Читать книгу Roman Paket 9 Glenn Stirling Liebesromane für den Strand - Glenn Stirling - Страница 8

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„Das ist kein Dienstplan, das ist eine Katastrophenmeldung!“, polterte Gött, der schwergewichtige Chefarzt der Inneren Abteilung. Und wie zur Bestätigung seiner Worte wedelte er mit diesen beiden Bogen Papier, dem Dienstplan also, wild in der Luft herum.

Vor ihm standen Oberarzt Dr. Kiesewetter und die beiden Stationsärzte Dr. Ina Bender und Dr. Hans Breitenbacher. Letzterer stützte sich auf einen Stock, denn er hatte seinen linken Fuß in Gips.

„Aber Herr Chefarzt“, rief Breitenbacher jetzt, „ich bin ja schon trotz meines Fußes gekommen. Was wollen Sie noch mehr?“

Die beiden Männer musterten sich.

Gött, schwergewichtig, der personifizierte Gott Bacchus, sechzig Jahre alt und ein berühmter Vertreter der Medizin, der diese aber an sich selbst missachtete. Er aß, was ihm schmeckte, er rauchte seine Zigarren, wenn ihn danach verlangte und war einem guten Schluck noch nie abhold gewesen. Was das Essen und den Schluck anging, sah man es ihm an, ein Gebirge von Mensch.

Auch Breitenbacher war groß und breit, aber nichts an ihm wirkte weich und schlaff. Er war kräftig, muskulös, hatte aber schon trotz seiner sechsunddreißig Jahre einen Großteil seines brünetten Kopfhaares verloren. So wirkte er älter.

Gött schätzte seinen Stationsarzt sehr. Aber heute Morgen war er auf Streit aus. Seine Laune befand sich unter dem Nullpunkt und alle, die ihm begegnet waren, seit er das Haus betreten hatte, wurden Opfer seines Zorns.

Ina Bender spürte, dass heute nichts von der versöhnlichen Art Götts zu merken war und sie hielt sich zurück, schwieg und ließ es über sich ergehen wie einen Gewitterregen.

„Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu“, brüllte Gött. „Mit einem Male sechs Schwestern krank, drei Ärzte krankgemeldet, wie soll denn hier der Betrieb aufrechterhalten werden?“ Sein Augenmerk richtete sich jetzt auf seinen Oberarzt Dr. Kiesewetter. Hans Breitenbacher wirkte eher zierlich und schwächlich. Sein ein wenig unproportioniert großer Kopf erinnerte umso mehr an den geistigen Theoretiker, der er auch war.

„Sie hätten Ersatz besorgen müssen. Wieso haben Sie das nicht getan, Kiesewetter?“

„Weil gestern nur drei Krankmeldungen vorlagen, zwei von Ärzten, eine von einer Schwester. Ich bin kein Hellseher, Herr Chefarzt. Ich kann nicht voraussehen, dass heute so viele Krankmeldungen vorliegen.“

„Dafür haben wir aber eine Personalstelle in diesem Haus“, fauchte Gött. „und als ich eben da angerufen habe, wusste noch niemand etwas von unserem Dilemma. Zum Teufel nochmal, wollen Sie mir vielleicht verkaufen, Sie hätten sich um alles gekümmert? Einen feuchten Kehricht haben Sie getan!“

Götts Blick schweifte in die Runde, er suchte ein neues Opfer. Und da war es schon: Ina Bender, die schlanke, dunkelhaarige Ärztin, ahnte in diesem Augenblick, dass sie an der Reihe war.

„Und Sie, Frau Bender, schicken ausgerechnet für heute zwei Schwestern auf diesen verdammten Lehrgang. Wie kommen Sie darauf? Sind Sie total verrückt geworden?“

„Die Entscheidung, welche Schwestern den Lehrgang machen werden, musste bereits vorige Woche fallen. Auch ich gehöre nicht zu den Hellsehern, falls Sie das erwartet haben sollten.“

„Werden Sie hier nur nicht vorlaut!“, brüllte Gött und er wuchtete mit der Faust auf die Schreibtischplatte. „Hier bestimme ich und sonst niemand! Und ich will gefragt werden, wenn irgendjemand in einen Lehrgang geht.“

„Ich hatte es gebilligt, Herr Chefarzt“, erklärte Kiesewetter und Ina blickte den Oberarzt überrascht an. Von seiner Seite hatte sie keine Hilfestellung erwartet.

„Ich bestimme hier!“, brüllte Gött erneut. „Und ich schicke Leute auf den Lehrgang und nicht Sie! Und jetzt die zweite schlechte Nachricht an diesem Morgen. Auch das haben Sie gewusst, Kiesewetter. Wir müssen einen Arzt und einen Pfleger oder eine Schwester zu diesem verdammten Containerschiff schicken, das auf der Reede vor Cuxhaven liegt.“

Keiner der Ärzte, die da vor Gött standen, stellte eine Frage. Dabei brannte sie allen dreien auf den Lippen. Denn niemand wusste, welche Seuche denn auf dem Containerschiff ausgebrochen war. Offenbar kannte nur Gött die Einzelheiten. Aber er hatte im Augenblick alles andere im Sinn, als seine Ärzte zu unterrichten. Er war ganz einfach wütend, dass er so viele Krankmeldungen hatte und zudem noch Personal zu einem Notfall abstellen musste.

Krebsrot im Gesicht brüllte Gött: „Ich kann da nicht irgendeinen Anfänger hinschicken. Das muss ein Arzt sein, der Erfahrung hat und der sich nicht mehr in der Facharztausbildung befindet.“

Völlig überraschend für alle Umstehenden sagte Oberarzt Dr. Kiesewetter plötzlich: „Ich bin bereit, das zu erledigen, und im Übrigen käme ja nur der Kollege Breitenbacher in Frage, der mit seinem Fuß nicht kann. Die Kollegin Bender möchte ich nicht noch einmal auf ein Schiff schicken, das hatten wir bereits. Und sonst kommt wohl niemand anderer in Frage.“

Gött blähte die Nasenflügel. Die Zornesader auf seiner Stirn schwoll noch mehr an. Er wollte schon wieder losbrüllen, da schellte das Telefon. Missmutig nahm er ab und bellte seinen Namen in den Hörer.

Die Umstehenden verstanden nicht, was am anderen Ende der Leitung gesprochen wurde. Aber das Gesicht von Gött wurde so dunkel, fast blaurot, dass Ina sich um die Gesundheit ihres Chefs Sorgen machte. Er sah jedenfalls aus, als befände er sich unmittelbar vor einem Schlaganfall. Doch er schwieg, er hörte nur. Aber dann brach es aus ihm heraus wie eine Detonation.

„Soll ich mir Personal aus den Fingern saugen? Ich habe selbst nicht genug Leute heute. Völlig unmöglich ... Nein, ausgeschlossen ... Es interessiert mich einen Dreck, ob das so abgemacht ist oder nicht. Wenn ich keine Leute habe, kann ich Ihnen keine geben... Ich brülle so viel wie ich will. . . Nein, es geht nicht und damit basta!“ Er knallte den Hörer auf die Gabel und sah wild um sich.

So sehr ihn Ina sonst mochte, aber in seinen cholerischen Ausbrüchen, die von Zeit zu Zeit wie bei einem Vulkan stattfanden, war er ihr unheimlich. Aus diesem Grund wohl hatte er trotz seines hohen internationalen Ansehens nicht gerade sehr viele Freunde.

„Diese Idioten!“, polterte Gött. „Wollen die von mir für den Notdienst zwei Mann haben. Ich kann sie doch nicht zaubern. Da weist diese Knalltüte auf das Bereitschaftsabkommen. Sollen die sich selber welche im Frühbeet wachsen lassen. Ich kann keine Ärzte und Schwestern aus dem Boden stampfen.“ Plötzlich schien ihm etwas einzufallen. Er blickte zornig auf Kiesewetter. „Haben Sie eigentlich Schwester Heidemarie freigegeben für diese Woche?“

„Sie ist zur ihrer Mutter nach Köln gefahren“, erklärte Kiesewetter, „und hatte schon vor Wochen um diese vier Tage, die es sind, Herr Chefarzt, und nicht eine Woche, Urlaub gebeten.“

„Und jetzt? Wer macht das jetzt?“ Kiesewetter blickte hilfeheischend auf Ina Bender.

Die verstand Kiesewetters Blick und erwiderte an seiner Stelle: „Das macht Schwester Marita.“ „Schwester Marita?“, Gött' schüttelte den Kopf und dachte nach. „Wer ist denn das?“

Er hatte den Namen wohl schon irgendwann mal gehört, aber er konnte sich nicht an das Gesicht der Schwester erinnern.

Auch Kiesewetter schien da seine Schwierigkeiten zu haben.

Aber genau an Kiesewetters Adresse richtete Gött die nächste Frage: „Ist sie qualifiziert? Immerhin tut sie Stationsschwester-Dienst.“

Auch jetzt musste Kiesewetter wieder auf Ina schauen und die erklärte spontan:

„Natürlich ist sie qualifiziert. Sie ist eine hervorragende Schwester. Außerdem hat sie eine ganze Zeit lang den Spätdienst gemacht. Das müsste Ihnen doch aufgefallen sein, Herr Chefarzt.“ Gött, der sich eben ein wenig beruhigt hatte, wurde wieder krebsrot und brüllte los: „Was mir auffallen muss und was nicht, geht Sie einen Dreck an, merken Sie sich das!“

„Sie sind hier nicht auf dem Kasernenhof, Herr Chefarzt“, widersprach ihm Ina heftig, die es nicht ausstehen konnte, angebrüllt zu werden, auch nicht von ihm.

Ob das ein Kasernenhof ist oder nicht...“,

... das bestimme ich“, ergänzte Ina Bender und lächelte ihn herausfordernd an.

Sie war die einzige, die ihm in solchen Situationen Widerpart gab.

Er wollte schon zu erneutem Gebrüll ansetzen, besann sich aber eines Besseren und grollte nur noch: „Was für eine Qualifikation hat sie denn?“

„Sie könnte jederzeit als Stationsschwester arbeiten, hatte sich auch darum beworben“, erklärte Ina ruhig, „doch es war keine Stelle bei uns frei.“

„Wieso kenne ich sie nicht?“

„Sie kennen sie ja.“

„Ich weiß aber nicht, wer sie ist!“, brüllte Gött. „Ich will sie sehen, schicken Sie mir die mal her! Und jetzt raus mit Ihnen allen! Und sehen Sie bloß zu, dass Sie über die Runden kommen, ganz gleich wie.“

„Und was ist mit der Bereitschaft?“, fragte Breitenbacher jetzt.

„Was für eine Bereitschaft?“, brüllte Gött.

„Die Bereitschaft, zu der wir verpflichtet sind, Herr Chefarzt, Sie können das jetzt nicht einfach abwehren. Bei der nächsten Gelegenheit bekommen wir Ärger. So wie die uns brauchen, brauchen wir die. Es ist auch durchaus möglich, ein oder zwei Tage mit einer kleineren Besetzung auszukommen“

„Darüber denke ich nach. Aber dazu brauche ich keinen von Ihnen. Raus!“ Es war seine Art und die kannten sie ja, wenn sie ihnen auch nicht gefiel.

Kiesewetter war am ehesten bereit, das zu schlucken. Breitenbacher machte die Faust in der Tasche, doch wenn es ihm zu toll wurde, so wie eben, dann wehrte er sich. Und Ina hatte noch nie etwas unerwidert geschluckt.

Sie war es auch, die wie eine Königin hinausrauschte, ohne sich noch einmal nach Gött umzusehen.

Draußen dann brummte Breitenbacher missvergnügt: „Das wird immer schlimmer mit ihm. Ich glaube, das ist bald ein Fall für die Psychiatrie.“ .

„Hans“, sagte Ina besänftigend, „rede doch nicht so einen Quatsch! Ich weiß nicht, was ihm heute früh quer geraten ist. Vielleicht liegt es auch an seiner Frau. So etwas kann man doch mal hinnehmen.“

„Der Kollege Breitenbacher hat recht“, bemerkte Kiesewetter. „Es wiederholt sich in der letzten Zeit zu oft. Man kann es nicht mehr als normal bezeichnen. Dieser Mann isst, trinkt und raucht einfach zu viel. Er lebt hemmungslos und ebenso hemmungslos spricht er. Er sagt, was ihm gefällt.“ Ina war stehengeblieben und sah Kiesewetter an. Er war kleiner als sie und das schien ihn auch zu wurmen. Aber er sagte nichts.

„Herr Oberarzt“, erwiderte Ina auf seine Bemerkung, „alles, was Sie sagen, stimmt. Nur eines haben Sie vergessen. Er ist ein Genie. Und einem Genie kann man zugestehen, dass er ein paar Marotten hat. Keiner von uns dreien wird je seine Fähigkeiten erreichen, nicht in fünfzig Jahren. Und das sollten wir bei alldem auch nicht vergessen. So, meine Herren, ich muss mich um die Station kümmern.“

„Ich auch“, bemerkte Breitenbacher, nickte Ina und dann Kiesewetter zu und verschwand.

Kiesewetter ging noch ein Stück neben Ina her.

„Sie sind doch jetzt erst einmal aus dem Schneider, Herr Oberarzt“, erklärte Ina. „Wenn Sie zu diesem Containerschiff fahren.“

„Meinen Sie, das wäre ein Zuckerlecken? Sie kennen das doch. Am Ende hänge ich da wochenlang fest.“

„Vielleicht sind Sie nach zwei Wochen wieder da, vielleicht schon nach Tagen. So schlimm ist das doch nun auch wieder nicht. Wenn Sie wollen, kann ich es für Sie übernehmen.“

„Kommt nicht in Frage! Das ist keine Aufgabe für eine Frau.“

„So wie Sie die Frau sehen“, stichelte Ina.

„Wie meinen Sie das?“

„Ich meine es so, dass Sie zu denen gehören, die der Meinung sind, eine Frau gehört an den Herd, zu den Kindern, in Küche und Keller. Und allenfalls noch Sonntag früh in die Kirche. Habe ich nicht recht?“

„Sie wollen mich nur herausfordern“, brummte er.

Sie lächelte nur und stieß dann die Schwingtür zu ihrer Station auf. Kiesewetter ging zu den Fahrstühlen.

Nach einigen Schritten hatte Ina das Stationszimmer erreicht, aber dort kochte eine Lernschwester gerade Grießbrei.

„Wo ist die Stationsschwester?“ fragte Ina. „Ich meine Schwester Marita.“

„Auf 268. Da ist eine Nierenkolik. Doktor Preiß ist auch da.“

„Und die anderen?“, wollte Ina wissen.

„Alle drei beschäftigt. Uns fehlen ja zwei Schwestern, Frau Doktor.“

„Das ist mir bekannt“, entgegnete Ina knapp. Dann wandte sie sich ab und wollte ebenfalls zu Zimmer 268 gehen, als dort gerade der kraushaarige Dr. Preiß herauskam. Er war jünger als Ina, stand noch in der Facharztausbildung und wurde von den Schwestern und auch manchen Kollegen insgeheim Belmondo genannt, weil er eine weit entfernte Ähnlichkeit mit dem Schauspieler besaß. Ina ertappte sich selbst dabei, dass sie ihn, wenn sie an ihn dachte, mit seinem Spitznamen bezeichnete.

Sie hatten sich schon gesehen und Ina fragte sofort: „Was ist mit der Kolik?“

„Ex, Kreislaufversagen. Ich habe alles versucht“

„Sie ist tot?“, fragte Ina ungläubig; „Warum bin ich nicht gerufen worden?“

„Die Kollegin Grund war als Erste da und da ist sie wohl schon ex gegangen. Ich bin hinzugeholt worden; es war nichts mehr zu machen.“

„Das ist ja furchtbar!“

„Aber Frau Kollegin“, meinte Preiß, „die Frau ist immerhin über achtzig. In diesem Alter ist der Kreislauf ohnehin...

„Es hätte nicht passieren müssen. Wo ist Frau Grund jetzt?“

„Sie ist noch drinnen. Übrigens hatte Schwester Marita schon eine kreislaufstärkende Spritze aufgezogen. Frau Grund war der Meinung, dass die Dosis zu hoch sei und hat sie nicht geben wollen.“

„Aber diese Frau bekommt doch jeden Tag diese Injektion ... beziehungsweise hat sie die bekommen“, verbesserte sich Ina dann. Ich werde sofort nach der Patientin sehen. Kommen Sie ruhig nochmal mit, Herr Kollege.“

Preiß machte ein mürrisches Gesicht. Ina war bekannt, wie schwer er sich damit tat, sich einer Frau unterzuordnen, aber sie war nun einmal die Stationsärztin und hatte eine erheblich längere Praxis als er und damit auch die größere Erfahrung.

„Ich hätte gerufen werden müssen.“

„Irgendjemand hat es wohl auch versucht. Wir haben eine Lernschwester zum Chef geschickt, aber... “

Ina konnte sich schon fast denken, wie es dann weitergelaufen war. Götts Sekretärin musste ja die Brüllerei ihres Chefs in ihrem Zimmer gehört haben und hatte wohl die Schwester deshalb wieder weggeschickt. Aber richtig war das bestimmt nicht gewesen.

Für Ina bedeutete jeder Todesfall eine Niederlage, die sie sich sehr zu Herzen nahm. Es ging ihr nahe, wenn ein Patient dahingerafft wurde, wenn es der Medizin nicht gelang ihn zu retten. Und es interessierte sie wenig, ob die Wahrscheinlichkeit bei dieser alten Frau größer war, als wäre sie jünger gewesen. Für Ina war es gleichermaßen ein Schlag. In dieser Beziehung wurde sie nie abgebrüht.

Die blonde Dr. Hella Grund stand am Fenster und wandte Schwester Marita, die sich um die Tote bemühte, den Rücken zu.

„Hella“, sagte Ina, „wie konnte das passieren?“ Während Ina noch sprach, blickte sie auf den Nachttisch, wo die zur Hälfte gefüllte Injektionsspritze lag. Sie ging hin, nahm sie auf, ohne dass sich Dr. Hella Grund bis jetzt umgedreht hatte. Sie starrte immer noch nach draußen.

„Was ist hier drinnen?“ wandte sich Ina an Schwester Marita.

Die dunkelblonde junge Frau blickte auf, griff wortlos in ihre Kitteltasche und brachte eine Ampullen-Verpackung heraus.

Für Ina war es die Bestätigung, dass es sich um das Kreislaufstützungsmittel handelte.

„Hella, ich rede mit dir.“

Als müsse er sich noch einmal vergewissern, hörte Dr. Preiß die Tote ab. Aber es gab keinen Zweifel, in ihr war kein Leben mehr. Prüfend hielt er die Hand an ihre Carotis, an die Halsschlagader, seufzte dann und drehte sich zu Ina hin um. Aber die hatte keinen Blick für ihn übrig. Sie sah auf Hellas Rücken und erst jetzt drehte sich Hella Grund langsam um, blickte aus glänzenden Augen Ina an, schwieg aber. Sie hielt ihre Lippen zusammengepresst und Ina konnte sich vorstellen, was in ihr vorging.

Ina hob die Injektionsspritze hoch und sagte: „Wieso hast du das nicht gegeben?“

„Noch mehr quälen?“, fragte Hella Grund plötzlich. „Ich habe ihr etwas Anderes injiziert, eine Beruhigungsspritze.“

„Darüber reden wir an einer anderen Stelle“, entschied Ina. „Komm mit ins Arztzimmer. Dazu möchte ich etwas sagen.“

Hella Grund nickte nur, als habe sie nichts Anderes erwartet und ging auf die Tür zu, an allen vorbei.

Ina wandte sich Schwester Marita zu. „Wenn Sie hier fertig sind, Schwester, kommen Sie doch bitte auf einen Sprung zu mir. Ich bin jetzt im Arztzimmer. Und sollte wieder etwas sein... “

„Frau Doktor, wir haben nach Ihnen geschickt“, erklärte Schwester Marita. „Aber die Lernschwester ist zurückgekommen und...“

„Das erzählen Sie mir nachher. Ich habe erst mit meiner Kollegin zu sprechen. Und Sie, Herr Preiß, übernehmen Sie bitte solange die Station. Aber wenn ein ähnlicher Fall auftritt, bitte ich, alarmiert zu werden!“

Preiß lächelte souverän, wippte auf den Absätzen, sagte aber nichts. Dann ging er hinter Ina hinaus, wandte sich aber nach links, während sie nach rechts ging.

Hella Grund war stehengeblieben. „Was willst du mir vorwerfen?“, fragte sie.

„Einen Kunstfehler, meine Liebe“, erwiderte Ina. „In diesem Stadium durftest du der alten Frau keine Beruhigungsspritze geben und schon gar nicht jenes Präparat, das du gegeben hast. Es war ein Kunstfehler. Möglicherweise wäre sie noch am Leben... “

Roman Paket 9 Glenn Stirling Liebesromane für den Strand

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