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Unerwartet erscheint Janina neben uns, legt ihren Arm um meine Hüfte, schmiegt sich kurz an mich.

„Mann, Robert, das war krass. Ich hab total die Angst gehabt eben. Voll die Panik. Aber jetzt ist Ruhe, keine Gefahr mehr, oder? Ich hoffe, Mona, Du auch, ihr seid mir nicht böse, bitte.“

„Nein, Schatz, wieso denn?“

„Weil ich ...“

Sie hält uns ihr Mobiltelefon mit erleuchtetem Tastenfeld entgegen.

„Hier, ich hab die Nummer gedrückt, die Du mir eingestellt hast, von deiner Mammi. Eben, wie das Großmaul wieder hochkam mit dem Schlagring ... bevor Robert ihm in die Fresse gehauen hat. ... Plötzlich hatte ich ... ich hatte solche Angst ... am meisten um dich, Mona. Ich dachte, Frau Sandner muss unbedingt kommen, muss uns helfen. Ich habe ihr gesagt, was hier abgeht. Sie sagt, sie fährt sofort los. Bestimmt ist sie das, hörst Du?!“

Wunderbar.

Der Klang einer Polizeihupe bewegt sich auf der Straße neben dem Parkhaus entlang, wird kurzzeitig leiser, plärrt einige Sekunden später aufwärts über die Zufahrtsrampe des Parkhauses näher.

Statt einfach zur Seite zu lenken, tritt ein älterer Mann, der sehr türkisch aussieht, in einem älteren Ford Mondeo, der ebenfalls irgendwie türkisch aussieht, neben unserer Parkgasse erschrocken auf die Bremse. Er scheint sich hinter dem Lenkrad zu ducken, obwohl das Polizeisignal verstummt ist. Gas gibt er erst, als ich ihn wegwinke.

Dicht dahinter biegt Corinna in ihrer hellgrau-metallicfarbenen BMW-3-Dienstlimousine mit beweglichem Blaulicht über der Fahrerseite in unsere Reihe ein, stoppt hart, schaltet Blaulicht, Warnblinkleuchten und Scheinwerfer aus.

„Oh great,“ meint Mahina knapp, schlendert zwischen den Harleys durch und schiebt mir die beschlagnahmten Geldscheine in die Jackentasche. Die beiden Mädchen halten sich weiter in der Nähe meines Wagens auf..

Zunächst steht der Polizei-BMW nur da.

Alles Wesentliche hat Frau Hauptkommissarin wahrscheinlich bereits gesehen. Auch ohne Erklärungen springt der Unterschied ins Auge; die lädierten Rocker am Boden, wir dagegen anscheinend wohlbehalten rumstehend. Corinna bleibt im Wagen sitzen, hält die Sprechmuschel ihres Funkgeräts vor den Mund, vermutlich um ihren Standort mitzuteilen und weitere Kräfte anzufordern.

Beim Aussteigen lässt sie sich Zeit, drückt die Wagentür bedächtig zu, betrachtet ungerührt von dort aus die drei vorderen Rocker. Der Blonde hat sich wieder berappelt, steht in der Mitte der Gasse ein paar Schritte vor seinem Motorrad, fährt sich mit beiden Händen durch die Haarpracht, reckt der Kinn der ankommenden Gesetzeshüterin entgegen.

Patente graubraune Kurzhaarfrisur, mittelblaue Jeans, weinrotes, loses Polohemd, darüber offen ein leichtes, grün-blau-rot kariertes Jackett. Ich weiß schon, warum ich mich unverhofft in die Frau Polizei verliebt habe. Voriges Jahr im Sommer bei unserer ersten Begegnung.

Corinna geht ohne Eile um den Motorraum ihres BMW herum, legt – wohl mehr aus Gewohnheit – die rechte Hand auf den Griff ihrer Walther P 99 an der Hüfte, sieht uns drei an, schüttelt den Kopf.

„Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht?“

Typisch; als Auftakt wage Vorhaltungen mit missbilligendem Unterton gehören zu ihrer Berufsnatur. Mona und ich sind längst dagegen immun; bestätigen uns gegenseitig mit knappen Schulterzucken: Die Dame ist etwas angesäuert.

„Ausgehen ohne eigene Kanone? Mona, Du auch? Und ich dachte, ich hätte euch beigebracht, wie segensreich die Dinger sein können? Ihr hättet euch und mir eine Menge Arbeit ersparen können. Geschieht euch recht, wenn ihr jetzt was abbekommen habt.“

Alles klar.

Wenn auch beim ersten Eindruck nicht offen sichtbar; was Mammi sieht, versetzt sie in Party-Laune. Janina traut wohl ihren Ohren nicht, strahlt dann aber über das ganze jugendliche Gesicht. Sie mag Corinna, findet ihren Beruf supercool.

„Fuck, Mann,“ stöhnt der Typ mit der Stoppelfrisur, „Alles Bullen.“

„Scheiße, kein Wunder, dass es hier so stinkt,“ bestätigt der mit der blutverschmierten Nase. Dass Polizisten Angriffe auf ihresgleichen besonders übel nehmen – was kümmert es diese Typen. Mehr als Gesetze hasst ein anständiger Rocker die, welche dafür eintreten.

Der blonde Steh-auf-Mann will seiner Rolle als Vorturner gerecht werden. Dumm nur; seine Unterlippe ist links geschwollen und ihm fehlen zwei Zähne. Wohl erschrocken vom zischenden Blöken, das seinem Mund entweicht, unterbricht er sich, als er loslegt.

„Öööj, ... halt mal! ... Wir wurden überfallen! Ohne jede Vorwarnung! Wir sind die Geschädigten. Wir brauchen Hilfe.“

„Noch mehr?! Kannst Du haben,“ befindet Mona, tut einige flinke Schritte nach vorn, tritt dem Rocker mit voller Wucht in die Hodengegend.

„Nebenbei, schönen Gruß von den schwarzen Pinguinen!“

„Mona, es reicht,“ mahnt die Frau Hauptkommissarin.

„Der Scheißkerl hat mir mit Vergewaltigung gedroht,“ gibt die mit beiläufig gekräuselten Mundwinkeln zurück.

„Na gut, in dem Fall geht das in Ordnung,“ befindet ihre Mutter.

Da ist der Blonde bereits zusammengeklappt wie ein alter Sonnenstuhl. Er stöhnt mit unterdrücktem Fluchen in seine Bauchgegend hinein, wippt mehrmals auf der Stelle, die Haarsträhnen wie ein Vorhang vor dem Gesicht. Als er den hochroten Kopf anhebt und sich wieder aufrichtet, das Gesicht eine von Schmerz und Wut verzerrte Fratze, hustet er:

„Du dreckige Stinkfotze! Das war schwere Körperverletzung. Vor jeder Mengen Zeugen.“

Worauf Corinna mit spitzen Lippen erwidert:

„Und das war schwere Beleidigung, Du Arschkopf. Deutliches Zeichen von Hirnlosigkeit. Müsste dir eigentlich eine Ehre sein, von einer so schönen Frau gefühlvoll an deine Männlichkeit erinnert zu werden. Vor jeder Menge Zeugen. Soll ich mal nachschauen, ob dein Kümmerling noch dran ist?“

„Walli, halt deine blöde Fresse,“ röchelt der Schwarzhaarige mit dem gebrochenen Arm. „Hilfe, Polizei, ich krieg keine Luft, mein Arm ist im Arsch. Ich brauche einen Arzt, sonst verblute ich.“

Corinna geht, mehr zur Schau als aus Notwendigkeit die Hand erneut an der Dienstpistole, entlang der parkenden Autos im Bogen um die Rockerbrüder zu dem Schwerverletzten, beugt sich vor, die linke Hand auf ihr Knie gestützt.

„Lass mal sehen, Super-Sensibelchen?! Wie geht es uns denn? Haben wir heute unseren wehleidigen Tag? Ist das eine Stichwunde in deinem Bein? Tja, wenn man mit Messern nicht umgehen kann. Keine Sorge, der Leichenwagen ist unterwegs.“

An anderen Tatorten hält sich Corinna mit Bekundungen von Anteilnahme deutlich mehr zurück. Habe ich selbst erlebt.

Entlang der Schnellstraße schräg unter uns bestätigt das anschwellende und verstummende Einsatzsignal die Ankunft eines Rettungswagens. Dennoch dauert es mehrere Minuten, bis zwei Rettungshelfer zuerst hörbar, dann sichtbar werden. Mit eiligen Schritten schieben sie eine gelbe Stryker-Trage auf hohen, schräg ausgeklappten Rollbeinen über die lange Parkhaus-Fahrbahn mit zwei flachen Zwischenschanzen heran. Das Gebäude erlaubt nur eine Durchfahrtshöhe von zwei Metern; der Rettungswagen mit seinem hohen Kastenaufbau musste unten neben der schrägen Auffahrtsrampe stehen bleiben.

Den beiden Rettungshelfern folgt blaulichtblitzend ein silbern und blau lackierter Opel Insignia der Polizeidienstelle Eschborn. Das Einkaufszentrum liegt zwar in der Gemarkung Sulzbach, für die sie zuständig ist. Verwaltungsmäßig sowie mit Wasserver- und Entsorgung sowie Telefon wurde das MTZ aber an die Stadt Frankfurt angeschlossen.

Nach kurzem Hin und Her einigt Corinna sich mit den Eschborner Kollegen über die Zuständigkeiten. Die beiden Beamten sperren unsere Parkgasse ab, halten freundlich eine junge Frau zurück, die genervt hin- und herläuft, weil sie zu einem ungeheuer wichtigen Termin muss, ihr Wagen blöderweise hinter der roten Harley-Davidson parkt.

Wenn schon Sicherungs- und Rettungseinsatz, dann richtig.

Der zweite der dunkelblau Uniformierten winkt einen weißroten BMW X-5 mit der Aufschrift „Notarzt“ heran. Ein Weißkittel um die fünfunddreißig, der für mich indisch aussieht, steigt aus, läuft um seinem Wagen herum, hebt einen Arztkoffer aus dem steilen Kofferraum und eilt zu den beiden Rettungshelfern. Die schneiden gerade dem schwarzhaarigen Rocker das Oberhemd und die Jeans vom Leib.

Was mit einer derben Pöbelei begonnen hat, entfaltet sich unversehens zum Schauplatz eines ansehnlichen Tatort-Zirkus.

Sogar ein paar Neugierige stehen hinter dem Absperrband.

Der falsche Tote

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