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Vorwort von Gerald Hüther

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Als wir einander vor einigen Jahren zum ersten Mal begegnet sind, fragte mich Sabine Mänken, was geschehen müsste, damit es im Gehirn von Erwachsenen zu einem Umbau all jener Nervenzellverschaltungen kommt, die das Denken, Fühlen und Handeln der betreffenden Person steuern. »Ihre innere Einstellung müsste sich verändern«, antwortete ich, »und das geschieht immer dann, wenn diese Person etwas anderes im Leben als wesentlich, als wertvoller, als bedeutsamer zu betrachten beginnt als das, was ihr bisher als besonders wichtig erschienen war.« Aber wie verändert sich diese subjektive Zuschreibung von Bedeutsamkeit?

Interessanterweise hat sich durch die Corona-Krise bedingten Schließungen von Krippen, Kitas und Schulen in vielen Familien genau das ereignet. Fast alles, was bisher ganz normal war, ist dadurch völlig durcheinandergekommen. Es waren vor allem die Mütter, die sich um ihre nun nicht mehr in diesen Einrichtungen untergebrachten Kinder gekümmert haben. Manche sind dabei an ihre körperlichen und seelischen Grenzen gestoßen. Die meisten haben einfach nur durchzuhalten versucht, bis der ganze Spuk vorbei war. Aber manche haben ihre eigenen Kinder auch ganz neu kennengelernt.

»Ich habe mich wieder in mein Mariechen verliebt«, berichtete mir eine Mutter, die ganz fasziniert von ihrer dreijährigen Tochter war. Plötzlich hatte sie Zeit für ihr Kind, konnte zuschauen, wie es jeden Tag etwas Neues hinzulernte, wie begeistert es als kleine Entdeckerin und Gestalterin unterwegs war – und wie glücklich die kleine Marie war, dass sie der Mama zeigen konnte, was sie alles gemacht und gelernt hatte, was sie im Inneren bewegte und wie sehr sie sich über das Zusammensein mit ihr freute. »Ich muss noch herausfinden, wie es gehen kann, aber dass ich meine kleine Marie wieder jeden Tag in eine Einrichtung bringe und gar nicht mehr erleben kann, wie sie sich entfaltet, fast so wie eine Knospe, die aufzublühen beginnt, das kommt für mich nicht mehr in Frage.«

Das war es, was ich Sabine Mänken gar zu theoretisch als »veränderte subjektive Zuschreibung von Bedeutsamkeit« zu erklären versucht hatte. Aber ich bin sicher, dass sie schon damals sehr gut verstanden hatten, was ich meinte. Denn Menschen brauchen ja nicht unbedingt so eine schwere Krise, um den eigenen Blick zu öffnen und auf die Idee zu kommen, dass selbst das perfekteste Funktionieren in einem Hamsterrad nicht das ist, worauf es im Leben wirklich ankommt. Geschweige denn, dass es glücklich macht.

Dieser eigene Blick öffnet sich von ganz allein, wenn eine Mutter Gelegenheit bekommt, sich das anzuschauen, was andere Mütter in ihrem Leben als besonders wichtig erachten und wie sie es dann umzusetzen versuchen. Genau solche Geschichten hat Sabine Mänken in diesem Buch zusammengetragen. Jede einzelne dieser einundzwanzig Mütter berichtet, wie sie auf ihre Weise jeweils genau das zu verwirklichen versucht hat, was ihr in ihrem Leben wirklich bedeutsam, also wichtiger als alles andere ist.

Schauen Sie rein, fangen Sie irgendwo zu lesen an; ich bin sicher, Sie finden eine ganze Reihe Mütter der Neuen Zeit, die sich um das gleiche bemühen, was auch Ihnen – selbst dann, wenn es zwischenzeitlich etwas verschüttet war – wirklich am Herzen liegt.

Göttingen, im Juni 2020

Gerald Hüther

Mütter der Neuen Zeit

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