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Vorfreude, schönste Freude

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Daher zunächst ein Vorwort

Konstanze Marx

Es ist Hochsommer, das Thermometer zeigt 36 Grad und es wirkt noch heißer. Hier im Haus sind die Fenster hoch, die Türen weit, aus meinem Lautsprecher tönen weihnachtliche Klänge. Schon spüre ich die unausgesprochenen Fragezeichen in den Gesichtern meiner Nachbarn. Hoffentlich schieben sie mein wunderliches Verhalten wohlwollend auf die Hitze, argwöhnen allenfalls eine exaltierte Form der Kältetherapie. Ja, zweifelt nur an mir, denke ich, aber horcht auch, wie lieblich es schallt und wagt vielleicht auch einmal einen Blick in die Sozialen Medien, denn der alljährliche Entrüstungswettstreit über die frühzeitig mit Lebkuchen gefüllten Supermarktregale hat längst begonnen.

Das, aber vor allem die wunderbare Aufgabe, in diesem Buch Texte zusammenzuführen, die sich aus einer sprachwissenschaftlichen Perspektive mit dem Weihnachtsfest auseinandersetzen, machen mir den gedanklichen Sprung in den Advent und damit zu Ihrem Rezeptionszeitpunkt leicht. Für Sie wiederum sind es ja gerade nicht die zitierten Weihnachtslieder, die unpassend erscheinen, sondern eher die meteorologische Momentaufnahme aus einem heißen Sommer.

Also, Weihnachten steht vor der Tür und allein dieser Phraseologismus ist eine genauere linguistische Inspektion wert, nimmt doch hier eine Festivität, ein Feiertag eine Agensrolle ein, die gemeinhin akzeptiert ist, was die hochfrequente Verwendung in der Alltagssprache, in Schlager- und Kinderbuchtiteln und auch Witzen offenbart; eine Agensrolle aber, die aufgrund ihrer diffusen ontologischen Ereignisqualität semantisch gar nicht so leicht mit einem statischen Verb vereinbar und mit Blick auf dessen realweltliche Dimension unmöglich auf einer Fußmatte platzierbar scheint. Die Bedeutung muss also mental übertragen, das Vor-der-Tür-Stehen metaphorisch verstanden werden, etwas, das nicht trivial ist, schon gar nicht für diejenigen, die Sprache erst erwerben. Und rein pragmatisch? Bleiben wir zunächst bei der eben erwähnten Adressat*innengruppe. Welche Schlüsse ziehen wohl Kinder aus dieser Äußerung? Vermutlich das lang ersehnte Ende einer utopischen Wartezeit, vielleicht imaginieren sie eine konkrete Person, deren Klopfen an der Tür die zum Greifen nahe Bescherung verlautbart? An Kinder gerichtet scheint der Handlungswert dieses Sprechakts mit der verheißungsvollen Ankündigung eines kurzfristig eintretenden Ereignisses, mit einem Versprechen gar, dass das mehr oder weniger geduldige Ausharren nun ein Ende habe, beschrieben. Was aber kann diese Äußerung bei Erwachsenen bewirken? Weihnachten steht vor der Tür? Eine schnelle Recherche auf Twitter im August (!) zeigt Tendenzen dafür auf, dass der Äußerungszeitpunkt offensichtlich merklich vorverlagert wird, dabei Warnendes, zur Eile Mahnendes mitschwingt. Es baut sich Druck auf ganz im Gegensatz zu dem, was Weihnachten rein lexikalisch transportiert (Fest anlässlich der Geburt Christi) und womit es durchaus auch assoziiert wird: Freude. Freude vs. Stress und Not, alle Punkte der stetig wachsenden To-Do-Liste rechtzeitig vor den perfekt zu inszenierenden Festtagen abhaken zu können und jedes prototypische Element der Vorweihnachtszeit gut zu terminieren: Adventskalender installieren, Wohnung festlich dekorieren, ganze Straßen illuminieren, Weihnachtskarten illustrieren, Wunschzettel formulieren und gründlich studieren, in Geschenke investieren und die Päckchen hübsch verschnüren, Plätzchen backen, schokolieren und natürlich noch verzieren, zwischendrin auch jubilieren, mit entfernten Verwandten telefonieren, Krippenspieltext memorieren, Festtagsmenüplanung zelebrieren und die Ingredienzien akquirieren, Weihnachtsfeier organisieren und darüber informieren, Weihnachtstanne selegieren und das Aufstellen delegieren. Die Liste ist lang, aber im christlichen Kulturkreis erstaunlich gleichartig konstituiert. All das schwingt mit mit dem Satz Weihnachten steht vor der Tür. Soll es ruhig noch ein wenig da draußen verweilen vor der Tür, mag sich manche*r ob des oben genannten Pensums denken, soll es doch noch ein wenig warten, dieses Weihnachten, gerade das vermag vielleicht Ruhe zu verschaffen?

Das gesamte Treiben ist begleitet von Sprache – kleine Texte hinter den Kalendertürchen, feste Floskeln, individuelle Wünsche in der Post oder über Messenger verschickt, Liedverse, verbalisierte Sinneseindrücke in Koch- und Backrezepten, Verhandlungen über Baum, Backwerk und Braten, die Weihnachtsgeschichte und Weihnachtsgeschichten, Liebeserklärungen in Weihnachtsfilmen, sprachlose Enttäuschung am Gabentisch oder Streit im trauten Kreis der Familie – und bietet unzählige Anknüpfungspunkte für sprachwissenschaftliche Zugänge: Wunschzettel als Textsorte etwa, Praktiken des Wünschens, feste Phrasen, Semantik der Sinne, Erzählmuster, grammatische Phänomene in tradierten Liedtexten, interaktive Bedeutungskonstruktion in hochemotionalen Situationen, Konflikt- und Schlichtungsgespräche, ja sogar Weihnachtsdiskurse, etymologische Fragestellungen, Sozio- und Dialekte, Framefiller – auch Nina Janich greift diese Anschlussmöglichkeiten in einem Gedicht auf, das den Auftakt der festlichen Texte über Sprache bildet.

Klassischerweise ist es auch ein Gedicht, das die Bescherung einläutet, und so folgen die Texte in diesem Buch dem Protokoll des Heiligen Abends, an dem Gedichte aufgesagt, Wünsche ausgesprochen (Kapitel „Von Wünschen und vom Wünschen“), Geschenke übergeben und ausgepackt werden, was Freude aber auch Enttäuschung nach sich ziehen kann (Kapitel „Wortwörtliche Bescherung“), Lieder gesungen (Kapitel „Singen und Klingen in stiller Nacht“), Geschichten und Witze erzählt (Kapitel „Musterhafter Erzählzauber“) und am Ende der Fernseher eingeschaltet oder das Smartphone aus der Hosentasche gezogen (Kapitel „Flimmern im Lichterglanz“), vielleicht schon ein Jahresresümee gezogen wird.

So verfestigt die oben skizzierte Schablone ist, die sich durchaus auf die gesamte Adventszeit ausdehnen lässt, so notwendig ist es auch, damit verbundene Routinen zu hinterfragen, wofür Ingo H. Warnke sensibilisiert. Die Angemessenheit von Weihnachtswünschen kann nicht einfach voraussetzen, wer soziale Diversität anerkennt. Und so wird im Beitrag für ein Innehalten plädiert, ein Nachfragen vielleicht und sei es nur beiläufig – eines, das sich ausrichtet am Gegenüber und sich nicht in kulturell eindimensionalen Formeln verliert. Auf diese Weise entsteht ein Resonanzraum, in dem auch die spezifische Adressierung des vorliegenden Buches bewusstwerden und die Lektüre aller folgenden Texte begleiten darf. Die Konstruktion von Bedeutung ist komplex und eben nicht nur von zugrundeliegenden Textinhalten geleitet. Besonders deutlich wird das natürlich, wenn in der Interaktion gänzlich auf Versprachlichung verzichtet wird, wie Michael Beißwenger und Steffen Pappert in ihrem weihnachtlichen auf Bildzeichen reduzierten WhatsApp-Dialog sehr anschaulich vorführen. Zum großen Amüsement werden die jeweiligen Interpretationen der am Chat Partizipierenden zum Mitlesen zur Schau gestellt – mit dem wunderbaren Effekt, dass Abweichungen die Missverständnispotenziale von Emojis und deren akkumulativer (aber auch exklusiver) Verwendung transparent machen. Am Ende erschließt sich jeder der beiden die guten Weihnachtswünsche des anderen, ein Thema, das auch Matthias Meiler und Alexandros Apostolidis aufgreifen. Sie nehmen die interkulturellen Unterschiede bei Praktiken des Wünschens im deutsch-griechischen Vergleich in den Blick. Silvia Bonacchi kontrastiert Weihnachtswünsche deutsch-italienisch. Beide Texte zeigen auf, dass Wünsche einerseits der Gestaltung, ja Festigung von sozialen Beziehungen dienen, dass solche Rituale aber gleichzeitig auch den Blick freigeben auf Verbindungen innerhalb kultureller Gemeinschaften und sich darüber hinaus loslösen können von ihrem ursprünglichen Zweck und diesen dennoch ein ganz klein wenig mittransportieren. Dafür, so ist bei Thomas Spranz-Fogasy zu lesen, wird durchaus einige Anstrengung in Kauf genommen (er dürfte genau jetzt, da das Editorial dieses Buches entsteht, bereits über den Weihnachtsbrief für dieses Jahr nachdenken). Die Möglichkeit theoretisch allen im Laufe eines Lebens liebgewonnenen Menschen technikunterstützt von Angesicht zu Angesicht ein frohes Fest zu wünschen, gibt es ja noch nicht allzu lang und sie konnte sich als Routine sicher auch aus ganz praktischen Gründen nicht in unserem vorweihnachtlichen Alltag etablieren. Weihnachtsbriefe hingegen haben den entscheidenden Vorteil, dass mit Zeit und Liebe zum Detail die persönlichen Höhepunkte des Jahres zusammengetragen und dem Gegenüber zum Lesen zu einem selbstgewählten Zeitpunkt angeboten werden können. Ganz im Gegensatz dazu widmet sich Simon Meier-Vieracker Texten, die zu einem festgelegten Zeitpunkt und damit in der Illusion der Gemeinschaftlichkeit gehört und gesehen werden sollen, den bundespräsidialen Weihnachtsansprachen. Seine Keywordanalysen legen offen, dass und wie sich das jeweilige gesellschaftlich-politische Klima in die Reden eingeschrieben hat, die dadurch zu einem mentalitätsgeschichtlichen Stimmungsbarometer taugen. Es ist die hier zum Einsatz kommende korpuslinguistische Methode und die Konzentration auf Schlüsselwörter, die eine Brücke zum nächsten Kapitel bildet, das mit sprichwörtlichen Wortgeschenken aufwartet.

So gewährt Sascha Wolfer Einblick in weihnachtlich-überraschende lexikographische Entdeckungen. Zugriffsstatistiken von Onlinewörterbüchern enthüllen nämlich einen Effekt der sozialen Relevanz, der u.a. anhand der Begriffe Nikolaus und Weihnachten eindrucksvoll nachgewiesen werden kann. Weniger eindeutig, geradezu paradoxal ist die daran anschließende Kontemplation von Wolf-Andreas Liebert, in der er sich der Semantik von Weihnachten über semasiologische und onomasiologische Perspektiven hin zu einer Sphäre zwischen fiktional und faktual nähert, um die Verbindung zwischen gehasstem Leben und Erlösung durch den Hass in einem ewigen Kreislauf zu ergründen. Durch dieses partielle Priming gelingt hoffentlich eine einigermaßen behutsame Vorbereitung auf die Wucht, mit der die von Joachim Scharloth zusammengetragenen Beispiele aus dem rechten Schimpfwortrepertoire auf Sie wirken werden. Die weihnachtlichen Vokabeln in krudesten Wortkompositionen erhalten den Eindruck der Paradoxie noch eine Weile lebendig, die weihnachtliche Stimmung allerdings vergeht. Es handelt sich hier um einen schonungslosen Text, in dem – das wird sehr deutlich – menschenverachtende Gebrauchsweisen distanzierend zitiert werden, um das analysierte sprachliche Material und den damit drastisch zu Tage tretenden Rassismus seiner Benutzer*innen eineindeutig sichtbar zu machen. So wird auch das Dilemma der Invektivitätsforschung zwischen Entlarvung und Benennung rassistischer Stereotype einerseits und ihrer Reproduktion andererseits bei der Lektüre mitunter physisch spürbar. Diesem Text folgt eine gedankliche Reise nach Kanada. Grit Liebscher lädt zu einem virtuellen Besuch auf den Christkindl Market in Kitchener, Ontario – ein verbal schillerndes Ereignis und ein Ort, an dem Gemeinschaftssinn, Authentizitätsanspruch, tradierte Stereotype und lebendige Erinnerungskultur koexistieren und gleichsam die Entstehung von etwas Neuem dokumentieren, das die originären Spuren noch verrät. Vergleichbare Prozesse – nur auf lexikalischer Ebene – werden von Henrike Helmer und Silke Reineke beschrieben. Sie suchen in Aufnahmen gesprochener Alltagssprache nach Jesus! und finden Ergebnisse von Interjektionalisierungsprozessen in emotiv-expressiven, aber vor allem auch responsiv-empathischen Verwendungen; den Geist der Weihnacht quasi reduziert auf o(h)je. Der Herausforderung, den Geist der Weihnacht trotz kindlich-bohrenden Hinterfragens mühsam aufrecht erhaltener Weihnachtsmythen zu bewahren, versucht sich Gerd Antos unter Zuhilfenahme grundständiger linguistischer Zugänge zu stellen. Er hebt also ab auf metasprachliche Reflexionen über Namen, lässt den Weihnachtsmann (dis)kursieren und referenzsemantisch dekonstruieren und letztlich Relevanz- und Wahrheitsmaximen miteinander konkurrieren. Aber nicht nur die Existenz des Weihnachtsmannes, wie er auch immer heißen, wie man ihn auch immer nennen möge, zählt zu den großen Mysterien in der Weihnachtszeit, es ist auch der sprichwörtlich merk-würdige Wortschatz, ein Erinnerungsschatz, an dem uns Gabriele Diewald teilhaben lässt. Es geht um Verhörer und dadurch ausgelöste logische Assoziationen, die die stufenweise sprichwörtliche Arbeit bei der Bedeutungserschließung in Spracherwerbsprozessen nachvollziehbar machen. Es handelt sich hierbei um ein so aktives Bewusstmachen, das es noch viele Jahre später erzählt werden kann und anknüpft an Erfahrungen, auf die vermutlich jede*r von uns zurückgreifen kann. (Ich beispielsweise habe als Kind Bienenstich aus offensichtlichen Gründen nicht angerührt, nicht einmal zu Weihnachten.) Am Ende langt der Text bei einem Ross an, das einer Wurzel ent- und direkt ins nächste Kapitel hineinspringt.

Weihnachtslieder, so stellt Alexander Lasch fest, sind seltene linguistische Analyseobjekte, muss sich aber zumindest bei der Lektüre des vorliegenden Buches eines Besseren belehren lassen. Während er nachzeichnet, wie mit ostdeutschen Liedern das gemeinsame Weihnachts-Fühlen und Wollen einer Gemeinschaft auf der Basis sorgfältigst ausgewählter, mit der Ideenlehre konformer Motive gesteuert werden sollte, seziert Wolfgang Imo die eigentümliche Syntax von bekannten Liedversen. Im Feldermodell schiebt er versuchsweise Phrasen hin und her, wobei es beim stark ausgelasteten Vorfeld ordentlich hakt. Nun wird abgewogen: Sollte eine Ausnahme in den derlei ohnehin schon reichen Regelkatalog aufgenommen werden oder zu Gunsten dichterischer Freiheit entschieden? Gerade der letztgenannte Aspekt wird bei Übersetzungen relevant, wie Birte Arendt und Ulrike Stern an zwei niederdeutschen Versionen eines bekannten Weihnachtsliedes verdeutlichen. Sie fragen nach der gelungeren Übertragung und ziehen hierbei die Messung des Dialektalitätsgrads anhand phonetischer, morphologischer, lexikalischer und syntaktisch/phraseologischer Parameter zurate. Ruth M. Mell setzt mit ihrem Beitrag noch einmal an der lexikalischen Ebene an und nimmt Zeitbezeichnungen und Deiktika in Weihnachtsliedern unter die linguistische Lupe und findet Licht, das auf den Tag in Abgrenzung der dunklen Nacht verweist, die wiederum attributiv als besonders hervorgehoben wird, als Szenerie, die das Hellwerden und damit das Angst-Nehmende schon mitträgt. So kann der Heilige Abend, so kann die Heilige Nacht umgedeutet werden, sie beherbergt nicht Angst, sondern das Warten auf etwas Schönes.

Dieses Warten, das sich auf den gesamten Advent erstreckt, wird – und damit beginnt das nächste Kapitel – aktiv gestaltet. Susanne Tienken vergleicht diese Zeit mit einer Bühne, die gemeinschaftlich bespielt werden will, nach individuellen Regeln, die selbst Traditionen werden können, durchaus, aber bespielt muss sie werden. Ein wichtiges Ritual in diesem Schauspiel ist das gemeinsame Lesen von Weihnachtsgeschichten, in denen sich nicht nur das aktuelle Setting des eigenen gemütlichen Vorlesens repliziert, sondern auch weitere wichtige Versatzstücke für die Kreation eines perfekten Weihnachtsskripts zur Verfügung gestellt werden. Dass Kinder diese Bausteine internalisiert haben, wird im Beitrag von Juliane Stude deutlich. Literarische und filmische Darstellungsweisen finden ebenso Eingang in kindliche Weihnachtserzählungen wie Alltagserfahrungen, etwa die musterhafte Chronologie des Festtages, die Vorfreude und das Warten auf Weihnachten sowie das Überbringen der Geschenke. Der Spielraum, der weihnachtlich spezifisch zwischen Realität und Fiktionalität entsteht, wird dabei kreativ für Überraschendes genutzt. Es handelt sich hierbei um eine Komponente, die Stefan Hauser zufolge konstitutiv für Humor, aber eben auch für Weihnachten ist: Die Spannung kann nur gehalten werden, wenn in ihr die Sicherheit, dass etwas Unerwartetes eintritt, schon angelegt ist. Sein Beitrag hält folglich eine Reihe von Weihnachtswitzen bereit, deren komisches Potenzial sachlich sprachwissenschaftlich analysiert wird und dabei dennoch nicht verlorengeht.

Ebensowenig wie im Beitrag von Axel Schmidt, der das nächste Kapitel einleitend unterschiedliche Fernsehformate auf ihre weihnachtliche Passfähigkeit untersucht, dabei natürlich Loriots Hoppenstedts nicht unerwähnt lässt, aber insbesondere im Reality-TV ein mediales Perpetuum mobile entdeckt, das sich Ereignisse, über die es dann berichtet, selbst erschafft und gleichzeitig Identifikations- (Ja, so feiern wir auch Weihnachten) und Abgrenzungsangebote (Hilfe, was hängt denn bei denen am Baum?) für das Publikum macht. Mit Eva Wyss kehren wir gedanklich noch einmal zurück zum Weihnachtswunschkapitel. Sie hebt in ihrem Text den Medienwechsel als besonders relevant hervor und vermutet im Versenden multimodaler Adventsbotschaften eine Adjustierung bisheriger Grußrituale. Einen geradezu strategischen Einsatz von Social-Media-Kommunikation weist Daniel Pfurtscheller anhand von Instagram-Postings der fünf führenden österreichischen Politiker*innen nach. Weihnachten wird hier aktiv als kommunikative Ressource genutzt, wobei sehr genau selektiert wird, welche Aktivitäten auf die Vorderbühne geholt – also auch gezeigt – werden und welche nicht, etwa die Abläufe am Heiligen Abend, die in einem privaten Raum stattfinden und dort auch verbleiben dürfen. Manche würden sagen, dass es auch im folgenden Beitrag politisch bleibt, Carolin Müller-Spitzer aber wirbt für eine unaufgeregte Analyse teils widersprüchlicher Forschungsergebnisse zu androzentrisch geprägter Sprache einerseits und für offene, kreative Lösungen andererseits. Ausgangspunkt für ihre Ausführungen ist der oben schon erwähnte Sketch, in dem Opa Hoppenstedt die Frage einer Verkäuferin nach dem Geschlecht seines Enkelkindes unbeantwortet lässt und sich – der Unwichtigkeit dieser Information für die Auswahl eines Geschenks bewusst – seiner Zeit weit voraus präsentiert. Katrin Lehnen hat den dieses Buch abschließenden Text geschrieben. Es ist ein kleiner Jahresrückblick, der von Zeit handelt, die ihr davonläuft, und der ganz nebenbei Einblick gibt in linguistische Methoden, den Anspruch an Forschungsfragen, die Generierung von Hypothesen, die Schwierigkeiten und Rückschläge bei der Datenerhebung und der alles andere als Enttäuschung hinterlässt.

So steht nun nicht nur Weihnachten vor der Tür, sondern Ihnen die Lektüre eines Buches bevor, das keine neue Schnittstellendisziplin begründen will, vielmehr ist es Glanzpapier, das das inspirierende Spektrum der (hier gewählten) sprachwissenschaftlichen Zugänge und Beschreibungsebenen (Phonetik, Syntax, Semantik, Pragmatik, Angewandte Linguistik, Diskurslinguistik, Genderlinguistik, Erzählerwerbsforschung, Internetlinguistik, Kognitive Linguistik, Kontaktlinguistik, Kontrastive Linguistik, Korpuslinguistik, Kulturlinguistik, Lexikographie, Medienlinguistik, Namensforschung, Phraseologie, Politolinguistik, Religionslinguistik, Soziolinguistik, Varietätenlinguistik) umhüllt und als das deklariert, was es ist – ein exklusives Geschenk.

Dafür, dass sie sich auf diese Bescherung eingelassen haben, möchte ich allen Beiträger*innen von Herzen danken. Die Kuratierung dieses Buches war nicht zuletzt deshalb eine so große Freude, weil die zwischenzeitliche Abstimmung zu skurrilen, höchst witzigen, aber auch sehr berührenden – eben kostbaren – Momenten und Para-Interaktionen geführt hat. Danken möchte ich auch dem Narr-Verlag für die Aufgeschlossenheit gegenüber dieser Idee, die Verwirklichung noch im selben Jahr und für das Entgegenkommen bei allen gestalterischen Fragen, hierbei ganz besonders natürlich meinem hochgeschätzten Lektor, Tillmann Bub, und dem äußerst geduldigen Ansprechpartner in der Produktion, Arkin Keskin.

Möge das Buch Ihnen soviel Freude beim Lesen bereiten, wie mir im Entstehungsprozess. Möge es zudem von praktischem Nutzen für alle Linguist*innen sein, nämlich als ideales Weihnachtsgeschenk für die lieben Kolleg*innen, aber auch als ganz konkrete Antwort auf die (häufig an Weihnachten im Verwandtenkreis gestellte) Frage, was man eigentlich immer noch an der Uni treibe? Möge es also auch fachfremden Leser*innen einen Eindruck von der Linguistik vermitteln und Einsicht, warum man von diesem facettenreichen, gesellschaftlich so relevanten Fach nicht mehr loskommt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Lesegenuss so fein wie Weihnachtsgebäck, so erhellend wie eine sternenklare Winternacht und so aufregend wie die Wartezeit auf den Heiligen Abend, ich wünsche Ihnen ein Frohes Fest.

Konstanze Marx (weihnachtlich gestimmt im August 2020 und nun vier Monate in ungeduldiger Vorfreude)

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