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»MEIN VORGESETZTER KANN NICHT FÜHREN«

»Ich arbeite seit drei Jahren als kaufmännische Mitarbeiterin in einer großen Firma und bin dort einem Manager unterstellt, der meiner Ansicht nach keinerlei Führungsqualitäten besitzt und sich zudem auch überhaupt nicht durchsetzen kann. Meine Kollegen machen mit ihm, was sie wollen, und innerhalb der gesamten Abteilung herrscht ziemliches Chaos. Niemand hat Respekt vor ihm, da er zudem auch noch stark übergewichtig ist. Vor allem als Christ versuche ich, mich ihm gegenüber anders zu verhalten als die anderen, aber es fällt mir zunehmend schwerer, ihm Achtung entgegenzubringen, weil ich ihm in vielen Bereichen überlegen bin. Außerdem frustriert es mich, dass es nirgendwo vorangeht und ich nichts mit meiner Arbeit bewegen kann. Eigentlich bin ich ein positiver Mensch, aber ich merke, wie mich die schlechte Stimmung im Büro mehr und mehr runterzieht und auf mich abfärbt. Immer öfter bin ich schlecht gelaunt und auch aggressiv. Soll ich den Job wechseln?«

Wie schön wäre es, wenn jeder, dem der Titel »Manager« verliehen wird, damit automatisch auch Führungsqualitäten erhielte! Die Realität in deutschen Büros zeigt, dass das leider nicht so ist. So ist das von Ihnen geschilderte Problem leider kein Einzelfall. Im Gegenteil – es kommt sogar sehr häufig vor, dass Angestellte Dinge besser managen könn(t)en als ihre Vorgesetzten, weil sie ein höheres Führungspotenzial haben. Das alleine muss aber noch nicht heißen, dass die Zusammenarbeit nicht funktionieren kann – es kommt in solchen Fällen immer auf das gesamte Team an.

Respekt, Achtung und Ergänzung

Einem Vorgesetzten sollten die Mitarbeiter grundsätzlich mit Respekt und Achtung begegnen – unabhängig davon, ob sie ihm in manchen Bereichen überlegen sind oder nicht, denn er ist der Chef. Für den Vorgesetzten gilt das natürlich gegenüber den Mitarbeitern genauso, denn diese sind sein größtes Kapital, und nur auf dieser Grundlage kann Vertrauen wachsen und eine gute Zusammenarbeit als Team gelingen. Ein Team, das einander mit Achtung und Respekt begegnet und gelernt hat, sich gegenseitig zu ergänzen, kann so manche Führungsschwäche des Leiters ausgleichen, wenn er diese Ergänzung zulässt. Sind hingegen Achtung und Respekt erst einmal verloren gegangen oder vielleicht sogar gar nicht erst aufgebaut worden, ist eine gute Zusammenarbeit kaum möglich. Ihr Chef hat – wodurch auch immer – die Achtung und den Respekt seiner Mitarbeiter verloren, und obwohl Sie selbst bisher nicht öffentlich rebellieren und noch versuchen, irgendwie auf seiner Seite zu bleiben, sind Sie in Ihrem Inneren unzufrieden und spüren durch Ihre Aggressivität, dass Sie die Situation emotional stark belastet. Der falsche Mann am falschen Platz kann sehr viel blockieren – das ist für Menschen mit hohem Führungspotenzial nur schwer auszuhalten. Dennoch ist es gerade auch für sie immer wieder eine gute Übung, mit solchen Menschen zusammenzuarbeiten und Dinge einfach auch einmal auszuhalten.

Womit können Sie auf Dauer leben?

Johann Michael Sailer hat einmal gesagt: »Lerne zu warten – entweder ändern sich die Dinge oder dein Herz.« Als Christ könnte man diesen Satz noch um eine weitere Aussage ergänzen und sagen: »Lerne zu warten und zu beten – entweder ändern sich die Dinge oder dein Herz.« Auf jeden Fall können Sie beides gut auf Ihre persönliche Situation übertragen, denn Sie haben im Grunde wirklich nur diese beiden Möglichkeiten. Entweder Sie schaffen es, innerlich gelassener zu werden, sich trotz Ihres hohen Leitungspotenzials irgendwie unterzuordnen und in all dem fröhlich und positiv zu bleiben – dann hätte sich Ihr Herz geändert. Oder die ganze Situation spitzt sich so sehr zu, dass Sie merken, dass Sie sich auf Dauer einen anderen Job suchen müssen, um nicht die Freude an Ihrer Arbeit zu verlieren. In diesem Fall hätte sich die Situation geändert. Ich glaube, dass es in jedem Fall wichtig ist, den richtigen Zeitpunkt für eine Entscheidung zu finden. Wie realistisch ist es, dass sich an der Situation etwas verändert? Steht vielleicht eine Pensionierung oder Versetzung des Vorgesetzten an? Wie könnten Sie vielleicht besser mit der Situation zurechtkommen? Könnte man die schlechte Stimmung vielleicht einmal im Team ohne den Vorgesetzten ansprechen? Eine vorschnelle Entscheidung zu treffen, weil Sie »entnervt« sind, wäre meiner Ansicht nach genauso fatal wie ein jahrelanges Ausharren an einem Arbeitsplatz, der Ihnen keinen Spaß macht, wo Sie sich nicht wohlfühlen und der Sie letztlich krank und unzufrieden macht.

Inge Frantzen

Der christliche Survival-Guide

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