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Bruno Schulz (1892–1942)

Es begann mit dem Ausbrüten von Vogeleiern.

Mit großem Aufwand an Mühe und Geld ließ sich mein Vater aus Hamburg, aus Holland, aus afrikanischen zoologischen Stationen befruchtete Vogeleier kommen, die er riesigen belgischen Hühnern zum Ausbrüten unterlegte. Es war dies auch für mich eine höchst spannende Prozedur – dieses Ausschlüpfen der kleinen Vögel, wahrer Scheusale an Gestalt und Gefieder. Man konnte in diesen Monstren mit den riesigen, phantastischen Schnäbeln, die sie sofort nach ihrer Geburt weit aufrissen, um in den Tiefen ihrer Schlünde gefräßig zu zischen, in diesen Echsen mit den schwächlichen, nackten Körpern von Buckligen keine zukünftigen Pfauen, Fasanen, Häher und Kondore erkennen. In Körben und in Watte untergebracht, reckte diese Drachenbrut auf dünnen Hälsen die blinden, mit dünnem Flaum bedeckten Köpfe und quakte lautlos aus stummen Kehlen. Mein Vater ging in einer grünen Schürze an den Regalen entlang wie ein Gärtner an seinen Kakteenbeeten und erlöste diese blinden, von Leben pulsierenden Bälge, diese unbeholfenen und unersättlichen Bäuche, welche die Außenwelt nur in der Form von Futter aufnahmen, diese Auswüchse des Lebens, die sich im Finstern tappend ans Licht drängten, aus ihrem Elend. Ein paar Wochen später, als diese blinden Knospen des Lebens ins Licht geborsten waren, füllten sich die Zimmer mit der bunten Geschwätzigkeit und dem flirrenden Zwitschern ihrer neuen Bewohner. Sie besetzten die Vorhangstangen der Fenster, die Gesimse der Schränke und nisteten im Dickicht der zinnernen Zweige und Arabesken der vielarmigen Hängelampen.

Während mein Vater große ornithologische Kompendien studierte und in bunten Tafeln blätterte, schienen die gefiederten Phantasmen aus ihnen zu entfliehen und das Zimmer mit buntem Geflatter, mit Purpurlappen, mit Scherben aus Saphir, Grünspan und Silber zu erfüllen. Während des Fütterns bildeten sie auf dem Fußboden ein buntes wogendes Beet, einen lebenden Teppich, der – wenn jemand unbedacht eintrat – zerfiel, in bewegliche Blumen zerstob, die in der Luft flatterten, um sich schließlich in den oberen Regionen des Zimmers niederzulassen. Im Gedächtnis blieb mir besonders ein Kondor, ein riesiger Vogel mit nacktem Hals, zerfurchtem Gesicht und üppigen Auswüchsen. Es war ein magerer Asket, ein buddhistischer Lama, voll unerschütterlicher Würde in seinem ganzen Verhalten, das sich nach dem eisernen Zeremoniell seines großen Geschlechts richtete. Wenn er meinem Vater gegenübersaß, reglos in der monumentalen Haltung uralter ägyptischer Gottheiten, das Auge mit einem weißen Häutchen überzogen, das er seitlich über die Pupillen schob, um sich ganz in die Kontemplation seiner vornehmen Einsamkeit zu versenken, schien er mit seinem steinernen Profil ein älterer Bruder meines Vaters zu sein. Die gleiche Materie des Körpers, der Sehnen und der gerunzelten harten Haut, das gleiche trockene und knochige Gesicht, die gleichen hornartigen, tiefen Augenhöhlen. Sogar die Hände, stark in den Gelenken, die langen mageren Hände des Vaters mit den runden Fingernägeln, hatten ihr Analogon in den Krallen des Kondors. Ich konnte mich, wenn er so schlief, nicht dem Eindruck entziehen, eine Mumie vor mir zu haben – die ausgetrocknete und deshalb kleiner gewordene Mumie meines Vaters. Ich glaube, daß auch der Aufmerksamkeit meiner Mutter diese sonderbare Ähnlichkeit nicht entgangen war, obwohl wir niemals dieses Thema berührten. Charakteristisch war, daß der Kondor das gleiche Nachtgeschirr wie mein Vater benutzte. Sich mit dem Ausbrüten immer neuer Exemplare nicht zufriedengebend, veranstaltete mein Vater auf dem Dachboden Vogelhochzeiten, schickte Brautwerber aus, band in den Luken und Löchern des Dachbodens anmutige und sehnsuchtsvolle Bräute fest und brachte es tatsächlich fertig, daß der Dachboden unseres Hauses – eine gewaltige schindelgedeckte Mansarde – eine richtige Vogelherberge, eine Arche Noah wurde, in die Geflügelte jeglicher Art aus fernen Ländern geflogen kamen. Noch lange nach der Liquidierung dieser Vogelwirtschaft wurde in der Vogelwelt die Tradition unseres Hauses aufrechterhalten, und zur Zeit der Frühlingszüge ließen sich manchmal auf unserem Dach ganze Schwärme Kraniche, Pelikane, Pfauen und allerhand anderer Vögel nieder.

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