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2. ENTSTEHUNG

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Im sumerischen Epos „Emerkara und der Herr von Arata“ will der Herrscher von Kullab seinem Boten eine Nachricht an den König von Arata mitgeben. Doch dies stößt auf eine Schwierigkeit, wie der Text berichtet: „Der Bote – das Wort war schwer – konnte (es) nicht wiederholen. Weil der Bote – das Wort war schwer – (es) nicht wiederholen konnte, formte der Herr von Kullab Ton und schrieb das Wort darauf wie auf eine Tafel. Vorher hatte es das Stellen von Wörtern auf Ton nicht gegeben. Nun, unter dieser Sonne, war es so. Der Herr von Kullab stellte das Wo[rt auf Ton]. Genauso [war] es.“7

Der Text erkennt richtig, dass die Motivation für die Erfindung der Keilschrift in der Überforderung des menschlichen Gehirns lag. Freilich ging es dabei zunächst nicht um die Übermittlung von diplomatischen Schreiben, sondern um die Erfordernisse einer in der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends immer komplexeren Wirtschaft und Verwaltung. Aus dieser Zeit datieren die ältesten Keilschrifttexte, welche in der Stadt Uruk im südlichsten Mesopotamien gefunden wurden. Uruk war damals die bevölkerungsreichste Siedlung des Alten Orients. Der bedeutendste Tempel der Stadt, Eana, besaß ausgedehnte Ländereien, große Herden und zahlreiche Bedienstete. Die Schrift unterstützte die Administration des Tempelhaushalts. Deshalb sind die beiden einzigen frühen Textgattungen, soweit wir sehen, Wirtschaftstexte und lexikalische Listen für die Schreiberausbildung.

Die Idee, das Gedächtnis durch schriftliche Aufzeichnungen zu entlasten, fiel nicht plötzlich vom Himmel. Als Vorläufer der Keilschrift gelten vielmehr Tonmarken bzw. clay tokens,8 die dem Zählen von Tieren und Waren dienten und mit der Entstehung des Ackerbaus im neolithischen Fruchtbaren Halbmond zu verbinden sind. Dieses Zählsystem war von 7500 bis zum Ende des 4. Jahrtausends im gesamten Vorderen Orient, von Anatolien im Westen über Syrien und Palästina bis Mesopotamien und Iran, in Gebrauch. Äußerlich lassen sich unterschiedliche Typen von Tonmarken differenzieren: ursprünglich Kegel, Kugel, Scheibe, Zylinder, Tetraeder, um 3500 kamen Rechtecke, Dreiecke und weitere Formen hinzu. Die Tonmarken wurden teilweise mit Linien oder Punkten versehen und waren in unterschiedlichen Größen vorhanden. Die Anzahl der Marken entsprach der Menge des gezählten Gutes, und zwar offenbar mit einer Eins-zu-Eins-Entsprechung: eine bestimmte Marke steht für ein bestimmtes gezähltes Gut. Die Marken wurden in einer Tonbulle aufbewahrt. Teilweise wurden zusätzlich auf der Oberfläche der Bulle Zahlzeichen angebracht. Von hier war der Schritt zum Weglassen der Tonmarken und zur Beschränkung auf diese zunächst zusätzlich angebrachten Zeichen, vermehrt um Zeichen für das gezählte Gut selber, nicht mehr weit: die Schrift, wie wir sie kennen, war geboren. Dass die Entwicklung von der Tonmarke zum ersten Schriftzeichen nicht nur hypothetisch ist, lässt sich daran ablesen, dass einige der ältesten Zeichen den früheren Tonmarken sehr ähnlich sehen und offenbar von diesen abgeleitet sind.

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