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1.5 Zur Verantwortung multiprofessioneller Behandlung

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Die Perspektive einer Manifestationsebene allein fokussiert nur einen Teilbereich des Menschen (seine Körperlichkeit, seine Persönlichkeit bzw. seine sozialen Bezüge). Bei mehreren Perspektiven gemeinsam lassen sich nicht nur die Einzelperspektiven kumulieren, sondern es sollten auch neue Integrationsebenen entstehen. Interventionen auf der sozialen Ebene bleiben in der Regel erfolglos, wenn es sich primär um eine Störung auf der psychischen Ebene handelt, die spezifischer psychotherapeutischer Maßnahmen bedarf. Diese psychologischen und psychotherapeutischen Maßnahmen müssen dann zunächst oder begleitend zu sozialen Interventionsmaßnahmen durchgeführt werden. Die soziale Intervention erfolgt somit auf sehr komplexem Niveau und muss sicherstellen, dass die biologisch-medizinische und die psychologisch-psychotherapeutische Manifestationsebene in Diagnostik und Therapie berücksichtigt und integriert werden. Allerdings sind auch Medizin und Psychotherapie aufgerufen, die soziale Manifestationsebene verantwortlich einzubeziehen. So erfolgen nicht selten medizinisch-medikamentöse Fehlbehandlungen bei sozial bedingten Störungen aufgrund ausbleibender psychosozialer Diagnostik und klinisch-sozialer Behandlungskompetenz. Ebenso sind bei vielen Störungen psychotherapeutische Interventionen mit ihrem Fokus auf innerpsychische Dysfunktionen bei »Multi-Problem-Fällen« völlig unzureichend oder gar nicht indiziert, da aufsuchende, strukturbildend-stützende und vernetzte aktive soziale Hilfen und soziotherapeutisch-beratend-begleitende Maßnahmen notwendig sind.

Biopsychosoziale Gesundheitsprobleme sind Passungsprobleme im Sinne von Diskrepanzen bzw. Inkongruenzen zwischen verschiedenen Dimensionen des menschlichen Lebens. Deshalb werden die beteiligten Behandlungsperspektiven bzw. Integrationsebenen in ihren jeweiligen Möglichkeiten und Grenzen benötigt. »Bei einem umfassenden bio-psycho-sozialen Verständnis sind biologische Konstitution, psychische Potentiale (Dispositionen, Bewältigungskompetenzen usw.), Entwicklungsanforderungen und Belastungen (z. B. familiär, schulisch, Arbeitsfeld, subkulturelles Umfeld und alters-, geschlechts-, funktions- und bereichsspezifische Standards), Entwicklungsziele und (Selbst-)Einschätzungen des Individuums, Entwicklungs- und Unterstützungsangebote in der Umwelt, die soziale Chancenstruktur (soziale und materielle Ressourcen und Mittel) immer mehr oder weniger günstig aufeinander abgestimmt. Im günstigen Falle bilden sie ein System fördernder Anregungen und Unterstützungen, die für die Entwicklung optimale Diskrepanzen aufweisen, so dass die Person durch Mobilisierung eigener Bewältigungskompetenzen neue, reifere Lösungen entwickeln und in einem hinreichend kohärenten Bild vom Selbst-in-der-Welt in gesundheitsfördernder Weise integrieren kann. Im ungünstigen Fall wirken diese Dimensionen aber gegeneinander, so dass eine Blockierung der Entwicklung erfolgt und problematische Bewältigungsversuche« (Pauls, 2011/2013b, S. 117) bzw. Erkrankungen die Folge sind. Das inzwischen durch beeindruckende empirische Evidenz der Wechselwirkungen der drei Integrationsebenen gestützte biopsychosoziale Modell stößt die Disziplinen und Berufe der Gesundheitsarbeit, hier speziell die Psychotherapie und die Klinische Sozialarbeit (wie auch die Psychiatrie), auf ihre Verantwortung gegenüber ihren PatientInnen und KlientInnen, in angemessener Weise miteinander zu kooperieren. Es ist Zeit, ein multiprofessionelles biopsychosoziales Gesundheitsförderungs- und Krankenbehandlungskonzept zu etablieren, in dem Medizin, Psychiatrie, (Klinische) Sozialarbeit und Psychotherapie (last but not least auch die Pflege) einen selbstverständlichen Platz einnehmen.

Soziale Interventionen in der Psychotherapie

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