Читать книгу Der falsche Tote - Günter Billy Hollenbach - Страница 15
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ОглавлениеSo sehr ich die beiden Quälgeister mag; heute bin ich froh, als Janina und Samira gegen halbsieben nachhause radeln. Mona deckt in der Küche für das Abendessen. Ich hocke im Arbeitszimmer vor meinem Textcomputer, lege einen neuen Ordner an und tippe stichwortartig, was mir an der Begegnung mit den Rockern wichtig ist. Mahina betätigt sich hörbar nebenan in Monas Zimmer; erst auf der Dojo-Matte, dann am Boxsack. Nach einer Weile steckt sie den Kopf in meine Tür.
„Hey, Bear, come over for dinner. Abendessen. Und sei lieb zu Mona. Heute Nacht.“
„Du meinst, ich darf ...?“
„Du weißt doch, Frauen-Power.“
Um die Mahlzeiten herum ist die Küche unser Hauptaufenthaltsraum. Sie ist geräumig, und wir finden es praktisch. Mahina verteilt Rührei und geschmorte Pilze auf die Teller. Mona reicht die Salatschüssel weiter.
„Tut mir den Gefallen,“ weist sie uns an, „kein Wort mehr zu der Rocker-Bande.“
Und verstößt sogleich gegen die Vorgabe.
„Ich bleibe dabei, ich habe nicht den Funken einer Idee, was ich damit zu tun haben soll. Ob wir den Vorfall als ernste Bedrohung werten, entscheiden wir frühestens morgen Abend, okay?“
Mahina setzt sich, wir nicken uns verständnisinnig zu, gabeln und kauen, nippen zwischendurch Tee.
„Mahina, wann bringst Du mir Fahren mit der Harley bei?,“ frage ich. Mona bricht in lautes Lachen aus, legt die Gabel neben ihren Teller.
„Wenn es dem Esel zu gut geht, rennt er auf ’s Eis tanzen.“
„What is Esel?“
Kleine Lücke in Mahinas Wortschatz.
„Jackass, the animal,“ helfe ich aus.
„Oh, nice. Ein Jackass auf Eisschuhe.”
Mahina betrachtet einen Pilz und befindet, bevor sie zubeißt:
„Bear, Du hast Angst vor die Maschine. Erst wenn Du die weglegst, darfst Du fahren.“
„Na hör mal, schließlich wiegt die Harley etliche Zentner und kostet gut fünfzehntausend Euro. Und dir liegt sie besonders am Herzen.“
Mona kaut stets gut und hörbar, spricht dabei gern.
„Verstehe ich nicht. Mahina ist schlanker und hat wahrscheinlich weniger Muskelkraft als Du; oder, was meinst Du, Mai? Und trotzdem hältst Du die Harley locker zwischen beiden Beinen. Hat bestimmt mit deiner inneren Einstellung zu tun, Berkamp. Wenn Du davor zurückschreckst.“
„Vielleicht hat es auch mit Übung zu tun?,“ wage ich als Einspruch.
Mona, nachsichtig:
„Das auch. Ist ganz gut so.“
„Ah ja? Wieso?“
„Wenn Du mit dem Ding hinkrachst. Du kannst dir alles Mögliche brechen. Wäre ich, ehrlich gesagt, entschieden dagegen. Wehe, Du widersprichst mir, Mai.“
„Maybe tomorrow morning. Ganz einfache Sache, Bear. Wenn Du das Motorrad liebst, liebt dich das Motorrad. Und macht keinen Unfall.“
„Dann bleibe ich bei meiner Liebe zu euch, das ist mir sicherer.“
Worauf Mahina – ungewöhnlich für ihr stets sparsames Mienenspiel – ein wenig, also ziemlich mächtig grinst.
*
Seit der neuen, schwungvoll schwarzblauen Bühne für die „Tagesschau“ sind Mona und Mahina süchtig nach der Nachrichtensendung. Ich vergnüge mich derweil mit Wegräumen des Geschirrs und Blankwischen des Herds, gehe zurück ins Arbeitszimmer, vervollständige meine Aufzeichnungen zu dem Rendezvous im Main-Taunus-Zentrum. Überschrift: Fragen, die weiterverfolgt werden sollten.
Kurz nach neun betritt Mona das Zimmer, stützt sich von hinten auf meine Schultern, pustet mir ins linke Ohr.
„Ach nein, immer noch Rocker-Kram?! Komm, hör auf damit. Liebesnacht ist angesagt, Bear.“
„Und wenn ich ,Nein’ sage?“
Die Andeutung hinhaltenden Widerstands gibt dem Spiel zusätzlichen Reiz. „Ehrlich gesagt, letzte Nacht allein in deinem Zimmer ... ich hab selig geschlafen und toll von schönen Frauen geträumt.“
„Pah, rede Du nur von Träumen. Lässt mich kalt. Wir Mädchen brauchen gelegentlich Zeit für uns. Klar, Mausekater?“
„Klar, Mona-Herz. Ab ins Bad.“
Mahina geht ihrer drittliebsten Beschäftigung nach.
An erste Stelle steht ihr Kampfsport.
Sie liegt bereits im dunkelroten Schlaftrikot bäuchlings auf dem Bett in Monas bisherigem Zimmer, am Boden ein kleiner Stapel Bücher. An einem Abend liest Mahina locker drei Bücher und behauptet, alles Wichtige vom Inhalt verstanden zu haben. Ich setze mich zu ihr, küsse ihren Nacken, streichele mit sanften Griffen der linken Hand entlang ihrer Wirbelsäule bis zum Po hinab. Sie riecht frisch geduscht.
„Danke dir für heute Mittag, Mond-Königin. Ich war echt froh, dass Du da warst und hart zugeschlagen hast.“
Sie rollt sich auf den Rücken, streckt ihre Arme nach oben, hält mich an den Schultern auf Abstand.
„You too. So, forget it, my Man.”
Diese ruhigen, dunkelbraunen Augen, die mich immer in sie hineinzuziehen scheinen. Mahina entspannt die Arme, ich sinke langsam näher über ihr Gesicht.
„Anything you want to tell me?“
Wir streicheln unsere Nasen sanft aneinander. Auf Hawaii ist das so gut wie küssen. Und macht ähnlich an, wenn man es etwas länger tut.
„Ja, I love you, Mai.“
„I love you too, Bear. Now, get out, Mona is waiting.”
Ohne Mai leben?
Die zweithärteste Strafe, die ich mir vorstellen kann.
*
Inzwischen eine eingespielte Gewohnheit. Auf die ich mich tagsüber immer wieder freuen kann.
Vorhänge zugezogen, sanftes Licht von der Wandleuchte auf meiner Bettseite. Mona sitzt halb liegend gegen zwei Kopfkissen gestützt.
Unsere bevorzugte Ausgangslage für stundenlanges Reden.
In Erinnerungen kramen, Geschichten und Spinnereien austauschen, ernste Dinge bereden, Wünsche und Kümmernisse gestehen, bis uns die Augen zufallen. Ganz ähnlich, wenn Mahina neben mir liegt. Sie leidet ebenfalls an – bevorzugt abends auftretender – Redelust. Wenn nicht andere Regungen stärker werden. Dumm nur, bei ihrer Ausdauer schlafe ich oft vor ihr ein. Zumindest, wenn wir reden. Obwohl ihre Geschichten und Spinnereien fast immer verrückter sind als meine.
Himmel, sieht die Frau zauberhaft aus.
Mona trägt nur den dunkelblauen Spitzen-BH mit passendem Slip. Vor Monaten gekauft, zum Zweck ihrer Selbstermutigung und meiner Verführung. Egal, was sie anhat oder nicht; ich sehe sie unbeschreiblich gern. In diesem BH vielleicht eine Spur gerner.
„Ich schätze, ich ziehe mein T-Shirt freiwillig aus,“ befinde ich, tapse um das breite Bett herum.
„Und den Rest gleich mit,“ entscheidet Mona, wirft das obere meiner beiden Kopfkissen zur Seite.
Klarer Hinweis; Reden ist heute weniger vordringlich.
Zwei Minuten später liegt sie lang ausgestreckt auf mir. Ihr formschön gepolstertes Gewicht, ihre Wärme, ihr Gesicht, die grünen Augen dicht vor meinen – das macht mich jedes Mal fertig. Dann bin ich kurz davor loszuheulen; vor Glücksgefühlen, im Herzen und weiter abwärts.
„Wir lassen uns Zeit heute, Bear, mein Fels.“
„Bis in alle Ewigkeit. Dein Gesicht ... ist ... so was von ... aufregend.“
Ich habe längst einen trockenen Hals.
„Pscht, mein Mann, ich weiß. Das muss so sein. Damit Du nicht abhebst vor Eitelkeit; dein Gesicht mag ich überhaupt nicht..“ Funkeln in den Augen. „Dafür den ganzen Kerl um so lieber.“
Mit zehn Fingern ihre Wirbelsäule entlang trippeln. Spätestes an den beiden Grübchen oberhalb des Beckens zuckt ihr Rückgrad ungewollt ein wenig zusammen. Anschließend entspannt sie sich noch mehr, liegt dichter auf mir. Und ich denke: Mona, mein Wunder.
Sie beginnt, leise vor sich hinzuschnurren, wiegt sich in kleinen Bewegungen hin und her, meine Hände auf ihren warmen Pobacken.
„Magst Du die Dame entblättern?“ flüstert sie.
Ihren BH-Verschluss mit einer Hand zu öffnen habe ich längst drauf. Mit der anderen schiebe ich den Saum des Slips abwärts. Mona richtet sich kurz auf, entledigt sich der beiden Unterteile. Kurzer Schwung der gespreizten Knie. Und sie sitzt mit geschlossenen Augen und zartem Lächeln auf mir, führt ohne hinzusehen meinen Pimmel zwischen ihre Schamlippen, senkt sich in kleinen Schüben auf mich, bald heftig atmend. Ein Eintauchen, bei dem in mir jedes Mal das Wort Liebeszauber ertönt. Mit knapper Hüftdrehung erst links, dann rechts, streckt Mona die Beine aus, senkt sich wieder langgestreckt auf mich.
Sonst beginnt sie wenig später eine sanfte Wippbewegung mit dem Becken. Dieses Mal bleibt sie ruhig liegen, schiebt ihre Nasenspitze zwischen meine Lippen, lächelt verspielt, streicht ihre Lippen in zarten Küsschen von links nach rechts und zurück zur Mitte über meine.
„Fühlst Du, wie tief Du in mir bist?,“ flüstert sie kaum hörbar.
„Noch mehr, wenn Du mich so fragst.“
„Wir beide gehören zusammen, das ist dir klar?!“
„Ja, Mona-Sonnenschein. Wir zwei ... gehören zusammen.“
„Egal, was kommt?!“
„Mona!“
„Ich bin schwanger.“