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Linguistische Weihnacht in Reimen
ОглавлениеNina Janich
Gefragt ist, was die Wissenschaft
von Sprache für ein Wissen schafft,
wenn für ein Buch sie soll beachten
das heil‘ge Wort der Weihenachten.
Nun geht das ja etymologisch,
vielleicht auch epistemologisch,
ganz spannend auch nur graphologisch,
doch weniger schlicht nur katholisch.
Hört man nur zu und ignoriert,
wie Weihnacht meist geschrieben wird,
dann könnte man ja fast sich denken,
dass Weinliebhaber sich was schenken:
Den Wein [zu] achten als ‘ne Regel,
die stets erhöht Promillepegel?!
Doch auch wenn Wein im Christentum
mit Weihnachten hat was zu tun,
weil ohne Wein kein Abendmahl,
was wied‘rum nötig jedesmal,
wenn man die Messe richtig feiert,
so ist das eher rumgeeiert
und linguistisch nicht sehr klug.
Die Editorin uns ja frug,
was wir als Forscher sagen wollen
und was die Leute wissen sollen.
Drum lasst mich mal kurz überlegen,
was wichtig ist an Forscherwegen:
In welchem Licht wir könn’n betrachten
das Phänomen und Wort Weihnachten?
Ist es zum Beispiel int’ressant,
wie Sprache hier Grammatik fand:
dass hier ein Dativ ist zu finden,
den Mensch an den Termin zu binden?
Gemeint ist ze den wîhen nachten,
die‘s Abendland so christlich machten.
Oder soll’n sprechen wir vom Frame
Der letztlich Grund für Weihnachts fame,
durch das, was gleich wird evoziert,
von defaults, die man provoziert:
Was sind hier wicht’ge filler-Werte
die man – sie fehlten! – stark entbehrte?
Geschenke, Lichter und ein Baum,
vom leise rieselnd Schnee ein Traum,
dann Plätzchen, Glocken und auch Engel,
im Stroh ein kleiner blonder Bengel;
doch Zeit auch, Ruhe, Innehalten,
ein Sich-Entzieh’n Konsums Gewalten.
Dies leitet über zu den Fragen,
die uns stets auf der Zunge lagen,
wenn wir Diskurse uns anschauen:
Kann man denn Weihnacht noch vertrauen?
Ist’s noch ein echt Familienfest,
vielleicht doch nur Geschenkzwang-Pest?
Wie nutzen Politik und Staat
den tief’ren Sinn, wenn Weihnacht naht,
um Solidarität zu schüren,
die Menschen weg vom Hass zu führen,
an Hunger, Armut zu erinnern,
und wie medial im Fernsehflimmern,
die Religionen zu versöhnen –
die ohne Jesus nicht zu höhnen?
Vielleicht geht’s aber auch ganz schick
mal um ‘nen ganz ganz and’ren Blick:
Vielleicht wär‘ auch mal zu erwägen,
die Frag‘ soziolektal zu prägen,
wie wir an Weihnachten so sprechen
beim Schenken, Schmücken, Brote brechen,
und ob beim großen Fest der Liebe
Familiensprache Blüten triebe?
Was beispielsweis‘ aus Kirchenliedern
im Weihnachtssprech sich tut erwidern,
ob‘s sowas gibt wie Weihnachtsstil
voll Lichterglanz und Worten viel,
ob Werbung uns längst hat im Griff:
Was hat geladen denn das Schiff?
Die Tür macht auf, das Tor macht weit:
Der Linguistik Fragen breit
konnt‘ ich so nur ganz kurz skizzieren,
will mich drin weiter nicht verlieren.
Ich glaub, ich kehr zurück zum Wein,
der darf an Weihnachten auch sein,
und statt mich weiterhin zu fragen,
was ich zu Weihnachten könnt sagen,
wünsch ich euch nun mit aller Macht
‘ne heilige und stille Nacht.
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