Читать книгу Das Übernatürliche - Gregor Bauer - Страница 9

Um welchen Konflikt geht es?

Оглавление

Auf der einen Seite stehen alle, die an die Existenz einer Seele glauben, die nach dem Tod weiterlebt, sei es mit oder ohne Wiedergeburt. Dieser Glaube geht fast immer einher mit weiteren Überzeugungen:

•dass der Mensch einen freien Willen hat, sich also für oder gegen das Böse entscheiden kann,

•dass die Welt und das Leben einen Sinn haben, den wir nicht willkürlich selbst setzen können,

•dass es jenseitige Wesen gibt, wie Gott oder Engel.

Einige dieser Menschen hängen einer Religion an, andere bezeichnen sich als spirituell, jedoch religiös ungebunden. Einige glauben als Monotheisten an einen persönlichen Gott, andere haben von der transzendenten Dimension andere Vorstellungen. Ich werde all diese Menschen gelegentlich als „Gläubige“ bezeichnen, obwohl genau genommen auch Atheisten „Gläubige“ sind: Auch Atheisten glauben etwas, nur eben etwas anderes. Mit „spirituell“ bezeichne ich Menschen, die an etwas Übernatürliches glauben, ob sie sich nun einer bestimmten Religion verpflichtet fühlen oder nicht. „Spirituell“ klingt also offener als „religiös“ und schmeckt mehr nach Freiheit, doch schließen die beiden Begriffe einander nicht aus.

Auch Atheisten nennen sich selbst gelegentlich „spirituell“. Aber wenn ich diesen Begriff in diesem Buch verwende, dann meine ich Menschen, die an etwas Übernatürliches glauben. Statt „das Übernatürliche“ könnte ich auch sagen „das Transzendente“ oder „das Transzendentale“: Diese Begriffe haben in diesem Buch dieselbe Bedeutung.

Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die alle religiösen und vergleichbaren spirituellen Vorstellungen ablehnen. Sie vertreten stattdessen ein Weltbild, in dem die Physik restlos alles erklärt. Gegen die erste Partei halten fast alle von ihnen fest:

•Es gibt keine Seele. Das Bewusstsein ist vielmehr vollständig durch hirnphysiologische Prozesse erklärbar. Ein Leben nach dem Tod ist deshalb ausgeschlossen.

•Der Mensch hat die Aufgabe und die Chance, den Sinn seines Lebens selbst zu setzen.

•Es mag Wesen auf anderen Planeten geben, aber jenseitige Wesen und eine transzendentale Dimension gibt es nicht.

Für diese Partei ist die Bezeichnung „Atheistinnen“ gebräuchlich. Deshalb werde ich sie auch so nennen, obwohl das etwas ungenau ist. Denn es gibt sehr wohl Menschen, die zwar an etwas Übernatürliches glauben, nicht jedoch an einen Gott. Sie gehören zur ersten Gruppe der religiös oder spirituell Orientierten. Deshalb verwende ich statt „Atheisten“ auch den präziseren Ausdruck „Naturalisten“. Naturalistinnen und Naturalisten sind überzeugt, dass alles Teil der physischen Natur ist, auch der Geist oder das Bewusstsein.

Der Konflikt zwischen diesen beiden Weltbildern treibt mich um. Ich werde ihn darstellen, umfassend, themenübergreifend und aus wechselnden Perspektiven.

Die Zuspitzung auf den Gegensatz zwischen Naturalismus und Transzendentalismus ist nicht unproblematisch. So gibt es sehr wohl auch Naturalistinnen und Naturalisten, die sich als spirituell bezeichnen. Es gibt Atheistinnen und Atheisten, die an übernatürliche Phänomene glauben, besonders in China, wo im 17. und 18. Jahrhundert unsensible Kirchenmänner den Gottesbegriff in Misskredit brachten. Und es gibt die Unentschiedenen, die „Agnostiker“, die den Konflikt für unlösbar halten.

Umso mehr werde ich darauf achten, dass die Zwischentöne nicht verloren gehen. Beispielsweise werde ich den katholischen Theologen Hans Küng (*1928) vorstellen, der den Naturwissenschaften so weit entgegen kommt, dass sich manche Gläubige fragen mögen: Was ist an diesem Weltbild eigentlich noch religiös? Und es wird von Nobelpreisträgern die Rede sein, die über die Wunder der Quantenwelt neue Verbindungen zur Religion herstellen.

Wie gehe ich nun das Thema an? Beginnen wir mit der Frage nach Gott.

Das Übernatürliche

Подняться наверх