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JAN-NIKLAS JÄGER

Lesley Gore

• ERSTES ALBUM 1963

Am 28. und 29. Oktober 1964 strömte eine Masse junger Menschen in die Halle des Santa Monica Civic Auditorium in Kalifornien. An diesen zwei Tagen fand die T.A.M.I. Show statt, eine Art Mini-Festival, das sich von der heutigen Bedeutung des Begriffs insofern unterscheidet, dass an beiden Abenden die gleichen Acts spielten. T.A.M.I. stand dabei für »Teen Age Music International« (oder wahlweise auch für »Teenage Awards Music International«, obwohl an keinem der Abende irgendjemand einen Award verliehen bekam) und da das Spektakel filmisch festgehalten wurde, wurden an den High Schools Santa Monicas Tickets verteilt, um sicherzustellen, dass das Konzert auch gut besucht sein würde. Dass es die Produzenten des Films anscheinend als nötig ansahen, Tickets zu verschenken, verwundert angesichts des Line-ups, das sie aufweisen konnten. Als Headliner traten die Rolling Stones und James Brown auf; der Konflikt darüber, wer als letztes spielen sollte, hat es in die Popgeschichtsbücher geschafft. (»Nobody follows James Brown«, soll der Godfather of Soul ausgerufen haben, nachdem er erfahren hatte, dass die Stones genau das tun würden.) Außerdem dabei: Chuck Berry, The Beach Boys und The Supremes, die zuvor drei Nummer-Eins-Singles in Folge hatten und beinahe die einzigen Frauen waren, die auf der Bühne standen.


7"-Cover zu Lesley Gore, It’s My Party (Mercury, 1963)

Die einzige weitere Ausnahme war Lesley Gore, die ein halbes Jahr zuvor 18 Jahre alt geworden war, was sie zur jüngsten Künstlerin im Line-up machte: Sie war der einzige Teen-Popstar im wahrsten Sinne des Wortes. Nachdem Marvin Gaye seinen Auftritt beendet hatte, kam Gore auf die Bühne und sang zunächst »Maybe I Know«, einen Song über einen untreuen Freund und die Hoffnung auf eine Umbesinnung seinerseits, der die Unterwürfigkeit und Naivität verkörpert, wie sie in den Frauenbildern so vieler Hits dieser Zeit stecken. Doch schon im nächsten Stück sollte Gore mit genau diesem Bild brechen. Es folgte »You Don’t Own Me«, eine feministische Anklage im Dreivierteltakt. Zu Beginn des Stücks nimmt Gore noch mit demselben Lächeln, das auf den Hüllen ihrer Platten prangte, den Applaus entgegen, dann verdüstert sich ihre Miene und sie geht langsam nach vorne. Sie geht tief in sich, wirkt nun ernst, ruhig und gelassen. »You don’t own me«, fängt sie in tiefer Tonlage an zu singen, »I’m not just one of your many toys / You don’t own me / Don’t say I can’t go with other boys«. Ihr trockener Blick in die Kamera scheint dabei zu sagen: »Ihr könnt mir gar nichts anhaben.«

Als die Single 1963 erschien – im selben Jahr wie Betty Friedans The Feminine Mystique – wurde sie zu Gores zweitgrößtem Hit (nach »It’s My Party«); einzig »I Want to Hold Your Hand« von den Beatles konnte sie vom ersten Platz der Charts fernhalten. Geschrieben wurde der Song übrigens von zwei Männern – John Madara und Dave White –, ein Umstand, der von heutigen Internetkommentatoren gerne herangezogen wird, um die Errungenschaften des Songs zu negieren, was insofern Unsinn ist, als dass Gore sich selbst für den Song entschieden hatte und auch Männer in der Lage sind, feministische Positionen einzunehmen. Doch auch außerhalb seines feministischen Kontexts fand die Widerspenstigkeit dieses Teen-Pop-Klassikers Anklang. Neben Coverversionen anderer Künstlerinnen wie Dusty Springfield (1964) und Joan Jett (1979), die seine Aussage in den Rock trug, ist die Version des homosexuellen New-Wave-/Avantgarde-Künstlers Klaus Nomi (1981) bemerkenswert, die durch die Betonung eines einzigen Wortes einen Identitätswechsel vollzieht: »Don’t say I can’t go with other boys!« (In diesem Kontext nicht uninteressant ist, dass sich Lesley Gore 2005 selbst als lesbisch outete.)

Doch zurück in den Oktober 1964. »You Don’t Own Me« richtet sich nahezu ausschließlich in Imperativen an sein männliches Gegenüber: »Don’t tell me what to do / Don’t tell me what to say« und »Don’t put me on display«. Mit dieser Negativität bricht es nur dann, wenn seine Sängerin sich auf sich selbst bezieht. Gore bricht auf der Bühne mit ihrer Zurückhaltung und legt sich wild gestikulierend in die Vollen, wenn sie singt »I’m young and I love to be young / I’m free and I love to be free / To live my life the way I want / to say and do whatever I please«, während sich die Tonart immer weiter in die Höhe schraubt. Man hört jeden Tropfen Leidenschaft, den Gore in diese Zeilen steckt, während sie die beeindruckende Reichweite ihrer Stimme unter Beweis stellt. Es sind Zeilen, die in jeden Song aus der Perspektive freiheitsliebender Jugendlicher passen würden, gerichtet an die Elterngeneration, deren Erwartungen sie klein halten. Doch im Kontext von »You Don’t Own Me« beziehen sie sich explizit auf die weibliche Adoleszenz, die sich eben nicht gegen das dominante Verhalten Älterer richtet, sondern gegen das Verhalten männlicher Gleichaltriger. Der größte Verdienst des Stücks im pophistorischen Kontext ist es, die Scheinheiligkeit popkultureller Emanzipationsbestrebungen anzuklagen und ihre Früchte auch für Mädchen einzufordern. Durch seine Mischung aus wütender Anklage und euphorischer Lebensfreude entwickelt »You Don’t Own Me« eine ganz eigene Dynamik, die es über die bloße Notwendigkeit seiner Aussage hinauswachsen lässt. Es ist nicht weniger als eine der größten Errungenschaften der Brill-Building-Ära.

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