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„Die Bauern von Acharnaí“

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Im Jahr 425 aufgeführt, spiegelt das Stück7 die Empfindungen besonders der Bewohner des eingemeindeten Städtchens Acharnaí im Norden Athens. Es hatte im Sommer 432 die wüste Vernichtungswut des spartanischen Landheeres zu spüren bekommen, das sich dort festgesetzt und Äcker und Wingerte zerstört hatte. Da tritt zu Beginn des Spiels der Weinbauer Dikaiopolis auf und klagt in der Pnyx, dem Ort der Versammlung aller athenischen freibürtigen Männer, zunächst über schlechte Tragödien, dann aber darüber, dass in der Stadt so wenig Interesse an der Politik herrsche. Endlich füllt sich der Platz und die Debatte beginnt. Der Bauer ist entschlossen, immer dann dazwischen zu rufen, wenn man sich nicht mit dem Frieden befasst (38f.). Die Verhandlung fördert allerhand Betrügereien von Gesandten an den Perserkönig zutage, Dikaiopolis protestiert (56ff.), und da es wieder nichts ist mit dem Frieden zwischen Sparta und Athen, entsendet er selber (130 ff.) einen Botschafter nach Sparta, um einen Privatfrieden abzuschließen. Er bekommt gar einen dreißigjährigen, und das erweckt den Neid der dort ansässigen, kriegslüsternen (225ff.) Kohlenbrenner. Der alte Weinbauer aber feiert ein ländliches Dionysos-Fest inmitten der Familie (241ff.), muss sich dann aber, von den Köhlern mit dem Tode bedroht, jämmerlich rechtfertigen, borgt sich dafür, um ja recht armselig auszusehen, von Euripides die Fetzen, mit denen dessen bejammernswerter König Telephos auf die Bühne gekommen war (404ff.)7a, und klagt nun die athenische Bündnerpolitik an, die für alles Elend verantwortlich sei. Er tut das natürlich als Komödienfigur mit Komödienbegründungen (v. 499f. sagt er das selbst);8 so habe der gegenseitige Raub von ein paar schicken Hürchen die Handelsblockade Megaras ausgelöst (524ff.).

Einige der aufgebrachten Köhler beginnen zu schwanken, andere aber rufen empört den waffenklirrenden Athenergeneral Lamachos zu Hilfe (572 ff.), doch den verhöhnt Dikaiopolis ob seiner Kriegsdrohung gegen alle Peloponnesier (620) und verkündet im Gegensatz zu ihm allen Peloponnesiern, Megarern und Böotern Frieden (623). Mit lobenden Worten über den Mut des Verfassers dieser Komödie, offen die Wahrheit zu sagen, zieht dann der Chor aus alten Bauern über die Bühne und klagt dabei, umsonst bei Marathon gesiegt zu haben, wenn die Stadt ihnen nun nichts biete als Streit und Prozesse. Der Chor zieht ab, auf die Bühne kommt ein verarmter Megarer, der in einem Sack zwei Ferkel verkaufen möchte, und es sind dies seine Töchterlein, denen er das Grunzen beigebracht (729 – 817)! Ein Denunziant wird abgefertigt, und dann kommt ein Thebaner (eigentlich also ein „Feind“), um Handel zu treiben, und Dikaiopolis lässt es mit Einverständnis des hier mithandelnden Chors zu, trotz allem Gekeife eines Denunzianten über den Blockadebruch. Den aber gibt Dikaiopolis dem Thebaner wohlverpackt mit heim, denn diese Spezies gibt es in Theben nicht (904 – 958). All denen, die mit gutem Grunde ihn um etwas Frieden bitten, spendet er ihn in Form von Wein, nur der kriegswütige Lamachos wird übel verspottet, als er, der sich doch so kriegslüstern gab, nun ebenfalls etwas von der verbotenen Ware haben will (959ff.). Er muss ohne das abziehen, und als er dann, lendenlahm gekämpft, heim gehinkt kommt (1190), wird er verlacht. Dikaiopolis aber zieht ins Haus, zwei süße Mädchen führt er an der Hand und lässt sie genüsslich seinen gewaltigen Phallos hochhalten. Mit „Jucheh“ zieht man von dannen.

Was geschieht da auf der Bühne? Ist Dikaiopolis ein Mensch, ein Athener, wie man ihn täglich sah, oder ist er ein „Starker Hans“ aus Utopia, dem Dinge möglich sind, die andere nicht können? Nun, er beginnt als einer der vielen arg gebeutelten Bauern von Acharnaí, enttäuscht von der verlogenen Politik der athenischen Machthaber. Aber dann verwandelt er sich in einen Überstarken, der von sich aus Frieden schließen kann. Auch der Chor verwandelt sich aus neidischen, wütenden Köhlern zu klagenden Marathon-Veteranen, aus zunächst blind Regierungstreuen zu Männern, die dem Tun des Dikaiopolis zustimmen und am Ende gar mitfeiern möchten (1044 ff.). Der Winzer wird überwirklich kraftvoll, wenn er für sein eigenes Glück sorgt und jubelnd sogar den General verlacht. Doch solcher Jubel erhebt sich überall vom Boden bitterer Not, überspielt die harte Wirklichkeit, die hier fabulierend für kurze Zeit außer Kraft gesetzt wird. Nur der Chor klagt, und er klagt bitter. Der Zuschauer geht am Ende erheitert aus dem Theaterraum, es könnte so sein, wie er es eben gesehen, schön wär’s ja, aber draußen ist alles anders. Wie weit ein solch utopisches Spiel mit all seiner Kritik der Politiker auf diese einwirkte, können wir nicht abschätzen. Kleon jedenfalls fühlte sich persönlich verleumdet und ging vor Gericht (Schmid [1959] 184), wurde aber abgewiesen. Des Dichters Klage über die „allzu rasch beschließenden und dann wieder allzu rasch umbeschließenden Athener“ (v. 630 ff.) in der Ratsversammlung allerdings ist ebenso mutig wie bitter. Bitter auch die Klage zu Beginn darüber, dass die Männer es nicht eilig haben, in die Versammlung zu gehen, draußen herumstehen und lässig umhergehen, sich dann hereinkommend nur um die besten Sitze balgen, statt über den Frieden zu reden (17ff.):

„Von Seife hat’s mir noch niemals an den Augen so weh getan wie jetzt, wo ich mit ansehen muss, wie leer die Pnyx hier ist, wo doch eine Hauptversammlung für den Morgen anberaumt ist, aber die einen auf dem Markt herumschwatzen, auf und ab spazierend dem roten Seile aus dem Wege gehen (mit dem man zur Versammlung treibt). Nicht mal die Vorsitzer sind da, und wenn sie dann eintreffen, dann kommen die Leute, schubsen einander wer weiß wie um die vorderen Sitze, aber um den Frieden geht es ihnen nicht in erster Linie. Oh Stadt, oh Stadt! Ich aber komme (von weit her) und setz’ mich immer wieder als der Allererste in den Rat, und bin ich dann mal wieder ganz allein, dann ächz’ ich, gähne, recke mich, furze, langweil’ mich, mal’ was in den Sand, fahr’ mir durchs Haar, überlege was. Dabei schau’ ich in die Ferne, hinaus aufs Land, sehn’ mich nach dem Frieden und finde die Stadt ganz scheußlich, gier’ nach meinem Dorf …“, so könnte man die Verse etwas freier übertragen.

Am Anfang also etwas immer gleich bleibend Menschliches, dann die Utopie. So gut wie alles bleibt dabei im Äußerlichen, noch führt der Dichter nicht unter die Oberfläche, bis auf diese wenigen Verse ganz am Anfang (30 ff.), in denen Dikaiopolis, gelangweilt und einsam im Versammlungsort sitzend, sich nach seinem Lande draußen sehnt: Hier kommt unverstelltes Empfinden zum Vorschein.

Kleine Geschichte der antiken Komödie

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