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Konsequenzen für die Forschung

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Feministische poststrukturalistische Forscherinnen stellen Fragen, die selbstverständliches Wissen unterwandern. Sie fragen zum Beispiel: Wie wiederholen feministische Erzählungen den Gegensatz von männlich und weiblich und erzeugen ihn neu? Wie erschließen sie andere vorgestellte Subjektpositionen, diskursive Praxen und Begehren? Wie werden transsexuelle Identitäten im Verhältnis zum Gegensatz männlich/weiblich verhandelt? Wie bildet sich das begehrende transsexuelle Subjekt und bildet sich neu, wenn er/sie sich unter Männlichkeiten und Weiblichkeiten bewegt? Wie überkreuzen sich innerhalb eines bestimmten Interessenmilieus, wie etwa der Schule, Geschlechterdiskurse mit solchen über Rasse, Ethnizität, Religion und Multikulturalismus? Wie wirken diese Diskurse als eine abwesende Gegenwart, selbst wenn sie nicht durch Sprechen zum Leben erweckt werden?

Jedes Setting, in dem Diskurse, mündlich oder schriftlich, zum Einsatz kommen, kann für die Forschung ausgewählt werden. Interessiert man sich für eine bestimmte Subjektkategorie, kann jedes Setting gewählt werden, in dem dieses Subjekt spricht oder schreibt oder diese Kategorie auftaucht. Wo gesprochene Sprache das bevorzugte diskursive Medium ist, könnten die Subjekte bereit sein, mit der Forscherin in eine Untersuchung über ihre Diskurse und Subjektivitäten einzutreten; oder möglicherweise haben sie für einen anderen Zweck Diskurse produziert, etwa für eine Dokumentation, ein Radiointerview, eine Erzählung. Die Forschenden können auch ihre eigenen Subjektivitäten hinterfragen und/oder ihren eigenen Diskursgebrauch.

Die Daten können enthalten: von den Interviewten angefertigte Darstellungen über den Gegenstand der Forschung; jede Art gesprochenen oder geschriebenen Textes, der für die zu erforschende Kategorie relevant ist; Beobachtungen von sozialen Szenen, in denen das untersuchte Subjekt diskursiv oder in anderen Praxisformen produziert wird. Die Daten werden nicht untersucht, als würden sie eine unabhängig existierende ›wirkliche Welt‹ beschreiben oder erklären, sondern als gestalterische Arbeit, die selbst an der Produktion ›der Wirklichkeit‹ beteiligt ist. Die Daten werden auf die ins Spiel gebrachten binären Kategorien und Diskursregime hin analysiert. Die Forschende könnte fragen: Wie konstruiert sich der/die InterviewerIn oder der/die SprecherIn im Text? Wie kon­struiert er/sie den/die andere/n? Wie konstruieren sie jeweils diskursiv und interaktiv den Forschungsgegenstand? Welche Regelwerke haben welche Wirkung? Welche diskursiven Strategien werden gewählt? Wie wird Unterwerfung oder Selbstermächtigung erreicht? Die Analyse soll nicht das individuelle Subjekt offenbaren, sondern die Prozesse der Subjektwerdung erforschen.

Die theoretischen Konzepte des (vergeschlechtlichten) Subjekts, der Subjektwerdung und des Diskurses sind zentral für jede Analyse. Die Theorie ist nicht getrennt von den einzelnen Projektstadien: Ob Fragestellung, Datenauswahl oder Datenauswertung, jeder Schritt ist fundiert durch die theoretischen Möglichkeiten, die das feministische poststrukturalistische Schreiben eröffnet.

Die Praxis des Schreibens von poststrukturalistischen Texten ist kein schlichtes Berichten, da das Schreiben selbst als konstitutiver Akt verstanden wird, so wie Datensammlung und -analyse. Der Text mag nicht den vorhersagbaren Mustern des Berichtens folgen, sondern macht sich möglicherweise daran, das Berichten selbst zu dekonstruieren oder in Frage zu stellen (Richardson 1997). Das Subjekt des Autors/der Autorin wird nicht aus dem Schreiben entfernt, sondern wird in dem produzierten Text in seinem Wirken sichtbar sein.

Briefe aus der Ferne

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