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Betriebliche Sozialpolitik oder: Wie bekomme ich eine ausreichende Zahl an Arbeitern
ОглавлениеDie Zahl der Beschäftigten auf den Werken der JHH stieg ab 1810, als 162 Arbeiter beschäftigt waren, fast kontinuierlich an. 1828 war eine Zahl von 279, 1835 von 710 erreicht und 1846 waren es bereits – einschließlich der Werft in Ruhrort – 1.607 Personen.273 Die Zusammensetzung der Arbeiterschaft war sehr heterogen. Neben Ingenieuren und hoch spezialisierten Fachkräften gab es angelernte Arbeiter und ungelernte Kräfte, die für Hilfsarbeiten eingesetzt wurden.
Die Arbeitsverträge zwischen dem Unternehmen und seinen Beschäftigten waren individuell gestaltet. So konnten auch die Verdienste entsprechend schwanken.274 Weitgehend einheitlich waren die Arbeitszeiten: Es wurden zwölfstündige Schichten verfahren, davon waren zehn Stunden Arbeitszeit, eine Stunde Pause für das Mittagessen und jeweils eine halbe Stunde vormittags und nachmittags Zeit zum Kaffeetrinken.275 Dem Sattler Johann Grubenbecher wurde in den Arbeitsvertrag vom 30. März 1839 sogar eine Arbeitszeit von „6 Uhr früh bis 7 Uhr abends“ mit den für das Essen „übliche Zeit“ geschrieben.276 Bei den meisten Arbeitern gab es eine tägliche Kündigungsfrist, bei wichtigen Arbeitern und Meistern wurde die Kündigungsfrist im Arbeitsvertrag gesondert geregelt.277
Tabelle 1: Produktionsmengen und Beschäftigte bei der JHH
Quelle: Johannes Bähr, Ralf Banken, Thomas Flemming: Dier MAN. Eine deutsche Industriegeschichte, München 2008, S. 578, 580; Produktion 1802 nach Eversmann, Uebersicht, S. 307.
Eine systematische Ausbildung gab es auf den Werken der JHH erst ab den 1890er Jahren. Auch wenn es bereits zuvor Volontäre, Lehrlinge oder Eleven im Unternehmen gab, so handelte es sich bei diesen Jugendlichen in der Regel um Kinder von Betriebsangehörigen, die auf Wunsch und Kosten ihrer Eltern – also ohne Bezahlung durch das Unternehmen – in verschiedenen Bereichen mitarbeiten konnten, ohne dass ihnen jedoch systematisch Kenntnisse vermittelt wurden.278 So musste die JHH immer wieder erfahrene Kräfte von außen anwerben. Für die Arbeit am Hochofen, in Gießerei und Hammerwerk kamen Arbeiter vor allem aus den südlich gelegenen Werken der Mittelgebirge, sowie von Mosel und Rhein.279 Beispielsweise engagierte die JHH am 3. Januar 1826 Peter Trill mit drei Gesellen als Arbeitsteam für die Stabeisenproduktion auf dem Hammer Neu-Essen. In ihrem Arbeitsvertrag wurde ihnen vorgeschrieben, wie viel Roheisen und Kohlen sie für 1000 Pfund Stabeisen maximal einsetzen durften. Meister Trill verpflichtete sich, „auf Fleiß und ordentliches Betragen (Frieden, Ordnung und Nüchternheit)“ seiner Gesellen zu achten.280 Ebenfalls als Arbeitsteam wurden am 12. April 1829 Mathias Tegeler mit seinem Sohn Joseph aus Dahlhausen für das neue Walzwerk eingestellt. Sie brachten noch einen „Wärmer Neumann“ mit. Der Arbeitsvertrag verpflichtete sie Tag und Nacht tätig zu sein und „bei gutem Wetter und viel Arbeit auch an Feiertagen“. Die Umzugskosten nach Oberhausen übernahm das Unternehmen. Auch gewährte es freie Wohnung, Licht, Brand und Gartennutzung.281
Für Lokomotiv- und Schiffbau, Puddel- und Walzwerke engagierte das Unternehmen auch erfahrene Fachkräfte aus Belgien und England.282 Auch forderte man von befreundeten ausländischen Unternehmen vorübergehend Fachkräfte an, um technisches Wissen ins eigene Werk zu transferieren. Hierzu arbeiteten dann diese ausländischen Fachleute mit Ingenieuren und ausgewählten Fachleuten der JHH gemeinsam an neuen Produkten und Verfahren.283 Andererseits war die JHH auch selbst von Versuchen zur Abwerbung ihrer Mitarbeiter betroffen. So befand sich 1838 der Vertreter der Maschinenfabrik Egestorff bei Hannover, Theodor Bang, in Sterkrade, der versuchte, sowohl den Chefingenieur der JHH, Friedrich Kesten, als auch einen Lehmformer abzuwerben. Bang wurde inhaftiert und gab im Verhör diese Abwerbeversuche zu.284
Zeugnisse der Arbeitsbedingungen sind von den Arbeitern der JHH nicht überliefert, doch lässt sich die Schwere der Arbeit gut vorstellen. Man muss sich beispielsweise nur in ein Puddelwerk der damaligen Zeit versetzen, in dem aus Roheisen Stahl für die Weiterverarbeitung in Walz- und Schmiedewerken gewonnen wurde. Ein Puddler, ein Facharbeiter mit hohem Erfahrungswissen, stand während der 10- bis 12-stündigen Arbeitszeit am offenen Puddelofen und hatte mit einer Stange fortwährend im Eisenbad des Ofens zu rühren. Das Eisen war mit dem Sauerstoff der Luft in Berührung zu bringen, damit der Kohlenstoff aus dem Eisen entwich und Stahl entstand. Die Masse wurde während dieses Prozesses immer zäher, das Rühren immer schwieriger, bis der Puddler mit seiner Erfahrung feststellte, dass das Puddeleisen bzw. der Puddelstahl gar war. Nun musste der schwere Block der zähen Masse, die so genannte Luppe aus dem Ofen auf eine Karre gehievt werden. Dabei konnte die noch flüssige, mehrere 100 Grad heiße Schlacke aus dieser Luppe heraustropfen. Unter dem Luppenhammer, ein spezieller Schmiedehammer, oder unter einer Quetschwalze musste die noch in der Luppe befindliche Schlacke herausgeschmiedet oder herausgewalzt werden. Mit Stangen und Zangen war der schwere glühende Block von den Arbeitern unter Hammer und Walze zu bewegen. Die Hitze von vorn am Ofen und die Zugluft in den teilweise offenen Hallen von hinten machten die Arbeiter anfällig für Krankheiten und chronischen Leiden. Das stundenlange Rühren in der Eisenmasse, das Heraushebeln der Luppe aus dem Ofen und ihr Bewegen unter Hammer oder Walze waren Schwerstarbeit, die nur wenige Jahre von Arbeitern durchzuhalten war. Es war eine äußerst schwere, aber Erfahrungswissen voraussetzende Arbeit, die durch Unfall und Erschöpfung früh zur Invalidität führen konnte. Nach einer kurzen Zeit relativ guten Verdienstes im Puddelwerk konnte ein Arbeiter dann ohne oder mit nur sehr geringem Einkommen dastehen, so dass seine Familie kaum mehr zu versorgen war. Ähnlich könnten auch die anderen Arbeiten in den anderen Werken der JHH beschrieben werden vom Hochofen bis zur mechanischen Werkstatt. Überall gab es Schwerstarbeit mit zahlreichen Gefahren für die Gesundheit.
Auch Kinder waren bei der JHH beschäftigt. Am 23. Juli 1842 übersandte das Unternehmen auf Anfrage des Bürgermeisters Beudel in Holten eine Liste, in der Kinder unter 16 Jahren, die bei der JHH beschäftigt waren, aufgelistet wurden. Die Kinder arbeiteten von sechs Uhr früh bis sieben Uhr abends mit einer halben Stunde Pause am Vormittag, einer Stunde Mittagspause und zwanzig Minuten Pause am Nachmittag. Wie das Unternehmen behauptete, stelle diese Arbeitszeit kein Problem dar, denn: „Diese Kleinen sind also stets in Bewegung und kommen oft in freier Luft, so dass in Bezug auf die Gesundheit nichts zu befürchten ist.“ Am 2. August verstärkt das Unternehmen diese Argumentation nochmals. Es stellt fest,
„dass diese jungen Arbeiter, wiewohl 11 ½ Stunden außer den Freistunden hier anwesend, eigentlich keine 8 ½ Stunden des Tages in ihrer gewöhnlichen Beschäftigung sind, da sie […] sehr häufig zum hin und hertragen von kleineren Gegenständen & zum bestellen gebraucht werden, auf diese Weise also aus einer Werkstatt in die andere kommend, meistens in Bewegung u. in freie Luft sich befinden.“285
Während in den Jahren um 1800 die Fachkräfte zumeist nur für die Hüttenkampagnen von wenigen Wochen auf den Werken weilten, so erforderte die kontinuierliche Beschäftigung ab den 1820er Jahren die dauerhafte Ansiedlung der Arbeiter. Angesichts der schweren und gefährlichen Arbeit wusste die JHH die Beschäftigung in ihren Werken attraktiv zu gestalten. Sie gewährte Arbeitern daher oft freie Wohnung, Nutzung eines Gartens, freies Licht und freien Brand oder auch kostenlose ärztliche Versorgung oder bei Bedarf die Lieferung von Arzneimitteln.286 Auch zahlte das Unternehmen bei guter Arbeit immer wieder Prämien und gab Geschenke.287 Die Schwierigkeiten auswärtige Fachkräfte anzuwerben vergrößerten sich aber auch dadurch, dass in den Dörfern und Orten der Umgebung des Werkes kaum Infrastruktur vorhanden war. Es mangelte an allgemeiner Versorgung wie z. B. an ärztlicher und medizinischer Betreuung und besonders an Wohnraum.
In Krisenzeiten wie 1818, aber auch in den 1840er Jahren unterstützte daher das Werk seine Beschäftigten durch die Einrichtung von Speiseanstalten und die preisgünstige Abgabe von Nahrungsmitteln.288 Doch richtete sich das Hauptaugenmerk der Firma zunächst besonders auf die Gesundheitsversorgung seiner Arbeiter. Die Eisenverhüttung und -verarbeitung war eine unfallträchtige und die Gesundheit gefährdende Beschäftigung und das Unternehmen musste Interesse daran haben, dass die Arbeitsfähigkeit seiner Beschäftigten, insbesondere der Facharbeiter, erhalten blieb. So unterstützte die JHH seit ihrer Gründung immer wieder Arbeiter im Krankheitsfall, ohne zunächst eine rechtliche Verpflichtung hierzu einzugehen. In den Geschäftsbüchern erscheinen Ausgaben für Behandlungen durch den aus Holten stammenden Arzt oder für aus Dinslaken, wo die nächst gelegene Apotheke lag, bezogene Medikamente. Erkrankte Arbeiter erhielten manchmal von der Firma auch Unterstützungen als eine Art Lohnfortzahlung.289 Einige Fachkräfte wie zum Beispiel 1830 der Schmiedemeister Christian Hülsmann bekamen diese Leistungen sogar im Arbeitsvertrag zugesichert.290 Auch Zuschüsse zu Bestattungskosten, Unterstützungen bei Invalidität und für die Hinterbliebenen im Todesfall wurden in Einzelfällen gewährt.291
Ab 1826 setzte sich Wilhelm Lueg für die Verbesserung der örtlichen Situation direkt ein. Er forderte beim Bottroper Bürgermeister Tourneau die Eröffnung einer Apotheke in Sterkrade, was aber erst am 23. August 1837 geschah. Ein Mediziner siedelte sich sogar erst 1841 in Sterkrade an und wurde sofort gleichzeitig als Werksarzt verpflichtet, wofür er eine pauschale Bezahlung erhielt.292
Das Anwachsen der Beschäftigtenzahl erforderte spätestens ab den 1830er Jahren eine grundsätzliche Neuregelung des Unterstützungswesens. Kranken- und Unterstützungskassen, wie sie die Knappschaft für den Bergbau darstellte, boten hier eine Lösung an. Arbeiter zahlten einen Teil ihres Lohnes in eine Kasse ein, um im Bedarfsfall eine Unterstützung zu beziehen. 1832 existierte bereits für das Sterkrader Werk eine erste Unterstützungskasse, verwaltet durch das Unternehmen. Von der JHH am 16. Februar 1832 mit einem Startkapital von 100 Talern ausgestattet finanzierte sie sich wahrscheinlich allein aus Beiträgen ihrer Mitglieder.293 Nachdem 1837 eine weitere Unterstützungskasse für die Arbeiter der Werft in Ruhrort gegründet worden war, folgte 1838 oder 1840 eine entsprechende Einrichtung für die Arbeiter im Walzwerk Oberhausen.294 Auch diese Kassen finanzierten sich durch regelmäßige Beiträge der Arbeiter. Im Krankheitsfall erhielten sie eine wöchentliche Unterstützung; auch ein Sterbegeld wurde gezahlt. Die Kassen trugen zumeist die Kosten für ärztliche Behandlung, zunächst jedoch nicht die Ausgaben für Medizin. Familienangehörige waren nicht mitversichert. In der Ruhrorter Kasse war festgelegt:
Abb. 45: Erster Eintrag der Unterstützungskasse im Hauptbuch des Unternehmens
„Wer sich durch große Ausschweifungen der Wollust, Unmäßigkeit im Trunke oder durch sonstige selbst verschuldete Fälle Krankheit und Wunden zuzieht, soll nur in dem Falle die bestimmte Unterstützung genießen, wenn er nicht mehr in Stande ist, den Ort zu verlassen.“295.
1848 schlossen sich die verschiedenen Kassen im Raum Oberhausen zur „Unterstützungskasse zum Wohle unserer Arbeiter und Angestellten auf den Werken Gutehoffnungshütte, Sct. Antoni, Oberhausen & Neueßen“ zusammen, die nun auch vom Unternehmen monatliche Zuschüsse erhielt.296 Die Leistungen wurden ausgedehnt: Neben die Krankenunterstützung traten nun freie Medizin und ärztliche Behandlung sowie Schulgeld für die Kinder der am geringsten Verdienenden. Ab 1848 kam es dann auch zur Gewährung von Witwen- und 1851 von Invalidenunterstützung.297 Die Verwaltung der Kasse geschah durch sechs Vertreter der JHH und sechs Vertreter der Versicherten.
Nicht nur zur Unterstützung, sondern auch zur Erziehung bzw. Disziplinierung der Arbeiter war 1842 die Einrichtung einer „Spar-Kasse für die Arbeiter auf Gutehoffnungshütte, St. Antonihütte und den Eisenwerken zu Oberhausen und Neu-Essen“ gedacht.298 Es war die erste Betriebssparkasse in Deutschland. Die JHH hoffte, „durch diese Einrichtung die Sparsamkeit ihrer Arbeiter zu befördern“ (§ 1 der Statuten). Die Mitarbeiter konnten Ersparnisse unter der Garantie des Werkes „mit 4 pro Cent jährlich verzinset“ (§ 3) anlegen. Sollte jedoch ein Arbeiter Gelder abheben, „um dieselben zu verschwenden“, so konnte er aus der Kasse ausgeschlossen werden (§ 6). Verließ ein Arbeiter das Werk und erhielt ein „Abgangs-Attest“, so sollte darin vermerkt werden, ob er Einlagen bei der Sparkasse hatte, „weil es jedem Arbeiter […] auch zu Ruhme gereicht, wenn er durch die Einrichtung dieser Sparkasse sich einen Geld-Vorrath sammelt“ (§ 8). Durch Einrichtungen wie die Kranken- und Unterstützungskasse sowie die Sparkasse konnte das Werk seine Attraktivität als Arbeitsplatz erhöhen und auf diese Weise Arbeiter besser aus anderen Regionen anwerben.
Doch mussten zuziehende Arbeiter auch Wohnmöglichkeiten finden. So war für die JHH gemeinsam mit der Versorgung im Krankheitsfall die Ausweitung des Wohnungsangebotes für die wachsende Zahl der Beschäftigten wichtigstes zu lösendes Problem. Die umliegenden Siedlungen konnten auf die Dauer keine ausreichende Zahl an Wohnungen für die zuwandernden Arbeitskräfte anbieten. Die wenigen Wohnmöglichkeiten, die die JHH auf ihren Werksgeländen und in deren Nähe besaß, und erste Werkswohnungen in Sterkrade reichten nicht aus.299 Hier wohnten wahrscheinlich hoch qualifizierte Mitarbeiter, auf deren Betriebsbindung das Unternehmen besonderen Wert legte. Auch gab es wahrscheinlich 1831 in Sterkrade bereits eine Menage, also ein Wohnheim mit Verpflegung der dort wohnenden etwa 85 Arbeiter.300
So entstand der Plan, „für tüchtige Meister und Arbeiter rechter Art“301 eine eigene Arbeiterkolonie zu errichten. Am 27. Februar 1830 erwähnte Wilhelm Lueg erstmals, dass die JHH für die wachsende Zahl an Arbeitern auf dem Walzwerk „ein großes Wohngebäude für mehrere Familien erbauen lassen“ wolle.302 1836 teilte er dann dem Holtener Bürgermeister mit, dass das Unternehmen plane, „in diesem Jahre vielleicht noch Wohngebäude für 15 Familien in Bau nehmen (zu) lassen, weil es hier an Wohnungen sehr mangelt […].“303 Doch begann die JHH noch nicht sofort mit dem Bau einer Arbeiterkolonie. Noch 1838 hieß es für die 85 Beschäftigten der St. Antony-Hütte, dass „viele Arbeiter auswärts wohnen.“304 Erst 1844 konkretisierten sich die Wohnungsbaupläne der JHH. Am 8. Februar erwarb Lueg für das Unternehmen vom Landwirt Rübenkamp in Osterfeld einen Acker direkt an der Ortsgrenze zu Sterkrade. Am 27. Februar 1846 stellte Lueg für die JHH beim Amtmann von Bottrop und Osterfeld Tourneau einen Bauantrag für eine Arbeiterkolonie.305 Schwierigkeiten seitens der Kommunalbehörden erwartete er nicht: „Wir denken nicht dass uns deshalb Hindernisse in den Weg gelegt oder Reserve p. deshalb abverlangt werden, weil wir durchaus bauen müssen um den obdachlosen gesunden Arbeitern auch gesunde Wohnungen zu verschaffen.“ Nur „tüchtige starke Arbeiter, meistens Meister“ sollten in der Siedlung wohnen. Da es im Interesse der JHH liege,
„keine verarmten Leute darin aufzunehmen so kann die Gemeinde keine Besorgnis über Belästigung haben. Sollten Sie dies dennoch haben so würden wir darauf antragen, unter us. Garantie zu bauen, dagegen auch Befreiung von allen Communallasten für die Gebäude u. der darin Wohnenden, beanspruchen. […] Es kann nur im Interesse der Comune liegen tüchtige Bewohner darin zu haben, die reichlichen Verdienst haben.“
Die geplante Kolonie sollte allerdings die Zahl der Wohnhäuser in der erst 1841 gegründeten Gemeinde Osterfeld um 50 Prozent erhöhen, was Widerstand bei den Gemeindeverordneten erzeugte. So lehnte Tourneau den Bauantrag am 16. März ab. Man fürchtete die Armenlasten, die möglicherweise durch die Ansiedlung von Fremden auf die Gemeinde zukamen, und forderte die JHH auf, eine Übernahme der Kosten zu garantieren. Am 27. März wiederholte Lueg den Bauantrag „für ein großes Wohnhaus […] um tüchtige Meister und Arbeiter rechter Art von der Antonihütte „darin wohnen zu lassen“.306 Ohne Verhandlungen abzuwarten, schaltete Lueg die Bezirksregierung in Münster ein, die die Angelegenheit zur Entscheidung an das preußische Innenministerium in Berlin weiter reichte. Der Osterfelder Amtmann schaltete seinerseits den Landrat ein und es kam zu einem Gespräch, in dem Lueg im Gegenzug zur Erlaubnis des sofortigen Baubeginns eine Kostenübernahme zusicherte, falls Berlin entsprechend entscheiden werde.
Abb. 46: Meisterhäuser in Eisenheim
Schon am 6. April hatte die JHH den Bau von sieben Wohnhäusern für Meister begonnen. Sie lagen an der Provinzialstraße, der Hauptverbindungsstraße von Mülheim nach Sterkrade. Der Landrat erteilte erst am 22. Juli unter Vorbehalt eine vorläufige Baugenehmigung und bereits am 28. August teilte die JHH mit, dass die ersten Häuser in zwei Wochen fertig gestellt seien und bat darum, dass die Siedlung den Namen „Eisenheim“ erhalten solle. Gemeinsam mit der endgültigen Erteilung der Baugenehmigung erlaubte die Regierung in Münster die Namensgebung am 6. Januar 1847. Die ersten Gebäude waren längst bezogen. Auflagen erteilte die Regierung der JHH nicht, so dass mögliche spätere Lasten auf die Gemeinde entfielen.307 Im Herbst 1846 folgten den Meisterhäusern vier Mietshäuser im Kasernenstil. Bewohnt wurden die ersten Häuser von Puddel- und Schweißermeistern sowie von einfachen Arbeitern und Tagelöhnern,308 zum Teil aus England, Frankreich oder Belgien angeworben.309 1848 lebten mittlerweile 30 Familien mit 128 Personen in Eisenheim. Zwischen 1865 und 1872 sowie zwischen 1897 und 1903 wurde die Siedlung weiter ausgebaut.
Die Wohnungen waren für die Beschäftigten attraktiv, lag die Miete doch etwa 20 Prozent unter den sonst üblichen Mieten.310 Sie waren für die damalige Situation recht komfortabel, knapp 50 Quadratmeter groß und besaßen zusätzlich jeweils einen zwischen 200 und 300 Quadratmeter großen Garten für eine teilweise Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln sowie Ställe zur Viehhaltung. Durch diese Vorteile konnte das Unternehmen zumindest teilweise auf höhere Löhne bei der Anwerbung von Fachkräften verzichten. Allerdings war der Miet- an den Arbeitsvertrag gekoppelt, so dass gleichzeitig eine Disziplinierung der Arbeitskräfte, die mit Wohnungen versorgt worden waren, möglich war. Andererseits schützte diese Maßnahme das Unternehmen in einem gewissen Maße vor der Abwerbung von Fachkräften durch konkurrierende Unternehmen.311 Doch blieb die Zahl der Werkswohnungen zunächst gering. Die überwiegende Mehrzahl der Beschäftigten der JHH war auf den privaten Wohnungsmarkt angewiesen. Es dürfte im Umfeld der Werke kaum anders als in anderen frühindustriellen Gegenden gewesen sein mit überteuertem Wohnraum, überbelegten Wohnungen und unzureichenden hygienischen und sanitären Bedingungen.
Eine besondere Beachtung erwies die JHH auch der Geselligkeit und dem gesellschaftlichen Leben am Ort. Dabei wurde durchaus differenziert vorgegangen. Den Arbeitern ließ man die besondere Fürsorge zukommen, ihren Alkoholkonsum, besonders den Branntweinkonsum, einzudämmen. Wurde diesem doch zugeschrieben, dass er die Familien der Arbeiter zerrütten und die Arbeitskraft der Beschäftigten gefährden würde. So bat das Unternehmen 1842 den Duisburger Landrat Devens „recht dringend, dem Schulzen Grimberg, welcher sich hier in der Nähe der Eisenhütte angesiedelt hat keine Erlaubniß zur Errichtung einer Schankwirtschaft zu ertheilen, indem das hiesige Etablissement bereits über die Gebühr von dergleichen schädlichen Instituten umgeben.“312 „Um die Leute zu stärken und vom Branntweintrinken zu entwöhnen“, ging das Werk sogar 1846 dazu über, in der Kochanstalt des Puddelwerks „Bier daselbst unterm Einkaufspreise krugweise auszugeben“.313 Zu dieser Zeit galt Bier noch als Stärkungsmittel für die schwer arbeitenden Arbeiter.
Auf der anderen Seite unterstützte die JHH das „heitere Beisammensein“,314 als ein Kreis Sterkrader Honoratioren, unter ihnen die führenden Köpfe der JHH, am 12. Juli 1839 die Gesellschaft „Erholung“ gründeten. Schon zuvor hatten sich die Gründer regelmäßig in der „Schnapsschenke“ Cremer315 getroffen. Neben den Sterkrader Hüttenbeamten gehörten diesem Kreis Ärzte, Lehrer, Pfarrer und Bürgermeister des Ortes an. Zwar besagt die Vereinslegende, dass sich der Verein nicht zuletzt deswegen gründete, um als geschlossene Gesellschaft die abendliche Polizeistunde beim geselligen Zusammensein in der Gastwirtschaft zu umgehen.316 Doch schuf die Gesellschaft „Erholung“ auch eine Organisation, die es neben der Pflege der Geselligkeit erlaubte, Absprachen und Diskussionen in einem geschlossenen Kreis zu ermöglichen,317 war die Mitgliedschaft doch durch ein Eintrittsgeld von einem Taler und einem jährlichen Mitgliedsbeitrag von einem Taler und zehn Silbergroschen beschränkt. Dies war ein Betrag, den sich nur Wenige in der damaligen Zeit leisten konnten. Zudem konnte in die Gesellschaft nur aufgenommen werden, wer von einem Mitglied vorgeschlagen und in geheimer Abstimmung mittels Ballotage bestätigt wurde.318