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In der Zwischenzeit in Sterkrade: Die Krupps als Hüttenbesitzer

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Nach Übernahme der Hütte Gute Hoffnung 1799 ließ Helene Amalie Krupp das Werk, das zur Zeit von Pfandhöfers Flucht weitgehend stillgestanden hatte, wieder herrichten und weiter ausbauen. Eine Lehmformerei, ein Magazin, ein Kohlenschuppen sowie eine Schlackenpoche entstanden neu.114 Verhüttet wurde weiterhin das Raseneisenerz aus dem rechtsrheinischen Kleve, für das Witwe Krupp mit der Ersteigerung der Hütte alle Rechte übernommen hatte. Um Rohstoffe günstiger beziehen und Produkte zu einem konkurrenzfähigen Preis verkaufen zu können, erbat sie von den preußischen Behörden noch vor der Produktionsaufnahme Zollfreiheit. Doch die Verhandlungen verzögerten sich immer wieder, auch weil Krupp den Behörden notwendige Auskünfte schuldig blieb. Erst am 29. Juli 1801 erhielt sie für sechs Jahre volle Zollfreiheit für alle importierten Rohstoffe sowie für Exporte in die Niederlande zugesprochen.115 Pfandhöfer bot Amalie Krupp im März 1800 aus Holland nochmals seine Dienste zum Betrieb der Hütte an, doch ließ sie den Hochofen im Mai 1800 ohne ihn anblasen. Sie hatte sich zuvor intensiv um Aufträge für Gusswaren aller Art sowie für Munition besonders in den Niederlanden bemüht.116 Aber die Kampagne unter Hüttenmeister Schwickert war nicht besonders erfolgreich. Jacobi behauptete, dass Amalie Krupp unfähiges Personal beschäftige. Einige ihrer Mitarbeiter habe er auf seiner Hütte wegen schlechter Leistungen entlassen.117 Erst unter einem neuen erfahrenen Hüttenverwalter, Ferdinand Linnhoff aus Arnsberg, arbeitete die Gute Hoffnung erfolgreicher. Bis 1804 beschäftigte das Werk zwischen 35 und 96 Mann.118

Den Betrieb der Hütte Gute Hoffnung erschwerten in diesen Jahren immer wieder Auseinandersetzungen mit Gottlob Jacobi als Hüttenmeister von St. Antony. Dabei schenkten sich die beiden Eigentümer nichts. Allerdings befand sich die St. Antony-Hütte in der besseren Ausgangslage, da die Hütte Gute Hoffnung bachabwärts lag und darauf angewiesen war, dass bei der oberhalb gelegenen Hütte das Wasser nicht aufgehalten wurde. Es lag also in der Macht von Jacobi, der Hütte Gute Hoffnung das Wasser abzugraben. Dies hatte auch Helene Amalie Krupp erkannt und, noch bevor sie die Gute Hoffnung 1800 wieder in Betrieb setzen wollte, gegenüber dem Oberbergamt ihre Bedenken wegen der Wassernutzung geäußert. Da Jacobi gern selbst die Hütte Gute Hoffnung übernommen oder zumindest gepachtet hätte – 1799 hatte er dies Krupp angeboten119 –, befürchtete sie, dass er der Hütte für einige Zeit das Wasser vorenthalten könnte.120

Im Juni 1800 war es dann so weit: Jacobi hielt tatsächlich mehrfach für mehrere Tage das Wasser auf und zwang damit Amalie Krupp zur vorübergehenden Betriebseinstellung.121 Nachdem eine gütliche Einigung gescheitert war, wandte sich Krupp an die preußische Kriegs- und Domänenkammer in Wesel, die wiederum die Kölnische Hofkammer einschaltete.122 Die preußische Verwaltung warf Jacobi vor, „daß er dabei nur die sehr strafbare Absicht gehabt, der Witwe Krupp Schaden und Nachteil zuzuführen.“ Zu einem Verhandlungstermin am 14. August 1800 legte Jacobi eine schriftliche Stellungnahme vor,123 in der er abstritt, das Wasser bewusst zum Schaden von Krupp oder der Hütte Gute Hoffnung aufgehalten zu haben. Zurzeit herrsche eine Dürre, so dass kaum das Wasserrad der St. Antony-Hütte angetrieben werden könne. Überhaupt sei das Wasser für den Hüttenbetrieb schon immer knapp gewesen. Weiter ging Jacobi auf die technischen Unterschiede zwischen beiden Hütten ein, die nach seiner Meinung bewirkten, dass St. Antony mit weniger Wasser auskomme als die Sterkrader Hütte. St. Antony besitze ein oberschlächtiges Wasserrad mit hohem Gefälle sowie ein „ganz neu eingerichtetes“ Gebläse, „welches fast garkeiner Reibung unterworfen ist“. Dagegen habe die Hütte Gute Hoffnung nur ein technisch weniger vorteilhaftes unterschlächtiges Rad mit niedrigem Gefälle und „ein noch so erbärmliches nach dem alten Schlendrian eingerichtetes Gebläse“, so dass der Wasserverbrauch dort ungleich höher sei. Auf St. Antony reiche das Wasser sogar noch für ein neues ▶ Pochwerk. Zudem beschäftige Frau Krupp unfähiges Personal auf der Hütte.


Abb. 24: Anlage zum Gutachten des Baudirektors Lehmann, Lageplan der St. Antony-Hütte, 1801

Am 18. November 1800 kam es zu einem Ortstermin, den von preußischer Seite Baudirektor Lehmann wahrnahm, der in seiner anschließenden Stellungnahme die Angaben von Jacobi zum technischen Zustand der beiden Hütten bestätigte.124 Er konkretisierte, dass durch die Unterschiede die Hütte Gute Hoffnung etwa ein Drittel mehr Wasser benötige als St. Antony. Das Oberbergamt schlug Amalie Krupp daher vor, einen bereits bestehenden Damm für einen weiteren Teich zu nutzen und somit Wasservorräte für zwei Tage anzulegen, die einen Betrieb der Hütte sicherstellten. Diesen Vorschlag griff Krupp auf und ließ darüber hinaus einen weiteren Damm anlegen, der Sand und Schlamm von der St. Antony-Hütte aufhalten sollte. Am 6. Dezember 1802 beschwerte sich nun Jacobi über diesen neuen Damm, der dazu führe, dass sich Schlamm und Sand soweit aufstauten, dass sie das Wasserrad der St. Antony-Hütte still zu setzen drohten.125 Nur zu diesem Zweck hätte Krupp den Damm angelegt. Bei Überschwemmungen infolge starker Regenfälle wäre die sofortige Stilllegung der St. Antony-Hütte zu erwarten. Eine Einigung zog sich hin, da zunächst die Frage des exakten Grenzverlaufs zwischen den beteiligten Staaten zu klären war. Mehrfach erinnerte Jacobi bis Sommer 1804 an die Erledigung seines Anliegens. Letztlich dürfte er sich mit seiner Forderung, die Stauung des Bachs zu beseitigen, durchgesetzt haben.


Abb. 25: „Zeichnung über einen unterhalb der Antony Eisen Hütte befindlichen Weier“ aus den Prozessunterlagen 1800 bis 1802

Der Konflikt zwischen Krupp und Jacobi eskalierte in den folgenden Jahren mehrfach. Als 1803 das Reichsstift Essen an Preußen fiel, beantragte Amalie Krupp – allerdings erfolglos – die Übertragung des Rechts am Eisenerz im Essener Gebiet. Sie begründete den Antrag damit, dass die ehemalige Fürstäbtissin Maria Kunigunde, die nun als Privatier Inhaberin der Rechte am Erz sei, das Erz nicht in Preußen verhütten würde, sondern nach der Stilllegung der Hütte Neu-Essen auf der St. Antony-Hütte, also im ausländischen Vest Recklinghausen, verarbeite.126 Im Gegenzug ließ Jacobi 1805 heimlich Raseneisenerz auf der preußischen Seite der Grenze bei Dorsten abgraben.127 Im Duisburger Intelligenz-Zettel erschien daraufhin am 29. Januar 1805 ein „Publicandum“ des Königlich Preußisch Westfälischen Oberbergamts, in dem nochmals darauf hingewiesen wurde, dass nur die Hütte Gute Hoffnung das Recht habe, das Erz zu nutzen. 20 Reichstaler Belohung stellte man denjenigen in Aussicht, die Beweismittel zur Überführung von Tätern erbrachten, die Erz über die Grenze schafften. Anonymität wurde zugesichert.128 Zudem schwelte weiterhin der Streit um die Verschmutzung des Elpenbachs durch das Erzwaschen auf St. Antony.129


Abb. 26: Friedrich Krupp (1787 – 1826), Enkel von Helene Amalie Krupp und Gründer der Gussstahlfabrik in Essen, zeitgenössischer Scherenschnitt.

Den technischen Zustand der Hütte Gute Hoffnung beschrieb Eversmann 1804 als „nichts auszeichnend bemerkenswerthes“ und wies nur auf einen Temperofen und auf eine Schleifmühle hin. Deutlich betonte er die Nachteile der Hütte, die in einem zu schwachen Gebläse liegen würden.130 So wurde die Hütte Gute Hoffnung 1804/​05, um gegenüber der St. Antony-Hütte konkurrenzfähig zu bleiben, dem aktuellen technischen Stand angepasst. Das alte und zu schwache Gebläse wurde durch ein Zylindergebläse ersetzt und ein neuer Hochofen mit neuem Hüttengebäude errichtet.131 Wieder kam es zu Streitigkeiten mit Jacobi. Er war in seinen Aktionen nicht zimperlich. Als im Herbst 1804 das neue Gebläse auf der Hütte Gute Hoffnung gebaut werden sollte, besuchte der extra hierzu angestellte Schreinermeister gemeinsam mit dem Platzknecht auf Einladung Jacobis die St. Antony-Hütte, um sich das dortige Gebläse anzusehen. Als sie dort eintrafen, setzten Jacobi oder seine Mitarbeiter sie jedoch gegen ihren Willen mehrere Tage auf der Hütte fest.132 Trotz dieser Einschüchterung bauten sie das neue Zylindergebläse in Sterkrade. 1806 folgten zwei weitere Gebläsezylinder, bei deren Bau Franz Dinnendahl (1775 – 1826) half,133 der die ersten Dampfmaschinen in der Region herstellte. Dieser berichtete in seinen Erinnerungen, dass er bereits 1803 bei Jacobi Teile für seine erste selbst konstruierte „Feuermaschine“ für die Zeche Wohlgemuth hatte gießen lassen.134

Als 1805 der neue Hochofen mit neuer Lehmformerei fertig war, war mittlerweile auch der Enkel von Helene Amalie, Friedrich Krupp (1787 – 1826), in die Arbeit auf Gute Hoffnung einbezogen und sammelte erste Erfahrungen im Eisenhüttenwesen. Am 27. Juni 1807 übertrug ihm Amalie Krupp die Hütte Gute Hoffnung für einen Betrag von 12.000 Reichstalern.135 Da dieser demnächst plane zu heiraten, solle ihm damit ein „ordentliches Auskommen“ verschafft werden. Im August 1808 heiratete er seine junge Braut Theresia Wilhelmi auf der Hütte. Noch 1807 hatte Hüttenverwalter Linnhoff die Hütte Gute Hoffnung verlassen. Friedrich Krupp verbesserte nun das Verhältnis zu Jacobi und intensivierte die Beziehungen zu Franz Dinnendahl, für den er 1806/​07 einige Gussaufträge für Dampfmaschinen erledigte.136 Sie waren gedacht für eine Wasserhaltungs- und Fördermaschine der Zeche Sälzer & Neuack. Allerdings waren die Teile so mangelhaft, dass sie mehrfach gegossen werden mussten und schwierig zu verarbeiten waren.137 Dinnendahl beschwerte sich später, dass er „den Zylinder wegen der damals im Gießen großer Stücke noch unvollkommenen Eisenhütte zu Sterkrade fünfmal von neuem und dennoch in drei Stücken musste gießen lassen, ehe derselbe brauchbar war […]“.138

Noch 1807 übernahm Jacobi auf der St. Antony-Hütte dann von Krupp Aufträge für Dinnendahl zur Herstellung von Zylindern, Dampfröhren, Schachtpumpen und Kolben, die Krupp wegen Eisenmangels nicht mehr fertigen konnte. Jacobi wusste durch Qualität zu überzeugen. Auch als Friedrich Krupp im Sommer 1808 einen ▶ Kupolofen auf der Hütte Gute Hoffnung bauen ließ, kam er immer noch nicht an die Qualität der Erzeugnisse von Jacobi heran. Krupp stellte fest, dass „auch ich selbst gestehen muß, dass alles dasjenige, was ich dem Dinnendahl in Lehmguß geliefert habe nur Frack-Ware gegen dasjenige ist, was H. Jacoby ihm geliefert hat, ebenso in der Schönheit als in ihrer Schwere […]“.139 Neben diesen Maschinenteilen stellte die Kruppsche Hütte weiterhin vor allem Ballasteisen und Gewichte, Eisenplatten der verschiedensten Art, Gusswaren für den täglichen Bedarf wie Töpfe, Kessel und Pfannen sowie verschiedene Öfen her.140 Immer wieder wurde auch Munition produziert.

Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2

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