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Jasper Nicolaisen

Hildegard Knef

• ERSTE SHELLAC 1952

Hildgard Knef, puh, nee. Weiß ich wenig drüber. War das nicht, war die. Hieß sie nicht eigentlich Hildegarde Neff? Oder Neft? War sie nicht nackt in einem Film nach dem Krieg? Sang sie nicht für Nazis, gegen Nazis, war sie nicht blond und blauäugig, wollte sie nicht keinen Fuß mehr auf deutschen Boden setzen, war dies nicht Marlene Dietrich? Sang sie nicht Schlager? Sprach sie nicht überwiegend Französisch oder Schwedisch, fuhr sie nicht mit Autos durch Italien? Heiratete sie nicht einen Filmmogul, der sie in Amerika groß herausbrachte, eroberte sie nicht Hollywood? War sie nicht Zeitgenossin Rainer Werner Fassbinders, saß sie nicht auf Gottschalks Sofa, gehörte sie nicht zum »Inventar der alten Bundesrepublik«? Wollten wir nicht nichts mit ihr zu tun haben? Vermengte sie nicht Jazz und Pop und Radioswing mit deutschen Texten, war sie nicht eine weibliche Harald Juhnke? Sollte es nicht für sie rote Rosen, sollte es nicht Acid regnen für sie? Trat sie nicht in Form einer Punkband in einem Film über die erste schwule Liebe auf, sagte sie nicht mit siebzehn still ich will nie lügen, betrügen? War sie nicht überhaupt selber schwul? Schrieb sie nicht eine Autobiografie mit dem Titel der geschenkte Gaul? Sollten wir ihr nicht nicht ins Maul schauen? Haben wir dies nicht auch nicht getan? Kannten wir sie überhaupt? Kennen wir sie überhaupt? Sagte nicht Karl Lagerfeld über sie, die war nie in Paris, die kennen wir hier nicht? War sie nicht nach heutigen Maßstäben zu dick, war sie nicht eine Ikone der Schönheit? Kam sie nicht im tiefsten Winter zur Welt, hat dreimal geniest, sich müde gestellt, war der Vater nicht wütend, er wollte einen Sohn, sie sah sich so um und wusste auch schon: von nun an geht’s bergab? Haute nicht nichts sie um, aber wir? War sie nicht bekannter als Rammstein, bevor Rammstein kam? Hatte sie nicht Heimweh nach dem Kurfürstendamm? Verebbte nicht ihre Kraft, umflutete sie nicht Angst? Erstickte sie nicht die Nacht, erschreckte sie nicht der Tag? Schoss er ihr nicht einen Ring aus Aluminium und eine Rose aus Papier? Glaubte sie nicht, nie eine Dame werden zu können? Wurde sie nicht von Heike Makatsch verkörpert?


Hildegard Knef, 1969

Sie möchte noch ein wenig reden. Wir müssen nur zuhören und auch nichts verstehen.

Wer Pop liebt, wer vielleicht sogar vom Punk kommt, der hat für Hildegard Knef nichts übrig – es sei denn Extrabreit, mit denen Knef noch sang, gelten als Punk, oder man erkennt die Frittenbude-Anspielung weiter oben. Oder es ist mal wieder schwules Tanzcafé. Aber sonst? Sie erscheint zu deutsch, zu bieder, zu vorgestrig, zu sehr beige-braunes Fernsehballett in West-Berlin. Ist sie nicht irgendwie die große Schwester von Reinhard Mey, hat sie nicht Heinz-Rudolf Kunze das Mikrofon gereicht? Ist sie nicht durch und durch öffentlich-rechtlich? Sie ist doch so furchtbar? Oder? Also, gar nicht mal so schlimm, nur nicht wert, dass man sich mit ihr befasst. Oder? Man hört ja auch nicht plötzlich … was weiß ich, wen man plötzlich nicht hört! Gut, man kennt auch ein paar Verschrobene, die begeistern sich für France Gall … Biermann soll ja, bevor er verrückt wurde, auch ganz gute Lieder … ja, jetzt sind wir schon nicht mehr bei Knef. War sie überhaupt eine anständige Feministin? Gut, die katholische Kirche hat Die Sünderin boykottiert. Gut, sie war ein Star in Hollywood. Aber reicht uns das schon? Gut, sie klang wie viele Packungen Zigaretten und nicht wie ein süßes Mädchen. Gut, Ella Fitzgerald sagte über sie, sie sei die beste Sängerin, die nicht singen kann, und das klingt ja schon ein bisschen cool, ein bisschen nach Punk. Aber hat nicht auch Heino mit Mick Jagger und der Typ von den Scorpions mit, ach, werden die nicht alle in Amiland abgekultet, diese schrecklichen Schlagerfuzzis und Schwanzrocker aus diesem Scheißdeutschland?

Boah, Mensch. Hildegard Knef.

Leg doch mal so eine Platte auf. Spinnst du, ich hab doch keine Platte von Hildegard Knef. Dann eben YouTube. Mach doch mal.

Es knistert so. So vinylig. Streicher, ja. Bisschen Blech. Jazzbass, ne. So Besenschlagzeug. Fernsehballett, sag ich ja. Oh, die Stimme. Hart, metallisch. Und Rauch und Regen. Das Knistern, das ist doch Regen. Wo singt die her, was ist das. Faltig. Eine faltige Stimme. Sehnsucht von tief unten. Abgeklärt auch. Unsentimental. Und doch gefühlvoll. Siehst du, sofort will man reden wie so eine Plattenrezension. Ich sag mal, der Mythos und die Verklärung, das Abgeschmackte und das Aberanzte, das liegt hier alles echt sehr nahe beieinander.

Mögen wir das? Finden wir das gut? Wie alt bist du eigentlich? Findest du auch schon Grönemeyer eigentlich gar nicht mehr so schlimm? Ey, ich hau dir gleich ’n paar.

Hildegard Knef, Mensch. Ist die schon reif für eine Entdeckung oder Wiederentdeckung? Keine Ahnung. Aber dass wir überhaupt schon so lange über sie reden, das heißt doch wohl, dass irgendwas dran ist an ihr, irgendwas, was mehr ist als Heino, Scorpions oder Harald Juhnke.

Aber was? Was ist es?

Brillen.

Brillen?

Ja, Brillen. Trug sie nicht große, ja übergroße Brillen?

Können wir uns wirklich darauf einigen? Dass an ihr mehr Brillen dran sein sollen als an Heino, dem Sonnenbrillenmann?

Sie bleibt vielleicht einfach rätselhaft.

Und Rätselhaftes mögen wir am liebsten!

These Girls

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