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1 Das biopsychosoziale Modell im Kontext sozialer Mitbehandlung Helmut Pauls 1.1 Einführung: Das »Individuum-in-seiner-Welt«

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Im Alltagsbewusstsein vieler Menschen steht mit »Krankheit« zunächst die Körperlichkeit im Fokus: Es geht um spezifische Symptom- und Verlaufsmuster biologischer Prozesse und Ursachen, wie sie bei somatischen Erkrankungen in der Regel vorkommen. In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte sich auch ein Verständnis für psychische Erkrankungen, wobei dafür statt »Krankheit« eher der offenere Begriff der psychischen »Störung« verwendet wird (Baumann & Perrez, 2005). Die Psychotherapie ist folgerichtig mit dem »Psychotherapeutengesetz« 2001 zum berufs- und sozialrechtlich anerkannten Heilberuf geworden. Allerdings wird oft spätestens im Moment der Manifestation einer Erkrankung bzw. Störung mit körperlichen und/oder psychischen Symptomen und Folgen ein sozialer Zusammenhang spürbar: Die soziale Umwelt ist bei Störung, Krankheit, Krise mitbetroffen und beansprucht, oft auch mitverursachend. Insbesondere schwere und chronische Erkrankungen leiten eine gravierende soziale Diskontinuität im Leben der Betroffenen ein. Zuwendung und soziale Unterstützung werden notwendig angesichts von vielfältigen sozial unerwünschten und nicht akzeptierten Verhaltensweisen und Konsequenzen (z. B. Fernbleiben von der Arbeit). Hier wird das Soziale als Krankheitsfolge zentral: Erkrankte Menschen werden abhängig von sorgenden (versorgenden) Personen – Angehörigen, NachbarInnen, KollegInnen, ÄrztInnen, TherapeutInnen, HelferInnen. Krankheit bzw. Störung ist allerdings nicht nur für soziale Konsequenzen relevant, sondern sie ist nicht selten auch sozial (mit)bedingt. D. h., soziale Strukturen, Lebensbedingungen, Beziehungen und Handlungsformen sind für psychische und somatische Prozesse kausal zu beachten. Strotzka sprach bereits 1965 (S. 27 ff.) von »Sozialpathologie«. Sozialwissenschaftlich gesehen können sich Betrachtungen von Krankheit und Störung nicht nur auf Individuen beziehen, sondern ebenso auf größere soziale Einheiten bzw. Systeme (Familie, Nachbarschaft, Betriebe, Institutionen). Menschen sind sozial ebenso verwundbar wie psychisch und körperlich. Deshalb benötigt die somatische, psychiatrische und psychotherapeutische Gesundheitsversorgung eine Ergänzung durch eine Soziale Arbeit mit klinischer bzw. sozialtherapeutischer Expertise, die den Anspruch an komplexer Problemwahrnehmung und integrativer Problembearbeitung, der einem biopsychosozialen Modell implizit ist, theoretisch, methodisch und praktisch einlöst (vgl. Pauls & Lammel, 2017).

Soziale Interventionen in der Psychotherapie

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