schandpfahl.

Das Gerücht von diesem Ereignis verbreitete sich windschnell durch das ganze Land und kam auch Cienzo zu Ohren, der bei sich sprach: „Ich bin doch wahrhaftig ein Riesenroß! Da hatte ich das Glück beim Schopfe und habe es aus den Händen gelassen! Der eine will mir die Hälfte eines Schatzes geben, und ich mache mir so viel daraus wie der Deutsche aus ungebranntem Wasser. Jemand anderes will mir Gutes tun in seinem Schlosse, und ich achte es wie der Esel die Musik. Und jetzt wird mir eine Krone angeboten, und ich stehe da wie die Betrunkene mit der Spindel, lasse mir von einem Rauhbein ein Bein stellen und von einem Falschspieler die Trumpfkarten aus der Hand nehmen!“

Mit diesen Überlegungen holte er ein Tintenfaß, ergriff eine Feder, faltete das Papier auseinander und begann zu schreiben: „An das köstlichste Juwel unter allen Frauen, Menechella, die Infantin von Perdisenno! — Nachdem ich Dir durch die Gunst des Himmels das Leben gerettet, höre ich, daß ein anderer den Lohn für meine Mühe einstreicht und sich den Dienst bezahlen läßt, den ich Dir erwiesen. Da Du aber bei der Rauferei zugegen warst, kannst Du dem König die Wahrheit bestätigen und Deine Zustimmung verweigern, daß ein anderer in den Genuß der Belohnung kommt, während ich die Hände gerührt habe. Das wird die gebührende Wirkung Deiner königlichen Huld sein und der verdiente Lohn für die starke Hand des Skanderbeg. Und damit küsse ich Deine zarten Händchen. — Gegeben im Gasthaus zum Nachttopf, am heutigen Sonntag.“

Als er diesen Brief geschrieben und mit zerkautem Brot versiegelt hatte, steckte Cienzo ihn seinem Hündchen ins Maul und befahl ihm: „Los, lauf, lauf, und bring das der Königstochter, aber gib es niemand in die Hand als nur dem Silbergesichtchen.“ Wie im Fluge sauste das Hündchen zum Königspalast, sprang die Treppen hinauf und fand den König, wie er noch immer seinem Schwiegersohn Liebenswürdigkeiten sagte. Als der König das Hündchen mit dem Schreiben im Maule hereinspringen sah, befahl er, es ihm abzunehmen. Das Hündchen aber wollte den Brief niemand geben, sondern sprang Menechella auf den Schoß und legte ihn ihr in die Hände. Menechella erhob sich von ihrem Sessel, verneigte sich vor dem König und reichte ihm den Brief, damit er lese.

Kaum hatte der König ihn gelesen, da befahl er, dem Hündchen nachzugehen und festzustellen, in welches Haus es laufe, und den Hausherrn ohne Umstände vor ihn zu führen. Zwei Höflinge folgten dem Hündchen, kamen an die Herberge, fanden dort Cienzo, richteten ihm die Botschaft aus und führten ihn zum Schlosse.

Als er nun vor dem König stand, fragte der ihn, wie er sich erdreisten könne, sich zu rühmen, er habe den Drachen erschlagen, wo doch die Köpfe ihm von dem Manne überbracht worden seien, den er jetzt mit der Krone auf dem Haupte neben ihm sitzen sähe. Und Cienzo erwiderte: „Dieser Bauernflegel hätte eher eine Schandmütze aus Packpapier verdient als eine Krone, weil er die Unverschämtheit aufbringt, dir Schweinsblasen statt Laternen zu zeigen. Und um Euch zu beweisen, daß ich die Tat vollbracht und nicht dieser Ziegenbart, laßt die Drachenköpfe herbeischaffen, denn keiner von ihnen kann zum Beweise dienen, da ihnen die Zungen fehlen. Die Zungen aber sollen für mich zeugen, ich habe sie als Beweis mitgebracht.“ Damit zeigte er die Zungen vor, der Bauer jedoch erblich und wußte nicht, wie ihm geschehen war. Menechella aber rief: „Er ist’s! O du gemeiner Hund, was hast du mir angetan!“

Auf der Stelle riß der König dem schmierigen Gesellen die Krone vom Kopf und setzte sie Cienzo auf. Er wollte den Schwindler auf die Galeeren schicken, Cienzo aber gedachte die Unverschämtheit durch Güte zu beschämen und erbat und erhielt Gnade für ihn. Nun wurden die Tafeln gedeckt, man speiste wie die großen Herren, und das junge Paar legte sich in ein schönes Bett, mit duftiger Wäsche bezogen, wo Cienzo nach dem ruhmreichen Kampf mit dem Drachen Triumphe feierte auf dem Schlachtfeld der Liebe.

Am Morgen darauf, als die Sonne inmitten der Sterne das Schwert des Lichtes mit beiden Händen schwang und rief: „Zurück, Gesindel!“ trat Cienzo, während er sich ankleidete, an ein Fenster und erblickte im Hause gegenüber ein junges Mädchen, wandte sich zu Menechella um und fragte: „Was ist denn das für ein hübsches Ding da drüben im Hause?“ — „Was geht denn das dich an?“ erwiderte die Frau. „Was hast du dahin zu sehen? Kommt dich etwa ein böses Lüstchen an? Oder hast du schon genug von meinem Fett? Genügt dir nicht das Fleisch, das du zu Hause hast?“

Cienzo ließ den Kopf sinken wie eine Katze, die den Milchtopf umgeworfen hat, gab aber keinen Muck von sich. Dann tat er, als müsse er wegen eines Geschäftchens das Zimmer verlassen, trat aus dem Schloß und schlüpfte in das Haus des Mädchens.

Das war nun freilich ein auserlesener Leckerbissen, zart wie Quark und süß wie Zucker. Wenn sie die Ätzeisen ihrer Augen auf einen Mann richtete, sandte sie ihm mit feurigem Brandmal einen geheimen Liebesboten ins Herz; nie öffnete sie die Muschel ihrer Lippen, ohne die Seelen zum Sieden zu bringen, sie bewegte keinen Fuß, ohne demjenigen auf die Schultern zu treten, der an dem Seile seiner Hoffnungen baumelte. Und außer anderen Reizen, mit denen sie ihre Zauberkraft ausübte, hatte sie die Gabe, wann immer sie wollte, die Männer mit ihren Haaren zu behexen, zu binden, zu fesseln, zu knoten, zu ketten und zu umgarnen. So tat sie es auch mit Cienzo, denn der hatte kaum den Fuß in ihr Zimmer gesetzt, da war er schon gefesselt wie ein junges Füllen.

Inzwischen kam Meo, dem jüngeren Bruder, der keinerlei Nachricht von Cienzo erhalten hatte, der Gedanke, ihn zu suchen. Er bat seinen Vater um Urlaub und erhielt ebenfalls ein Pferd und einen Hund, die beide gefeit waren. Unterwegs stieß er eines Abends auf den Turm, wo Cienzo auch gewesen war, und der Hausherr, der ihn mit seinem Bruder verwechselte, empfing ihn mit größter Freundlichkeit und wollte ihm einen Beutel Geldes geben. Er aber nahm ihn nicht an. Die höfliche Aufnahme jedoch brachte ihn auf den Gedanken, sein Bruder könnte dort gewesen sein, und er schöpfte neue Hoffnung, ihn aufzufinden. Sobald der Mond, der aller Dichter Freund ist, der Sonne den Rücken zudrehte, machte er sich wieder auf den Weg und kam an die Wohnstätte der Fee. Auch sie glaubte, es sei Cienzo, nahm ihn festlich auf und grüßte ihn: „Willkommen, lieber Jüngling, der du mir das Leben gerettet hast!“ Meo dankte ihr für soviel Liebenswürdigkeit und sprach: „Verzeih, wenn ich mich nicht aufhalte, ich habe es eilig. Auf Wiedersehen bei der Rückkehr!“ Froh darüber, daß er überall die Spuren seines Bruders entdeckte, zog Meo seine Straße, bis er vor dem Palaste des Königs anlangte, gerade an dem Tage, da Cienzo in die blonden Schlingen der Zauberin geraten war. Bei seinem Eintritt wurde er in hohen Ehren von den Dienern empfangen und von der Braut mit großer Herzlichkeit umarmt. „Sei willkommen, lieber Mann!“ rief sie. „Der Morgen geht, und der Abend kommt; und wenn alle Vögel auf die Futtersuche gehen, kehrt die Eule nach Hause zurück. Was hast du so lange gesäumt, mein Cienzo! Wie kannst du so lange von Menechella fern bleiben! Du hast mich dem Drachen aus den Zähnen gerissen und wirfst mich nun dem Argwohn in den Rachen, und ich wäre doch so gerne immer der Spiegel deiner Augen!“ Der schlaue Meo merkte sofort, daß sie die Frau seines Bruders war, und entschuldigte sich wegen seines Ausbleibens, schloß sie in seine Arme, und dann setzten sie sich zum Nachtmahl.

Als Luna wie eine Glucke die Sterne lockte, damit sie den Tau aufpickten, gingen die beiden zu Bett. Meo aber, der der Ehre seines Bruders nicht zu nahe treten wollte, teilte die Bettücher, nahm eins für sich und überließ das andere Menechella, um nicht in die Gelegenheit zu kommen, seine Schwägerin zu berühren. Das war etwas Neues für Menechella, ihre Blicke verfinsterten sich, und griesgrämig wie eine Stiefmutter sprach sie zu ihm: „Mein Lieber, was soll denn das? Was für ein Spiel treiben wir denn da? Was sind mir das für Scherze? Sind wir etwa zwei Streithähne von Bauern, die ihre Grenzen abstecken? Sind wir zwei feindliche Heere, daß wir einen Schützengraben zwischen uns aufwerfen? Sind wir wilde Pferde, die man durch einen Zaun auseinanderhält?“ Meo, der sehr wohl bis drei zählen konnte, erwiderte: „Beklage dich nicht über mich, mein Schatz, sondern über den Arzt, der mir zur Purganz eine Diät verschrieben hat. Bedenke außerdem, daß ich, ermüdet von der tagelangen Jagd, mit gestutztem Schwanze zurückkehre.“ Die harmlose Menechella, die kein Wässerchen trüben konnte, schluckte die Geschichte und schlief ein.

Als aber die Nacht, von der Sonne verfolgt, die Dämmerschatten anwies, ihren Tornister zu packen, zog sich Meo an demselben Fenster an, vor dem sich auch sein Bruder angekleidet hatte. Da erblickte er dasselbe schöne Mädchen, dem Cienzo ins Netz gegangen war. Und da sie auch ihm gar sehr gefiel, fragte er Menechella: „Wer ist denn das Püppchen dort am Fenster?“ In heller Wut versetzte sie: „Hierher gesehen! Schon gestern hast du mir das Lob dieses Frauenzimmers gesungen, und ich fürchte, wovon das Herz voll ist, davon läuft der Mund über. Hast du denn gar keine Achtung vor mir? Ich bin am Ende die Königstochter, und jeder Dreck hat seinen Rauch. Nicht umsonst hast du heute Nacht Schulter an Schulter mit mir den Doppeladler gemacht! Nicht umsonst hast du heute Nacht mit deinem Kapital zurückgehalten! Ich habe dich verstanden: In meinem Bett hältst du Diät, in andern Häusern gehst du zu Tisch. Aber wenn ich das herauskriege, dann sollst du einen Tanz erleben, daß die Scherben in der Luft umherfliegen!“ Meo, der Brot aus vielen Öfen gegessen hatte, beruhigte sie mit guten Worten und versicherte und schwor, er würde auch nicht der schönsten Kurtisane wegen sein Haus vertauschen, denn sie sei der Augapfel seines Herzens. Völlig getröstet, begab sich Menechella in ihr Boudoir, ließ sich von ihren Zofen die Falten auf der Stirn glätten, die Haare kräuseln, die Wimpern färben, Rot auflegen und sich aufs feinste herausputzen, um auf diese Weise dem Manne, den sie für ihren Gatten hielt, um so schöner zu erscheinen.

Aus den Worten Menechellas war Meo inzwischen der Verdacht aufgestiegen, Cienzo befinde sich in dem Hause des Mädchens, und er nahm sein Hündchen mit sich, trat aus dem Palast, begab sich in das gegenüberliegende Haus und war kaum eingetreten, als die schöne Zauberin sagte: „Bindet ihn, ihr Haare mein!“ Sofort entgegnete Meo: „Friß sie auf, mein Hündelein!“ Und mit einem Satz verschlang das Hündchen sie wie ein Eidotter. Meo ging nun ins Haus und fand seinen Bruder verzaubert. Aber er legte ihm nur zwei Härchen seines Hündchens auf den Leib, da war es, als erwache er aus tiefem Schlaf.

Und er berichtete ihm auf der Stelle alles, was er auf der Reise erlebt hatte und was ihm schließlich im königlichen Palaste widerfahren war und wie er, von Menechella verwechselt, bei ihr geschlafen habe. Er wollte gerade fortfahren und erzählen, wie er die Bettücher geteilt habe, da zog Cienzo, vom Teufel geritten, einen alten Wolfsdolch und schnitt ihm den Kopf ab, als wäre er eine Gurke. Von dem Lärm herbeigelockt, erschien die Königstochter, und als sie sah, daß Cienzo einen Mann getötet hatte, der ihm aufs Haar glich, fragte sie ihn nach dem Grunde. Cienzo erwiderte: „Frag dich selbst, denn du hast bei meinem Bruder geschlafen, und darum habe ich ihn ins Jenseits befördert!“ — „Weh, wie viele sind zu Unrecht getötet worden!“ rief Menechella, „da hast du ein schönes Heldenstück geliefert! Du bist eines so vortrefflichen Bruders gar nicht würdig, denn du mußt wissen, als er und ich im selben Bette lagen, da teilte er mit großer Zurückhaltung die Bettücher und machte: Du bleibst für dich und ich für mich!“

Da packte Cienzo die Reue über einen so schweren Irrtum, der der Sohn eines vorschnellen Urteils und der Vater einer Riesendummheit war, und er zerkratzte sich das halbe Gesicht. Plötzlich aber erinnerte er sich des Krautes, auf das ihn der Drache hingewiesen, rieb dem Bruder den Hals damit ein, und sofort heftete sich der Kopf wieder an, und Meo sprang auf die Füße heil und unversehrt. Cienzo umarmte ihn mit großer Freude und bat ihn um Verzeihung, daß er sich, schlecht unterrichtet, hatte hinreißen lassen, ihn aus der Welt zu schaffen. Dann gingen sie Arm in Arm ins Schloß des Königs. Sie ließen Antoniello rufen mit seiner ganzen Familie. Meo aber wurde dem König herzlich lieb, der in dem Sohne wieder einmal das Sprichwort bewahrheitet fand:

Ein wendig boot mit schlankem bord

schiesst gradenwegs in sichern port.

Das Pentameron

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