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Der Zukunftscharakter reformierter Identität

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Marco Hofheinz und Matthias Zeindler weisen in ihrer Einleitung darauf hin, dass die Reformierten bei der Identitätsfrage im Nachteil zu sein schei­nen, vergli­chen mit ihren Brüdern und Schwestern in den luthe­ri­schen Kirchen, die nur ins Konkordienbuch zu blicken brauchen, oder mit Geschwistern der katholischen Kirchen, die einfach auf die Stimme des Vatikans hören können. Die Reformierten haben zwar in ihrer Konfession auch eigene «Wegweiser», wie den Heidelberger Katechismus oder die Westminster Confession, aber diese Bekenntnisse definieren nicht welt­weit für alle reformierten Kirchen, wie man das Reformiertsein zu ver­stehen habe. Dennoch müssen die Reformierten hier nicht verzweifeln. In einem Arti­kel zum Thema «Was heisst reformierte Konfession?» schreibt Eberhard Busch, emeritierter Professor für systematische Theolo­gie in Göttingen, über die Reformierten: «Diese Verlegenheit gehört zu ihrer Konfession und unterscheidet sie von anderen Konfessionen.»1 Dieser Satz scheint mir ein schöner Auftakt für meine Aufgabe zu sein, im Kontext unseres Themas etwas über den niederländischen reformierten Theologen Oepke Noordmans (1871–1956) beizutragen. Denn wenn etwas für diesen Theo­logen charakteristisch ist, dann seine Betonung des semper |49| reformanda, das die ecclesia reformata zu kennzeichnen hat. Semper refor­manda, nicht als Hang zur immerwährenden Erneuerung an sich, son­dern – wie auch ur­sprünglich beabsichtigt – als permanente Rückbesin­nung auf das Wort Gottes: Jede historische Gestalt hat sich fortwährend am Evangelium zu prüfen. Dies gilt sowohl für die Gestalt der christ­lichen Lebensform an sich als auch für die Kirche und die Theologie. Ich erläu­tere kurz, was Noordmans damit meint. Zur Lebensform: Das semper re­formanda bringt laut Noordmans auch eine gewisse Entspannung mit sich, denn wer man als Reformierter ist, liegt in Wahrheit in der Zukunft. Mit Paulus geprochen: «Nicht dass ich es schon erlangt hätte oder schon voll­endet wäre! Ich jage ihm aber nach, und vielleicht ergreife ich es auch, da auch ich von Christus Jesus ergriffen worden bin.» (Phil 3,12). Identität entsteht in der Glaubensentscheidung, im Akt des Be­kennens, sie ist nicht gegeben mit dem Besitz von einigen Bekenntnissen. Ich werde darauf am Schluss meines Beitrages zurückkommen. Zur Kirche: Alle unsere Ge­meinschaftsformen sind nach Noordmans noch un­ter­wegs zu ihrem Ur­sprung, wie das in der Pfingstgeschichte dar­gestellt ist: zu Praktiken, die vom Heiligen Geist inspiriert sind. Hinsichtlich der Theologie verlangt das semper reformanda laut Noordmans nach einer personalistischen Erkennt­nislehre, die ihren Ausgangspunkt nicht bei einem abstrakten Begriff oder Prinzip nimmt, sondern – in der Sprache Noord­mans᾿ – bei der «Predigt, die Gott in Jesus der Welt hält», am eindringlichsten auf Golgota.2

Diese Sicht des Reformiertseins im Sinne von Unterwegssein und als eine Beteiligung an einem permanenten Gespräch, in welchem von der eigenen Situation her immer eine Rückbesinnung auf das Christus­ge­schehen statt­findet, hat – so Eberhard Busch – eine lange Tradition. Sie ist schon in Zwinglis Thesen von 1523, dem ersten reformierten Bekenntnis, präsent. Und im «Berner Synodus» von 1532 wird im selben Geist gesagt: «Würde uns aber etwas von unseren Pfarrern oder anderen vorgebracht, das uns näher zu Christus führt und nach Vermögen zuträglicher ist als die jetzt aufgezeichnete Meinung, das wollen wir gern annehmen und dem heili­gen Geist seinen Lauf nicht sperren.»3

Reformierte Identität ist also von Anfang an keine statische, sondern eine dynamische Wirklichkeit, die in der Dynamik des Wirkens des Geistes Christi verwurzelt ist. Sie hat mehr zu tun mit einer Geisteshal­tung, einer sogenannten habit of mind, als mit einer fixierten Reihe von Glaubenswahrheiten. Eine Haltung, die geformt wird durch das Wirken des Heiligen Geistes. Dieses Wirken geht, so Noordmans, gleichsam durch uns hindurch – durch das Herz sowie durch Hände und Füsse – |50| zur Welt (VW 2, 425). Reformierte Identität ist nach Noord­mans ein pneu­ma­tologisches Konzept.

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