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EBBA DURSTEWITZ

Laura Nyro

• ERSTE LP 1967

Als die Singer-Songwriterin Laura Nyro, nach mehreren erfolglos gebliebenen Nominierungen in den Jahren zuvor, 2012 endlich in die Rock ’n’ Roll Hall of Fame aufgenommen wurde, ging ein (mehrheitlich männliches) Raunen durch die über Popularmusikalisches berichtenden Medien: Laura Nyro, das war doch diese sagenhaft schlecht gekleidete, in von russischen Matronen genähten, unförmige schwarze Samtplünnen gehüllte »Rock-Ophelia«, die ihrerzeit mit Ach und Krach einen Top-100-Hit gehabt hatte, der es 1970 gerade mal für zwei Wochen auf Platz 92 der Billboard Charts schaffte. Und so furchtbar war ihr Auftritt auf dem berühmten Monterey Festival gewesen, dass er in D. A. Pennebakers Konzertfilm Monterey Pop aus dem Jahr 1968 gar nicht enthalten war. Wie drei tanzende Elefanten im Zirkus, so sei sie dort auf der Bühne rübergekommen, hatte ihr damaliger Manager Artie Mogull gesagt. Und sogar noch im Rückblick, als er zu dieser Äußerung befragt wurde: »She pissed me off!«

Dass diese Person mit ihren zwei Handvoll Alben (mit im Übrigen für damalige Verhältnisse lächerlich kleinen Auflagen von, wenn es hoch kam, gerade mal 400.000) nun Aufnahme in die ehrwürdige Hall of Fame finden sollte, empfand mancher als »ungeheuerlich« und als Zeichen der »Arroganz und Schulmeisterei« vonseiten der Hall of Fame, die solchermaßen deutlich ihre Verachtung dem breiten Publikum gegenüber zeige, dem durch die Wahl Laura Nyros mit erhobenem Zeigefinger und auf unerträglich herablassende Art vorgeschrieben werden solle, was für Musik es gut zu finden habe, statt die Künstler zu wählen, deren Musik bei ebendiesem Publikum wirklich ankäme. Kulturellen Elitismus nannte es der Journalist Hampton Stevens im weinerlichen Duktus der Opferstilisierung in der Washington Times.

Offensichtlich macht Laura Nyro Angst. Manchen Menschen zumindest. Damals wie heute. Zu Lebzeiten und posthum. »She pissed me off!« Du liebes Bisschen!

1947 wurde die spätere Angstmacherin in der New Yorker Bronx als Kind russisch-jüdisch-italienisch-katholischer Eltern geboren. Sie war kaum 19, als sie ihr erstes Album More Than a New Discovery aufnahm. Insbesondere ihre ersten drei Alben enthalten entgegen den eingangs erwähnten Unkereien unzählige (auch: kommerzielle) Hits: »And When I Die«, »Stoned Soul Picnic«, »Wedding Bell Blues«, »Stoney End«, »Eli’s Comin’«. Nur waren es andere, die mit Nyros Songs Hits hatten, wie z. B. Blood, Sweat & Tears, Peter, Paul & Mary, Fifth Dimension, Barbra Streisand oder Three Dog Night. 1969 waren gleich drei Top-Ten-Hits, die sich wochenlang in den Billboard Charts hielten, Songs, die Laura Nyro geschrieben hatte.

Ebenso groß und beeindruckend ist der Einfluss, den Nyro auf andere Künstler*innen hatte (und bis heute hat), wie – unter anderen und in keiner bestimmten Reihenfolge – auf Bob Dylan, Barry Manilow, Ricki Lee Jones, Joni Mitchell, Phoebe Snow, Patti Smith oder Jackson Browne. Sagenumwoben ist die Bedeutung, die ihr Todd Rundgren im Hinblick auf den Verlauf seiner eigenen musikalischen Karriere beimisst. Er habe, nachdem er sie zum ersten Mal live erlebt habe, seinen gesamten Stil verändert (Rundgrens Song »Baby Let’s Swing« erzählt von diesem Erlebnis). Carole King wiederum ließ sich von Laura Nyro dazu inspirieren, von der Songwriterin zur Singer-Songwriterin zu werden und die eigenen Stücke fortan selbst, am Piano sitzend, vorzutragen. Der Gesangsstil einer Kate Bush ist für viele ohne Laura Nyro nicht denkbar. Suzanne Vega, Alice Cooper, Tori Amos, Bette Midler, Elton John, Stevie Wonder, Cindy Lauper, Elvis Costello – alle nennen Laura Nyro als Einfluss, und Lady Gaga ist angeblich kurz davor, Nyro in einem Biopic zu verkörpern. Der rührendste Nyro-Fan und Epigone aber ist der als Musiker völlig unbekannte Bill Puka, der 1970 ein gleichnamiges Album (sein einziges) veröffentlichte, das so erfüllt ist, nicht nur von der Verehrung Nyros, sondern auch von einem so tiefen Verständnis und einer Liebe zu ihrem Werk, dass es beim Hören vor Freude kaum auszuhalten ist. Heute ist Bill Puka Philosophieprofessor und Kognitionswissenschaftler, der auf der Frage- und Antwortplattform quora.com gute Antworten auf wichtige Fragen parat hat. Auf eine seltsame Art scheint das folgerichtig.

Woher rührt also die auffällige Gehässigkeit, mit der immer wieder auf vermeintlichen Schwächen der 1997 an Krebs verstorbenen Künstlerin herumgeritten wurde? Woher die Heftigkeit der Reaktionen? Ihre Stimme sei »schrill und anmaßend«, schrieb der Publizist Don Heckman, ihre Performance »auf ermüdende Weise intensiv« und »ihr Klavierspiel auf stinklangweilig-stumpfe Art impressionistisch«. »Verkrampfter Quatsch«. Seltsamerweise würden sich die »Nyro Freaks« davon nicht abschrecken lassen.


Laura Nyro, Gonna Take A Miracle (Columbia, 1971)

Es muss sich – nicht sehr originell – wieder einmal um die Angst vor dem Unbekannten und Nicht-Einzuordnenden handeln, und darum, dass hier jemand viel zu viel von allem war: zu viel Musik, Soul, R&B, Jazz, Folk, Gospel, Debussy, Kirchenmusik, Ravel und Broadway Show Tunes. Zu viele harmonische und rhythmische Brüche, zu viele Asymmetrien. Zu viel Text mit zu vielen Rätseln und Mysterien zwischen zu viel Himmel und Hölle. Zu viel Überirdisches, zu viel Jenseitiges, zu viel Andersartigkeit, zu viel Eigenständigkeit, und ja, bestimmt auch zu viel Weiblichkeit. Dazu der Kleidungsstil, der nicht den Moden der Zeit entsprach, die Performance und der Gesangsstil, die Art der »Karriereführung«, die sich gängigen Veröffentlichungsintervallen sowie Promo- und Konzerttouren bald verweigerte. Die Ablehnung von Etikettierungen, von »Tagging« und Klassifizierung, von Schubladen und der Vereinnahmung für die Zwecke anderer. Überhaupt – dieses Sein und diese Songs zwischen Suada und Philippika, zwischen sanfter Überredung und wütender Brandrede. Überall bei Nyro wimmelt es von Ambivalenzen und Paradoxa. Ihre Songs sind mal wie Würfel, die rund und sanft wie kleine Kugeln kullern, statt ungelenk über den Boden zu taumeln, und dann wieder wie Kugeln, die stolpern und anecken, statt geschmeidig über die Ebene zu gleiten. Siebenseitige, runde Würfel; eckig-gebogene Kugeln. Und all das kann im nächsten Moment als folgenreiches Geschoss auf einen zuzurasen. Zu viel. Natürlich macht das Angst.

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