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Monika Carbe

Oase

P

lötzlich durchbricht das Signal eines Martinshorns die Ruhe im Park. Ein Rettungswagen mit Blaulicht nähert sich dem Weiher vor dem Schlösschen. Die Gäste im Café springen auf. Wildfremde Menschen sehen sich an und reden miteinander. Was ist passiert?

Aber lasst uns von vorne anfangen. Der Holzhausenpark ist zu jeder Jahreszeit sehens- und erlebenswert. So klein er auch ist, mit seinen Buchen, Eichen, Ahorn- und Kastanienbäumen und der Wiese bietet er Abstand und Erholung vom Verkehrsgetümmel im Nordend. Geschenkt wurde er der Stadt Frankfurt kurz vor dem Ersten Weltkrieg von Adolph von Holzhausen, daher heißt der Park heute noch mit seinem vollständigen Namen Adolph-von-Holzhausen-Park.

Es gibt viele Zugänge zum Park, majestätisch ist die Kastanienallee, die von einem schmiedeeisernen Tor am Oeder Weg direkt zum Schlösschen führt, das heute eine Bürgerstiftung ist und in dem Vorträge, Lesungen und Konzerte dargeboten werden. Auf dem Weiher vor dem Schlösschen schießt neben schnatternden Enten eine Fontäne empor. Als Spaziergängerin atme ich tief ein und aus und beobachte das Geschehen im Park. Tauben flattern auf. Ich gehe über die Wege oder direkt über das grüne Gras, denn den »Rasen betreten verboten« – das gehört längst der Vergangenheit an. Radfahrer und Jogger flitzen an mir vorbei, aber ich gehe gemächlich weiter. Viel Raum nimmt der Spielplatz ein, auf dem immer viele Kinder vergnügt umhertollen. Neben Schaukeln für Groß und Klein, auch für die Allerkleinsten, einer Wippe und einer Rutschbahn gibt es auch Klettergerüste. Dort stehen auch zwei steinerne Tischtennisplatten, die eifrig genutzt werden. Der kleine weiße Ball springt blitzschnell von einer Seite zur anderen.

Im Park herrscht striktes Hundeverbot, das Eltern und Kindern zu Gute kommt. Ein Verbot gilt auch für das Fußballspielen für Jugendliche und Erwachsene, nur Kinder dürfen diesem Sport auf der Wiese nachgehen. Dort wurden weiße, schalenförmige Gebilde in den Boden eingelassen, die Hindernisse für exzessiven Fußball darstellen sollen. Überall laden Bänke zum Verweilen ein, eine besondere Attraktion ist das Café. In einem Container ist der Ausschank untergebracht, oft bilden sich lange Schlangen davor. Daneben steht ein Toilettenhäuschen, spiegelverglast und so groß, dass das Diminutiv gar nicht angebracht ist. Die Anordnung von Tischen und Stühlen auf der Café-Anlage ist unkonventionell und die Gäste rücken die Möbel so zurecht, wie es ihnen gerade passt. Hier kann man auch auf Liegestühlen sitzen und seinen Kaffee mit Blick auf die Wiese und das Getümmel genießen; sehr beliebt ist Federball. Wenn es nicht in Strömen regnet oder schneit, hat das Café das ganze Jahr über geöffnet und stellt seinen Gästen warme Decken zur Verfügung.

Der Park ist häufig das Ziel von Eltern mit kleinen Kindern, aber auch viele Joggende sind unterwegs, die ihre Runden um die Wiese drehen. Im Sommer lagern hier Sonnenhungrige. Bei Hitze bieten die vielen Bäume Schatten. So manche Besucher verbringen, wie auch ich, ihren Sonntag hier. Die Gäste im Café unterhalten sich, lesen die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die im Ausschank bereitliegt oder starren auf ihr Smartphone. Ich setze mich gemütlich an einen freien Tisch und bestelle einen Cappuccino bei der jungen Kellnerin, den sie mir nur einige Minuten später bringt.

Doch in diesem Augenblick schallt ein Martinshorn durch die Bäume. Ein Rettungswagen nähert sich mit Blaulicht dem Weiher vor dem Schlösschen.

»Was für ein Notfall ist das?«, fragt eine Frau in einem hellblauen Sommerkleid, während sie sich hektisch umschaut. Sie scheint etwas zu suchen.

»Das ist bestimmt ein Bombenfund!«, ruft die junge Kellnerin, während sie einen der Tische abwischt.

»Hoffentlich kein Grabscher oder so ein Exhibitionist!«, meint eine ältere Dame in einer dunkelgrünen Strickjacke und widmet sich wieder ihrem Kaffee.

»Mein Kind!«, schreit die Mutter im hellblauen Kleid plötzlich. »Ich kann meinen Sohn nicht finden!« Instinktiv dreht sie sich um und sprintet Richtung Weiher und Blaulicht. Auch einige der Gäste begeben sich zögernd dorthin. Ich stehe auf. Soll ich mitgehen oder hierbleiben? Eine Mischung aus Schreck, Sorge und Mitgefühl schnürt meine Brust zusammen. Ich laufe langsam dorthin, starre gespannt zwischen die Bäume zum Weiher. Dutzende Menschen stehen dort beisammen, das Blaulicht blinkt. Eine Trage mit einer kleinen Person darauf wird in den Krankenwagen geschoben. Noch bevor ich da bin, zerstreuen sich die besorgten Beobachter langsam wieder. Eine Frau in Sportbekleidung kommt mir entgegen.

»Was ist denn passiert?«, frage ich sie besorgt.

»Ein Kleinkind ist ins Wasser gefallen. Die Mutter hatte den Kleinen einen Moment lang aus den Augen verloren, furchtbar!«, schildert mir die Frau. »Zum Glück konnte das Kind gerettet und wiederbelebt werden«, fügt die Joggerin erleichtert hinzu, während sie sich mit der Hand ihren Schweiß von der Stirn wischt.

Ich atme beruhigt auf, hebe meinen Blick und sehe das Schlösschen weiß durch die Bäume schimmern. Das Rascheln der Blätter im Wind verdrängt die noch in der Luft liegende Anspannung. Der Holzhausenpark ist nun wieder eine grüne Oase der Ruhe im Nordend.

Frankfurter Einladung 2

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