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„Die Frösche“

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Bei dieser Komödie des Jahres 405 oder 40433 mildert nur weniges den Eindruck eines scharf zweigespaltenen Stückes. Immerhin bleibt die Hauptfigur, der zumeist etwas läppische, doch autoritär befehlende, dickliche Theatergott Dionysos auch im zweiten Teil sich gleich. Zweigeteilt ist das Spiel insofern, als im ersten Teil der Gott, mittels Löwenfell und Keule als Herakles drapiert, samt seinem Diener sich auf die Reise in die Unterwelt macht, um einen „rechten“ Tragöden (71) aus dem Hades wieder ans Licht zu bringen, nachdem die Bühne keine Kraftgestalten mehr kennt (407 / 06 stirbt Euripides, rund 50 Jahre nach Aeschylus). Die Reise wird des Längeren in mehreren lustigen Episoden beschrieben. Dann aber, bei Pluton im Hades angelangt, beginnt der zweite, ganz anders geartete Teil: die Auswahl des besten Tragöden. Aber bleiben wir einstweilen bei der Reise.

Die Route wird von Herakles erfragt (109ff.), der ja schon einmal drunten war (136). Dann beginnt die Fahrt. Sehr erheiternd ist nun, wie der Gott, als es richtig gefährlich wird angesichts all der Hadesungeheuer, den Diener bittet, die Kleider zu wechseln und sich für Dionysos auszugeben, sie dann aber zurücktauscht, wenn es angenehm wird. Doch zunächst muss der Gott den Charon-Kahn über den Unterweltsee rudern, wobei die Frösche ihn mit ihrem berühmten „Brekekekex-Koax“ begleiten (209ff.), muss an der fürchterlichen Empusa vorüber, dann mit den Mysten wallen, die ihren Dionysos besingen, ohne zu wissen, wer da mitwallt. Endlich ist man an Plutos Tür (440). Auf das Klopfen hin erscheint dessen Türsteher und beginnt lauthals zu keifen, als er des vermeintlichen Herakles ansichtig wird, der ja seinerzeit den Höllenhund Kerberos gestohlen hatte (467 f.). Nun wechselt der verängstigte Gott mit dem Diener rasch die Kleidung. Aber da kommt eine hübsche Magd voll der besten Erinnerungen an den kräftigen Herakles (503) und lockt den vermeintlichen Liebhaber von damals, und sofort muss der ältliche Diener die Herakles-Kleider wieder herausrücken, muss sie allerdings gleich wieder tauschen, als die Wirtinnen des Unterwelt-Hotels erscheinen und schimpfend unbezahlte Rechnungen präsentieren (549ff.). Als nun der Türsteher mit Schergen kommt, um sich am „Herakles“ zu rächen, und Dionysos in Dienerkleidern leugnet, der Hundedieb zu sein, und der Diener in Herakles-Kleidern abstreitet, je die Unterwelt aufgesucht zu haben, da muss der Türsteher durch eine Prügelprobe herausfinden, welcher der beiden ein Gott ist: Wer schreit, ist es nicht. Eine grob-lustige Folterszene bringt keine Entscheidung, der Herr der Unterwelt soll selber entscheiden (670). Ein Zwischenlied des Chores tritt aus dem Spiel heraus und mahnt die Zuschauer zur Besonnenheit in schwieriger politischer Lage und zum Verzeihen, wenn Männer unter ihnen vordem einmal mit den Oligarchen sympathisiert hatten (687ff.; siehe Anm. 33): Man brauche in der Notlage jeden! Das Lied gefiel, wie gleich gezeigt werden wird, den Zuhörern außerordentlich.

Nach diesem Appell des Chores beginnt die von Anfang an geplante Heimholung des „rechten Dichters“ (71), und zwar so, dass Dionysos den „rechten“ erst einmal auswählen und sich zwischen Euripides und Aeschylus, man könnte sagen: zwischen den Extremen34 entscheiden muss. In dem nun folgenden heiteren Wettstreit, bei dem die Wörter der Dichter dann gar gewogen und gemessen werden sollen (797ff.), geht es um die Kunst, sich von der Alltagssprache zu der höheren der tragischen Bühne aufzuschwingen (841, 937ff., 1058), ferner um die Außerkraftsetzung der alten Götter durch Euripides (891ff.), danach um Spieltechnisches, und da um die seltsamen schweigenden Spielanfänge des Aeschylus (911ff.) und um des Euripides raffinierte Wortkunst (956), die er stolz als Belehrung des Publikums in Sachen Rhetorik versteht (954, 971ff.), wohingegen Aeschylus sich damit brüstet, die Jugend nicht zu solchem Wortverdrehen, sondern zum Kämpfen fähig und bereit gemacht zu haben (1013), und bei alldem spielt Dionysos trotz aller Autorität, mit der er den Wettstreit ordnet, weiterhin die Rolle auch des Spaßmachers (Radermacher [1954] 331), obschon die Thematik zu immer Gewichtigerem hinführt, so besonders zu der Frage, ob der Tragöde Unmoralisches auf die Bühne bringen dürfe, wie Euripides es tue (1053ff.). Der Dichter solle doch vielmehr die Jugend zu Gutem führen (1054),35 nicht aber zu Wortklauberei und respektloser Widerrede wie bei Euripides (1072). Nach solcher Gesinnungsprüfung geht es zurück zum Technischen, und es werden beider Dichter Prologe untersucht, wobei es zunehmend possenhaft zugeht, indem Aeschylus die Gleichförmigkeit euripideischer Prologanfänge dadurch lächerlich macht, dass er zeigt, wie man in so vielen Anfangsversen des Konkurrenten nach dem ersten schweren Einschnitt ein „kam er um den Salbentopf“ anfügen könne, zum Beispiel lade „In Argos landend“ (1208) dazu ein, so ein „kam er um den Salbentopf“ anzukleben.36 Dann aber werden die Chöre des Aeschylus in ganz ähnlicher Weise überprüft. Sie scheinen nun wiederum dem Euripides so schablonenhaft, dass man nach jedem Satz ein „flattotratt, flattotratt“, das die Musik- bzw. Zitherbegleitung nachäfft, anbringen könne (1285ff.), so wie wir heute ohne Schwierigkeiten Schlager dadurch lächerlich machen können, wenn wir nach jedem Satz ein „Wummtawumm“ einflicken, das den Discofox-Rhythmus imitiert.

Aeschylus revanchiert sich, indem er Lieder des Euripides verspottet (1305ff.), doch nach allem Prüfen und Streiten ist nichts entschieden, und Dionysos ist ratlos, also muss ein anderes Entscheidungsmittel als sein Geschmack herbei, nämlich eine Waage (1365). Jeder soll nun schwere Worte dort hineinsprechen, bis der Schiedsrichter „Kuckuck“ ruft (1380: Was für ein Einfall!), dann wird gewogen. Auch dies verschlägt nichts, und so muss denn der Herr der Unterwelt selber urteilen. Der befragt dazu beide nach ihren politischen Gesinnungen (1422ff.) und äußert auch selber Ratschläge zu Gunsten des gequälten Athen.37 Am Ende nimmt Dionysos den mit, der seinem Herzen näher steht, nämlich Aeschylus (1471), und entlässt ihn zum Segen der Stadt nach oben (1500ff.). Einen eindeutigen Sieg konnte Aeschylus ja nicht erringen, so muss denn das „Herz“ des Gottes sprechen (1468). Ihm gefallen die Kraft und Gesinnung des Aeschylus, er bewundert aber und ist (eher intellektuell) fasziniert von der Raffinesse des Euripides; aber für Athen ist Aeschylus, so scheint ihm, wichtiger.38 Aber man darf nicht verkennen, dass Aeschylus dabei keineswegs heroisiert wird, Möllendorff (2002, 164) betont dies zu Recht: Der alte Dichter greift ja nicht selten zu unlauteren Mitteln (1404f.) und sucht sein Heil in zunehmendem Maße bei Clownerien: Aber man bedenke, dass die Komödie ja nicht der Ort für ernste Belehrung ist, sie lässt gern die Dinge offen, und so wird man sich auch hier vergeblich fragen, wie Aristophanes nun selber geurteilt habe.

Viele der hier scherzhaft vorgetragenen Dichtungsfragen haben in der damaligen theoretischen Diskussion ihren Ursprung, das macht vor allem der Kommentar von L. Radermacher (1954) sehr deutlich. Aber nicht dies ist der tragende Grund des Dramas. Das Drama ist ein Lustspiel aus viel Scherz und Spaß, auf dem Grunde auch schwieriger Probleme der Literaturtheorie; aber etwas anderes gibt trotz aller Clownerie dem Stück seine Basis: die Not Athens. Gewiss, wir lesen eine Komödie aus Albernheiten und interessanten Literaturproblemen zugleich und mögen dabei staunen, wie in den Jahren größter politischer Gefährdung ein so heiteres Stück entstehen konnte; aber es ist ja nicht zu übersehen, dass der Chor ganz ernst spricht, wenn er zur Eintracht rät, und dass am Ende mit großem Bedacht von Alkibiades gesprochen wird (1422ff.), der ja große Siege errungen hatte, die Bengtson (1959, 248f.) in Erinnerung bringt. Dann aber, des Oberbefehls entsetzt, hatte er sich auf seine Besitzungen zurückgezogen: Gab es Gedanken, ihn zurückzuholen, wie Radermacher (1954, 339) vermutet? So kommt doch etwas von der Sorge des Atheners Aristophanes zum Vorschein, im Liede des Pluto sogar Schimpf und Häme gegen die üblen Machthaber (1504 ff.). Jedenfalls schien den Athenern der hohe Ernst im Aufruf des Chores zur Versöhnung so sehr aus dem Herzen gesprochen, dass sie die „Frösche“ späterhin noch einmal aufführen ließen, worüber Schmid (1959, 358) informiert.

Kleine Geschichte der antiken Komödie

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