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Olivier Messiaen (1908–1992)

Am 23.9.1955 steige ich in Brest auf das Schiff Enez-Eusa (was »Ouessant« bedeutet), um auf die Insel Ouessant zu fahren. Dort werde ich den Seevögeln zuhören, auf Einladung von Robert-Daniel Etchécopar, einem berühmten Ornithologen, der mich begleitet und gleichzeitig die Beringung von Vögeln vornehmen wird.

Das Meer ist schön: marineblau, nattierblau, preußischblau mit Silber- und Goldschimmern. Das Meer wird vom Kielwasser des Schiffes aufgefaltet, runzelig gemacht. Weißer Schaum bleibt zurück, und hohe Wellen werden emporgehoben: Hügel, die zu Tälern werden, zu Hügel verwandelte Täler in einem unaufhörlichen Wechsel.

Die Sonne zeichnet Achter-Spuren in das Blau des Meeres mit blassen grünlichen bis blau-grünen Zirkeln in der Mitte. Klippen, steile Felswände, von niedrigem, dunkelgrünem Bewuchs bedeckt mit einigen ziegelroten Flecken an ihrem Fuß.

Jetzt wechselt das Meer zu einem Silberblau in seinen erleuchteten Flächen, zu einem Schwarzgrün in seinen dunklen.

Auf dem Schiffsdeck bin ich hin- und hergerissen zwischen dem Notieren der Wellen – Bündel von Meereswasser, die gegen große Felsen zersplittern, die selbst, moos- und tangbewachsen, zerklüftet sind – und der Beobachtung der Vögel mit dem Fernglas, auf die mich Herr Etchécopar hinweist und deren Schreie ich ebenfalls notiere … Eine Symphonie aus unerhörten Klangfarben: Austernfischer, Großer Brachvogel, Brandseeschwalbe, Zwergseeschwalbe, Rosenseeschwalbe, Basstölpel, Krähenscharbe, Mantelmöwe, Silbermöwe, Sturmmöwe, Trottellumme, Möwen, Flussuferläufer, Rotschenkel, Trauerseeschwalbe, Steinwälzer, Flussregenpfeifer, Papageitaucher usw. usw.

Alle diese Vögel fliegen über dem Wasser, dem Schiff, den Küstenfelsen, die von wütenden Wellen geohrfeigt werden, die sich wie in einem Ansturm auf Säulen, Treppen, Backenzähne, Kopfformen von Hunden, Löwen, Adlern oder erschreckenden vorgeschichtlichen Ungeheuern werfen.

Ich muss gegen den Lärm der Fluten, gegen das mein Notenpapier benässende Salzwasser, gegen den Wind ankämpfen, der mir mein Fernglas, meinen Regenmantel, meine Tasche entreißt, als ich diese so wertvollen und neuartigen Rufe und Gesänge notiere … Es ist kein einfaches Unterfangen. Ich habe auch mit der Seekrankheit (die Reise dauert mehr als eine Stunde) und der Angst zu kämpfen, denn das Schiff muss gefährliche Riffe vermeiden, die es zerschmettern könnten, wenn der Wind es gegen sie schleudern würde …

Also Angst, Lärm, Sturm … Aber auch die unermessliche Freude, endlich alle diese Seevögel zu hören, von denen ich seit so langer Zeit träume! Ich kann nicht ausführlich über alle diese Vögel sprechen, weil so viele Spezies am Ozean und an den Meeresküsten leben, dass man ein ganzes Buch schreiben müsste …

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