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Teresa Präauer (*1979)

Um Tiere anzulocken, hilft es aber auch, sich auf die Lauer zu legen und ihre Rufe und Laute nachzuahmen oder diese einfach als Tonaufnahmen abzuspielen. Für den Vogelfang gibt es allerlei Vogelflöten aus dem Jagdbedarf. Imitieren, anlocken, fangen und töten geraten hier in eine gemeinsame begriffliche Nähe, als hätten Neugier, Wissensdurst und Sammelleidenschaft sich mit einer Art von Vernichtungswillen gepaart, von dem die naturhistorischen Museen, die Menagerien, die Kunst- und Wunderkammern bis heute Zeugnis ablegen. Von John James Audubon ist bekannt, dass er im Furor des Anspruchs, für The Birds of America jede Vogelart des Landes abzubilden, auf seinen Reisen mit feinem Schrot Tausende von Vögeln geschossen hat. Er fixierte die Vögel danach mit Drähten und Schnüren, um sie in lebensähnlichen Posen, wie beim Jagen oder Fressen, zeigen zu können. Audubon malte mit wasserlöslichen Farben, Pastellkreiden und Tusche, die Kupferstiche samt Kolorierung wurden danach von einer Werkstatt angefertigt und in den Jahren von 1827 bis 1839 als Serie von je fünf losen Blättern für Subskribenten, vorerst ohne erläuternden Text, herausgebracht. Die so entstandene erste Ausgabe dieser Enzyklopädie der Vögel Amerikas hat das Format »double elephant folio« und misst in der Höhe fast einen Meter. Damit können die Vögel in Lebensgröße gezeigt werden, im Bildhintergrund dabei vereinzelt die natürliche Umgebung von Landschaft, Himmel und Wasser, die in ihrer Farbgebung selbst wieder etwas Dramatisch-Artifizielles bekommt. Auch wenn der Anspruch, die Tiere möglichst naturgetreu abzubilden, sich in der präzisen, fast sachlich anmutenden bildnerischen Gestaltung hier weitestgehend erfüllt, bleibt doch etwas, das zuvorderst künstlerisch-ästhetischen Gesetzmäßigkeiten folgt und damit eine innerbildliche Wirklichkeit erschafft: Auswahl, Bilddiagonalen, Ornamentierung, Farbkontraste, alles das baut auch mit an der Welt, wie wir sie später wahrnehmen. Zwei weiße Gerfalken mit schwarzen Flecken im Gefieder stecken bei Audubon ihre aufgerissenen Schnäbel aneinander, dahinter ist der Himmel diffus-schwarzblau wie vor einem unwirklichen Gewitter. Linné beschrieb aufgrund der variablen Gefiederfarbe noch Unterarten des Gerfalken, die heute nicht mehr voneinander abgegrenzt, sondern als individuelle Merkmale einer Art gezählt werden. Andere Vögel, die Audubon gezeichnet hat, sind mittlerweile vollständig ausgestorben und nur noch in den Bildern erhalten oder als einzelne Tierpräparate im Museum, teilweise wurden auch aus den Organen nach der Entnahme, eingelegt in Alkohol, Feuchtpräparate hergestellt. Im Naturkundemuseum in Berlin gibt es einen riesigen dunklen Raum voll von solchen Gläsern mit eingelegten kleinen Tieren, Weichteilen, Organen in gelb leuchtenden Flüssigkeiten. Abseits der öffentlich zugänglichen Ausstellungsräume befindet sich im ersten Stock ein Saal, der über und über bestückt ist mit ausgestopften Vögeln in Regalen und Laden, gefüllt mit leeren Vogelbälgen. Der Vorteil der Lagerung als Balg, also der Haut samt Gefieder, Schnabel, Füßen und Beinen, gegenüber der Dermoplastik, dem ausgestopften Tier, liegt in der platzsparenden Handhabung und in der vermeintlichen Objektivierung für den wissenschaftlichen Gebrauch, wohingegen das ausgestopfte Tier stärker eine Interpretation des Habitus mitliefert. Wenn man jedoch selbst einmal vor diesen vielen, vielen Schubladen stehen durfte, in denen diese Vogelbälge zu Hunderttausenden liegen, eins neben dem anderen, kleine Papieretiketten ans Bein gebunden mit Beschriftung, lässt einen das Bild nicht mehr los, in welchem die tote Natur und das Wort, die Schrift, die Handschrift auf Papier, für immer verbunden sind, einander physisch nah und dennoch artfremd. Die Etiketten sagen etwas über den ursprünglichen Fundort aus und über die aktuelle Zugehörigkeit zu einer öffentlichen oder privaten Sammlung, sie vermerken aber mitunter auch, was den Vögeln an inneren Organen entnommen wurde. So haben diese kleinen Begleittexte zu den Tieren die Aufgaben der Benennung, der Herstellung von Zugehörigkeit und der Berichterstattung über das, was fehlt und vielleicht verloren gegangen ist. Das ist nicht nur wissenschaftlich, das ist auch poetisch – Tier gewesen, Text geworden.

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