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„Das ist doch Blödsinn,“ geht Mona dazwischen. „Ihr redet, als ob der Dachstuhl brennt.“

In ihrer Erregung entgeht ihr vermutlich, was Mahina mir wortlos zu verstehen gibt. Die legt ihren angewinkelten Arm kumpelhaft auf meine Schulter. Ihr ruhiger Blick bestätigt, meine Gedanken eben zum Gebrauch von Nussknackern hat sie mitbekommen. Obendrein weiß Mahina, wenn es sein muss, übertreffe ich Corinna an Unerbittlichkeit. Die erbarmungslosen Erfahrungen in San Francisco haben meine Umsicht erhöht, zugleich meine Hemmschwelle für Gewaltanwendung gesenkt. Insbesondere gegenüber Tätern, die wehrlose Unbeteiligte – am niederträchtigsten: Kinder und Jugendliche – als Geiseln nehmen oder gezielt angreifen, um Angehörige zu erpressen oder zu bestrafen.

„Noch nicht, Mädchen,“ belehrt Corinna ihre Tochter. „Aber die Funken sprühen schon. Eben, als ihr Kaffee holen wart, hat mir Janina etwas Wichtiges mitgeteilt. Heute Vormittag hat das rote Motorrad dort in der Nähe eures Wohnblocks in Steinbach geparkt. Mit der Beschreibung, die Janina gegeben hat, klingt ihre Beobachtung glaubhaft. Ich fürchte, der Ärger geht erst richtig los.“

„Oh, das wusste ich nicht,“ überlegt Mona laut, „Also, schon vor dem Überfall sind wir beschattet worden. Ich hab ’s doch gewusst, als sie kamen; die hatten es auf uns abgesehen.“

„Und weiter?,“ hakt Corinna nach.

„Was weiter?“

„Mona! Die wollten hier nicht aus Langeweile rumpöbeln, haben euch vorab ausgekundschaftet ...“

„Und wissen jetzt wahrscheinlich, wo wir wohnen ...,“ werfe ich ein.

„Kapiert,“ unterbricht Mona mich. „Nur, aus welchem Grund?“

„Weiter gefragt: Tun die das von sich aus?,“ biete ich an. „Oder hat sie ein Anderer beauftragt?“

Mona schaut mich an, als rede ich Bantunesisch.

„Es gibt einen Auftrag,“ erklärt Mahina. „Ich bin sicher.“

Worauf Mona ihr den gleichen verständnislosen Blick zuwirft.

„Wirklich? Du meinst ...? Okay, denkbar,“ überlegt sie laut. „Juckt mich nicht. Ich habe im ganzen Leben noch nicht mit Rockern zu tun gehabt. Du, Mahina? Vielleicht wegen deiner Harley?“

„Mich als Mitglied bei denen machen? Thank you very much.“

„Oder geschäftlich? Keine Ahnung.“

„No; für Werkstatt-Service fahre ich in die Hanauer-Landstraße, und die ist absolut clean. Da war ich bloß einmal gleich am Anfang.“

„Für mich steht fest,“ sagt Corinna, „es muss einen Grund geben. Was ist? Robert, Du, sogenanntes Familienoberhaupt; hast Du etwas angestellt, was auf euch zurückfällt?“

„Nichts dergleichen, Herzblatt. Nur etwas ist merkwürdig. Mahina und ich haben diesen Carlo gefragt – der mit dem gebrochenen Arm –, wer sie losgeschickt hat. Er hat geflucht und dann getönt, wir sollten den ,Rotfuchs’ fragen. Ich schätze, damit meint er dich, Mona.“

„Mich?,“ tritt sie erschrocken einen kleinen Schritt zurück. „Wieso mich? Heißt das ...? Meint der Drecksack, dass ich etwas darüber wüsste? ... Oder damit zu tun hätte? Moment mal! Die greifen uns an und ich soll ...?! Völliger Blödsinn! Ich kenne keinen der Typen.“

Ich ziehe sie seitlich an mich.

„Bleib gelassen, Mona-Schatz. Der Kerl war voll im Stress; hat das sicher frei erfunden, aus Wut. Oder als Revanche. Weil Du den Blondkopf umgehauen hast. Oder ihm fiel nichts Besseres ein; was weiß ich.“

„My Man, Bear,“ stellt Mahina ruhig fest. „Das war gezielt gegen Mona.“

„Gegen mich?,“ kreischt die. „Sag mal, geht ’s noch?“

„Sorry, Sweetheart, ich weiß, was ich sage,“ stellt Mahina gelassen klar. „Ich glaube, was er gesagt hat. Du bist der Auftrag für alle vier. Carlo weiß, wer ihn und seine Gang geschickt hat. Aber nicht viel mehr. Hat keine Idee, wofür; was der Hintergrund ist.“

Mona schaut uns betroffen – oder verunsichert – an. Wenn Mahina eine derart schwerwiegende Feststellung trifft, – auch wenn es noch keine einleuchtende Erklärung gibt – ist es besser, sich damit zu befassen. Mona greift sich ans Kinn, tippt mit dem Zeigefinger unter die Nase. Schüttelt, als wir sie abwartend ansehen, nachdenklich den Kopf.

„Leute, ich weiß es wirklich nicht. Ich habe keine Ahnung, wie ich zu der Ehre komme.“

„Zumindest passt es zum Tathergang,“ bemerkt ihre Mutter. „Dass der blonde Rocker dich am übelsten beschimpft und bedroht hat, war Absicht. Erscheint mir nicht mehr wie ein Zufall.“

„Stimmt, so gesehen. Aber auch das hilft mir nicht weiter. Ich weiß immer noch nicht, wieso ausgerechnet mir das galt.“

Ich drücke Mona nochmals an mich.

„Ist gut, Schatz. Das bringt jetzt nichts. Vielleicht fällt dir später irgendetwas ein, was in den vergangenen Wochen war. Ein kleiner Anlass, bei dem dir einer etwas übel genommen hat. Irgendwas muss es ja geben. Sonst wären die Rowdys nicht planmäßig angerollt.“

Mona bekommt feuchte Augen, blinzelt, braust auf.

„Ich lasse mir doch von diesen Arschlöchern keine Schuld einreden. Weil der Typ so einen Schwachsinn behauptet. Die haben uns angegriffen. Und ihr, wagt ja nicht, mir jetzt mit Schuster zu kommen. Den hat die ,Rache-Hexe’ erschossen, bevor Berkamp sie umgenietet hat. Und das ist drei Monate her.“

Corinna besänftigt:

„Hey, völlig einverstanden, Mona. Von Schuster und seinem heimlichen Freundeskreis ist nichts mehr übrig.“

Obwohl er es war, der im vorigen August um sich geschossen hat; ein paar Kumpels in den Reihen der Polizei hielten unbeirrt zu ihm. Wahrscheinlich hat einer davon ihn Tage später vor der drohenden Festnahme gewarnt. Der entzog Schuster sich aus dem Krankenhaus heraus.

„Okay, folks, machen wir fertig für heute,“ schlägt Mahina vor. „Janina und Samira haben genug gewartet. Wir trainieren weiter „Ba-Gua“, Mona und Bear gehen immer mit Kanone. Und Du, Corinna, check bitte Hintergrund von alle vier Assholes. Wenn Du Probleme findest, ruf an, gib uns Information.“

„Halt mal,“ schreckt Mona auf. „Samira?! Ob es mit Samira zu tun hat? Vor zwei Wochen war ich mit den beiden Mädchen Lebensmittel kaufen. Am Ausgang hat ein Typ um die fünfzig rumgemault, wir wären immer noch in Deutschland, und Terroristenkinder sollten gefälligst daheim im Bazar einkaufen. Der war besoffen, und wir sind einfach weggegangen, wortlos. Ich schwöre, ich habe ihm nirgendwohin getreten.“

Corinna schüttelt den Kopf.

„Ach was, Mädchen. Das hat der Kerl im nächsten Augenblick vergessen. Wir machen das so, wie die schöne Frau Hawaii-Mond eben gesagt hat, einverstanden? Ihr seid besonders wachsam, Du auch, Mahina. Sobald ihr etwas Verdächtiges bemerkt, meldet euch. Und wenn es zu unvermeidlichem Ärger kommt – lasst die Leute am Leben. Damit sie sagen können, wer sie beauftragt hat.“

Bevor Corinna sich zur Wagentür wenden kann, geht Mahina zu ihr, nimmt sie in den Arm, küsst ihre beiden Wangen. Nicht wie das falsche Küsschen-Getue zwischen unechten Freundinnen, sondern eng, beherzt und mit liebem Lächeln.

„Und Du, unsere Corinna Police, take good care of yourself, pass gut auf dich auf. Du wirst noch gebraucht.“

Corinna errötet überrascht und erfreut, findet schließlich ein verlegenes „Ja, danke, mache ich,“ und steigt eilig ein.

*

Endlich alle im Auto. Weg von hier.

„Samira, Janina, beste Grüße von Corinna Hauptkommissarin. Danke noch mal, dass ihr so geduldig wart. Es ging leider nicht ....“

„Hört zu, ihr zwei,“ fällt Mona mir aufgekratzt ins Wort, „wir vergessen ganz schnell, was passiert ist. Heute feiern wir. Was haltet ihr davon: Statt heimzufahren darf sich jede von euch Gören eine Musik-CD wünschen. Anschließend gehen wir in ein Café und futtern ordentlich Sahnetorte.“

„Oh super, wir Gören,“ quietscht Janina. „Dann will ich die neue von ,Imagine Dragons’; die finde ich supergeil.“

„Ich hätte gern die von Shakira,“ bekennt Samira. „Ich meine, wenn ich auch darf.“

„Klar darfst Du,“ bestätigt Mona.

„Öh, Shakira. Obwohl die schon ihr zweites Kind hat?,“ stichelt Janina dagegen.

Samira: „Ist doch egal. Trotzdem sieht sie voll süß aus. Und singt toll.“

Janina: „Klar, mit hellblonden Haaren. Passt zu dir.“

Samira: „Total der Neid. Besser als dein braunes Kopfgemüse.“

Darauf Janina überlegen: „Hör mal, wusstest Du das? In Natur ist Shakira auch braun. Wie ich.“

„Echt?“

Der falsche Tote

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