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Francisco Cienfuegos

Zwei-Komma-Neun

1.

Die Berger Straße

beginnt nicht

sie bahnt sich an

schleicht sich, immer schon da

auf leisen Sohlen heran

am Bethmannpark

entlang

erklimmt langsam

unbedacht

die Stadt

weckt die Sinne wach

nach und nach

Lange

lange vor der Abholzung der Bäume

war da ein Tal

darin ein Geäst

aufkeimender

Wasserläufe

Furche einst

im Wald

wild verschwiegen grün

Wiesenstück

Bornheimer Heide

Rinnsal leuchtend kühl

über Moos bewachsenen Stein

Einst waldumschlungen

Unterschlupf im Schatten

von Lärm und Schein

Traumphase

im Auge des Orkans

gezeugt in einem Wurmloch

im U-Bahn-Schacht,

das alle Zeit

allzeit miteinander vereint

Berger Straße

wie an unsichtbaren Fäden

hängend-schwebend

Von Blumentöpfen

wachgeküsste Fenster

blühende überreife Balkone

über hellgrau verblichene

Eingangstüren

und Treppenhäuser

2.

Gehsteig wie

knuspriger Blätterteig

der atmend aufgeht

gefüllt mit Stadtsplitter

bunt gesäumt

Frankfurt

erdichtet sich hier neu

das Jetzt zerstäubt

Paralleluniversum der Kleinläden,

Pizzerien, Teestuben

und Antiquitäten

Stück für Stück

jedes ganz

ein Stück Amsterdam

ein Stück Notting Hill

aber für sich

einzigartig insgesamt

Am Wochenmarkt

bekommt die Straße ein Gesicht

der Schrei in der Wüste

wird zu einem Lied

frisch aufgeschnittene Orange

die sich dem Gaumen aufdrängt

Knallig feucht

Geruchs-Feuerwerk

das auf der Zunge

wie Karamell-Holunder zergeht

zitronengelb

markant wilde Rose rot

Trauben stechend blau

Hinter weichem Kern

manchmal rau

Die Berger ist Verwandlungskraft

ein Trank aus Granatapfel und Ananas

eine Handvoll praller Erdbeeren

und der Mund voll Maracujasaft

und ein stilles Gewässer

wo sich Frankfurts Herzschlag

spiegeln kann

Eine Insel im tobenden Meer

in der die Bilder der Außenwelt

zerbröckeln

sich neu zusammenfügen

leiser sprechen

Es flieht vor jedem Wort

wie ein Strom aller Dinge

fließt die Berger

nicht davon

aber in dir aus

durch dich hinweg

Dort wo die Stadt nicht mehr brüllt

verdichtet sich das Licht

aller Farben

Freigelegte Quelle

3.

Das einzelne strebt nicht danach

sich mit dem Ganzen zu vermischen

Alt-Bornheim am Hohen Brunnen

plätschert

die Stille zerwirbelnd

ausgesondert, aber nicht verlassen

so getrennt und so verbunden

Die Berger

aus der Innenhaut der Stadt

destillierte aromatische Substanz

Aus verstreutem Fachwerkhaus

ausgepresste Duftessenz

die sich an klammheimlichen Hinterhöfen

anschmiegt, verkriecht

bis zu den riechenden Augen,

die nicht verbleichen

Herznote des Parfüms

von Billy Jean bis zur Weißen Lilie

freigeschaltete Frequenz

in der die Töne nicht mehr rauschen,

sondern auf Luftpapier

mit feinstem Strich

Stühle, Bistrotische, Cafés

zeichnen

Skizze, Linien zart angehaucht

aus der

zaghaft hell

Farbtupfer hervorquellen

sich zueinander bewegen,

ineinander sich verbinden:

Aquarell

Hier wird

der Turm zu Babel

vollbracht

nicht weil

man den Himmel erreicht oder besingt

sondern weil man entdeckt,

dass Platz vorhanden ist für alle

solange sich Mensch

nicht gegen Mensch erhebt,

sich die Hand reicht

und sich gemeinsam rettet,

wenn man ertrinkt

4.

Wenn Frankfurt ein Meer wäre

und die Zeil ein Seeungeheuer darin

dann wäre die Berger ein Delphin

und manchmal auch ein Wal

der Merianplatz wäre sein Bauch

und ich wäre Jona darin

Wäre Frankfurt Hafenstadt

dann wäre die Berger

am Uhrtürmchen

der Anliegerplatz

Hier steige ich aus

hier komme ich an

und gehe weiter

am selbstverlorenen

Fünffingerplätzchen vorbei

und lasse mich

nieder im Irish Pub

Und wenn ich am Alten Rathaus

neben der Kelterei Zur Sonne stehe

hält die innere Uhr den Atem an

vermengt Alt und Neu

Die eine Sekunde, aus der alle

weiteren Sekunden entsprangen,

liegt hier noch brach

Und schon blickt

die Eulengasse herab

Berg auf geht es weiter

bis kurz vor der Schneise der Autobahn

oben endlich

am Sportplatz

der SG Bornheim

angelangt

Und wenn ich die Berger verlasse

ist sie keine Straße mehr

sie wird zurückgelegter Weg

Dieser Raum

zwischen den Worten

der übrig bleibt

wenn sich der Tag

in Seckbach

Auf der Sülze

dem Ende neigt

5.

Und schon sehne ich mich zurück

an die Bornheimer Heide

an das Wiesenstück

an die Furche, die einst

vielleicht als Rinnsal

waldumschlungen entstand

und heute

als Berger Straße erklingt

Stadt in der Stadt

Es endet nie

was nicht beginnt

was aber nie beginnt

endet nicht

Frankfurter Einladung 2

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