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3.

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Veronika blätterte gelangweilt in der Mittwochsausgabe der Saarbrücker Zeitung. Vor ihr dampfte ein großer Milchkaffee, den Francesco ihr zubereitet hatte, bevor er zur Arbeit gegangen war. Sie selbst hatte noch etwas Zeit, bis sie ins Präsidium musste. Es war ihr erster Tag nach der Zwangspause, die sie nach ihrer Armverletzung und den Strapazen des letzten Falls hatte einlegen müssen. Der Streifschuss am Oberarm war gut verheilt, sie hatte nur wenige Tage im Krankenhaus bleiben müssen. Bei den seelischen Narben hatte es etwas länger gedauert. Bis sie sich wieder einigermaßen sicher fühlte, waren Wochen vergangen. Es war ihr anfangs schwergefallen zu akzeptieren, dass sie es überstanden hatte. Ihr Freund Francesco, der ja selbst in Mitleidenschaft gezogen worden war, hatte alles versucht, um sie wieder aufzubauen. Noch nie hatte sich jemand so um sie bemüht. Das rechnete sie ihm hoch an.

Doch jetzt hatte er sich in den Kopf gesetzt, mit ihr zusammenzuziehen. Damit hatte er ihre inneren Alarmglocken ausgelöst. Sie hatte noch nie mit jemandem zusammengewohnt, seit sie von zu Hause ausgezogen war. Außerdem liebte Veronika ihre Zweieinhalb-Zimmer-Altbauwohnung am Daarler Markt in St. Arnual, einem Stadtteil von Saarbrücken. Die Wohnung war gut geschnitten, gemütlich, mit niedrigen Decken und offenen dunklen Holzbalken, und versprühte noch den Charme des alten Bauernhauses, aus dem die Vermieter mehrere Wohnungen gemacht hatten. Doch für zwei Personen war sie einfach zu klein.

Lustlos überflog sie den Immobilienteil in der Zeitung. Francesco schwebte eine Erdgeschosswohnung mit Gartenanteil in einem der gehobeneren Viertel am Rotenbühl oder am Triller vor oder eine Wohnung mit großer Dachterrasse. Oder gleich ein Häuschen in der französischen Grenzregion, da stand momentan vieles günstig zum Verkauf. Dort würde er mit seinem neuen Job, den er vor wenigen Wochen bei dem Getriebebauer ZF angetreten hatte, auch noch ordentlich Steuern sparen können. Veronika war von der Vorstellung wenig begeistert. Sie sah sich nicht in einem akkurat gepflegten Garten unter dem Sonnenschirm sitzen, vor einer mit kleinen kirschförmigen Gewichten beschwerten Plastiktischdecke, während sie ihrem Mann beim Rasenmähen zuschaute.

Sie blätterte weiter und blieb an einem Artikel über einen Performancekünstler hängen, dessen Ausstellung am Abend in der Völklinger Hütte vor geladenen Gästen eröffnet werden sollte. Auch sie würde vor Ort sein müssen, Anweisung von ganz oben. Als Teil des Frauenförderprogramms des Innenministeriums hatte man sie für solche Anlässe fest eingeplant. Sie würde unzählige Hände schütteln, Namen, die sie sich nicht merken würde, hören und sich schließlich zu Hause aus den unbequemen Absatzschuhen und der engen Hose schälen, die sie zu solchen Anlässen trug – auch wenn sie sich damit verkleidet fühlte. Obwohl Kunst für sie meistens nur buntes Gekleckse war, welches sie nicht auseinanderhalten konnte, hatte sie den Namen Paulo Pausini schon einmal irgendwo gehört oder gelesen. In welchem Zusammenhang? Sie kramte in ihrem Gedächtnis. Da war irgendein Störgefühl, das sie mit dieser Person verband. Aber welches? Auf dem Foto sah er zumindest ziemlich durchgeknallt aus. Vielleicht würde es ja wirklich ein spannender Abend werden.

Sie trank ihren Milchkaffee aus, der mittlerweile nur noch lauwarm war, und blickte auf die Uhr. Verdammt, Viertel vor neun. Wo war die Zeit geblieben? Sie warf sich am Waschbecken etwas Wasser ins Gesicht, schlüpfte in ihre Klamotten und schwang sich aufs Fahrrad. Wenn es darauf ankam, konnte sie schnell sein. Um halb zehn hatte sie einen Termin bei ihrem Chef Lothar Klein, der sie nach ihrer Zwangspause über den letzten Fall informieren wollte, bei dem sie selbst ins Visier der Täterin geraten war. Auch wenn sie bereits von den Kollegen ein paar Hinweise unter der Hand bekommen hatte, war sie schon sehr gespannt auf den Abschlussbericht – und hoffte, damit selbst mit den Erlebnissen abschließen zu können.

Sie trat fest in die Pedale ihres Rennrads, denn sie wollte noch beim Konditor in der Mainzer Straße vorbeifahren und Croissants für die gesamte Mannschaft kaufen. Es war ja quasi ihr zweiter Einstand.

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