Читать книгу Hauptkommissar Theobald Weinzäpfli und die vergifteten Weggen von Meggen - Günter Struchen - Страница 16

Kapitel 12

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Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen ging Isidor Zgraggen im hohen Gras auf und ab. Nach vier, fünf Gängen stoppte er abrupt und sagte zu Weinzäpfli: «Selbst wenn Sie recht haben mit Ihrer Vermutung, haben wir derzeit ein weitaus grösseres Problem, und zwar die Frage, wer von uns sich mit dieser, wie Sie sie nennen, Geschichte zu befassen hat.»

Als er das Wort «Geschichte» aussprach, zeichnete er mit den Fingern Gänsefüsschen in die Luft und schielte hilfesuchend zu seinen Berufskollegen. Die wesentlich älteren Kriminalpolizisten aus Luzern und Schwyz pflichteten ihm nur halbherzig bei und diese Halbherzigkeit manifestierte sich in der Form gequälter Mienen. Falls sich tatsächlich ein Mord ereignet hatte, wie Weinzäpfli behauptete, dann war auch die Ausgangslage nicht mehr dieselbe. Ein Mord tangierte unmittelbar das Berufsethos eines Kriminalpolizisten. Man schuldete es den Hinterbliebenen, der Gesellschaft, dem System und nicht zuletzt der Wahrheit an sich, dass man sich mit aller Energie an die gewissenhafte Aufklärung von Morden machte, Zuständigkeit hin oder her.

«Übernehmt nur, ich habe nichts dagegen», murrte Zgraggen wegen der ausbleibenden Unterstützung pikiert und machte einen Lätsch.

Es war das zweite Mal in kurzer Zeit, dass sich unerwartet der Orientierungsläufer zu Wort meldete: «Wenn es nur darum geht, fair zu entscheiden, wer von Ihnen den Fall übernimmt, dann hätte ich allenfalls einen Vorschlag …» Er versenkte seine Hände tief in den Niederungen seiner Hosentaschen und fuhr fort: «Sie könnten das Problem der Zuständigkeit auf jene Art und Weise lösen, wie man derartige Probleme schon auf dem Pausenplatz gelöst hat.»

Keiner wusste, was Markus, der OL-Läufer, meinte.

«Und die wäre?», fragte Weinzäpfli gespannt nach.

«Sie spielen ein Si-Sa-Sugg und wessen Fuss alleine übrig bleibt, der … nun ja, übernimmt den Fall», antwortete er lapidar.

Die Herren blieben stumm. Der Vorschlag lag jenseits dessen, was sie jemals aus dem Mund eines Mündigen erwartet hätten. Und doch fehlte ihnen auch ein triftiges Argument, mit dem sie den Vorschlag erfolgreich hätten zurückweisen können. Der OL-Läufer blickte erwartend von Gesicht zu Gesicht. Am Ende der Reihe angelangt, begann er wieder von vorne, wie die Walze einer Schreibmaschine, was spätestens nach dem dritten Durchgang bescheuerte Dimensionen annahm.

Unten auf der Landstrasse fuhr ein Landwirt auf seinem Traktor der Marke Bührer von Meierskappel in Richtung Küssnacht. Als der Bauer die Herren oben auf der Wiese erblickte, schaute er neugierig hoch, schaltete den Motor aus, fertigte mit seinen Händen eine Art Trichter und schrie: «Gibt es ein Problem, Hauptmann?»

Offenbar hatte er den Chef der Schwyzer Kriminalpolizei wiedererkannt.

«Kann man so sagen, verständigen Sie doch bitte den Knüsel Ambrosius und schicken Sie ihn zu mir!», schrie Hauptmann von Rotz zurück. Der Bauer schien zu verstehen, was das bedeutete. Schleunigst zündete er den Motor, das Rattern setzte wieder ein und der Traktor fuhr davon. Schneller, als es seine Erbauer wohl für ihn vorgesehen hatten, denn das Gefährt ruckte ab und zu heftig, sodass der Landwirt mehrmals beinahe aus der Fahrerkabine des Traktors geschleudert wurde.

«Tja, ich habe auch schon Dümmeres gemacht», meinte von Rotz, als das Rattern des Traktormotors verklungen war, und machte den Anfang. Er positionierte seinen rechten Fuss im unsichtbaren Zentrum des Kreises, den sie bildeten. Die beiden anderen machten es ihm nach.

«Helfen Sie mit, Herr Hauptkommissar?», fragte von Rotz an Weinzäpfli gewandt. Dieser zuckte die Achseln.

«Wenn Sie das wünschen … Den Fall wird man mir, dem Fremden, von offizieller Seite aber wohl kaum zusprechen.»

Alois von Rotz winkte ab.

«Mag sein, aber mit Ihnen fällt die Wahrscheinlichkeit, erkoren zu werden, von einem Drittel auf einen Viertel und das ist beruhigend.»

Weinzäpfli lächelte und platzierte seinen Fuss bei den drei anderen. Nach einer Runde war das Spiel zu Ende, denn alle zogen sie den Fuss weg, nur Weinzäpfli verpasste den Moment. Doch das Resultat des Si-Sa-Sugg war nicht das Bedeutendste, das sich in diesem Augenblick im Westen des Chiemenwaldes, im Grenzgebiet der Kantone Zug, Schwyz und Luzern, zutrug. Viel wesentlicher war, dass sich vier Kriminalbeamte aus vier Kantonen auf eine gemeinsame Mission verschworen, auch wenn sie selbst es noch nicht verstanden. So alleine sich Weinzäpflis Fuss im Gras befand, die Puzzleteilchen hatten zueinandergefunden und ergaben ein Bild. Noch fehlte jedoch das letzte Teil. Der Gemeinschaft fehlte ihr letzter Deuter.

Hauptkommissar Theobald Weinzäpfli und die vergifteten Weggen von Meggen

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