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Eine missglückte Investition: der erste Kokshochofen im Ruhrgebiet

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Die Versorgung mit Holzkohlen bereitete der JHH nun immer größere Schwierigkeiten. 1838 musste der Hochofen auf der St. Antony-Hütte ungeplant vom 24. Februar bis zum 18. Juli stillgesetzt werden.243 Auf der Hütte Gute Hoffnung sah die Situation nicht besser aus. 1839 schrieb die JHH an das Bergamt Essen-Werden: „Der stets zunehmende Holzkohlen Mangel gestattete nur kurze Zeit im Lauf des vorigen Jahres beide Hochöfen hier [gemeint ist die Hütte Gute Hoffnung, B. Z.] zu betreiben […]“244 Das Unternehmen probierte daher immer wieder den Einsatz von Koks nicht nur in den ▶ Kupol-, sondern auch in den Hochöfen. Nachdem ab den 1830 Jahren im Ruhrgebiet Kohle auch aus tieferen Schichten gefördert werden konnte, die sich zu hüttentauglichem Koks verarbeiten ließ – hierzu war die die Kohle überdeckende und stark Wasser führende Mergelschicht zu durchstoßen – mischte die JHH im Hüttenbetrieb den Holzkohlen regelmäßig einen geringen Zusatz von Koks bei.245 Dieser Koks wurde zunächst vor allem von den Essener Zechen Sälzer-Neuack und Schölerpad aus dem Huyssenschen- bzw. Hanielschen Besitz bezogen. Auf der Zeche Sälzer-Neuack baute die JHH dann 1840 zwei selbst genutzte Koksöfen neu.246 Doch mangelte es vom Ende der 1830er bis zur Mitte der 1840er Jahre auch immer wieder an Koks bzw. Kohlen, die zur Verkokung geeignet waren. So drohte 1838 vorübergehend die Stilllegung von ▶ Kupolöfen und der Dampfmaschine auf St. Antony wegen Kohlenmangels. Daher schien „für jetzt ein Betrieb des Hochofens mit Koks nicht möglich“.247

Dennoch wurde im Unternehmen die Anwendung von Koks im Hochofenbetrieb intensiv diskutiert.248 1709 hatte Abraham Darby I. im englischen Coalbrookdale erstmals allein mit Koks Roheisen im Hochofen erschmolzen. In Oberschlesien war diese Technik 1789 erfolgreich eingeführt worden. Auf ihrer gemeinsamen Reise durch England sahen 1825 Wilhelm Lueg sowie Franz und Gerhard Haniel Eisengießereien, „deren Hochofen mit Coaks betrieben“ wurde.249 Friedrich Kesten als Chefingenieur der JHH setzte sich ab den 1830er Jahren ebenfalls intensiv mit der Koksverhüttung auseinander. In seinem wissenschaftlichen Journal hielt er „Notizen aus Oberschlesien 1837“ fest mit Angaben über Erz- und Kokseinsatz, der Stärke des Windeinsatzes und der Kosten.250 Als nun tauglicher Ruhrgebietskoks zur Verfügung stand, reiste Kesten 1839 nach Oberschlesien, sah sich dort unter anderem den auf der Marienhütte in Orzesche gerade in Betrieb gegangenen Kokshochofen an und erstellte in seinem Notizbuch Grundriss- und Ansichtszeichnungen dieses Ofens.251 Auch Wilhelm Lueg besuchte 1842 Oberschlesien und war von den dortigen industriellen Anlagen, auch den Hüttenwerken, sehr beeindruckt.252 Auch von anderen Hochofenwerken, mit denen man in geschäftlichen Verbindungen stand, versuchte man Pläne neuer Hochöfen zu erlangen, wie z. B. von der Concordiahütte in Bendorf.253


Abb. 43: Hochofen der schlesischen Marienhütte 1839, Skizze des JHH-Ingenierus Kesten

Allerdings war klar und es bestätigte sich durch eigene Versuche, dass ein Holzkohlehochofen wegen höherer Temperaturen und größerer Belastungen nicht vollständig und dauerhaft auf Koks umgestellt werden konnte. So entschlossen sich offensichtlich Ende 1841 die Eigentümer der JHH zu einer bedeutenden Investition auf der St. Antony-Hütte. Im Sommer 1841 errichtete das Werk zunächst ein zweites Hochofengebläse mit großem eisernen Wasserrad254 sowie zwei Öfen zur Herstellung von Koks aus Steinkohlen. Als Grundlage für den Koksofenbau dienten wahrscheinlich Zeichnungen, die sich die JHH von der belgischen Societé l’Esperance in Seraing bei Lüttich ausgeliehen hatte.255 Es handelte sich um elliptische Backöfen mit Luftvorwärmung.256 Nachdem die Öfen im Dezember 1841 gut in Gang kamen,257 scheinen sie in den Jahren 1843/​44 fast sämtlichen Koks für die JHH geliefert zu haben.258 1844 wurden 200 Scheffel Kohlen täglich auf St. Antony zu Koks verarbeitet.259 Im Februar 1842 wurde dann der alte Holzkohlehochofen ausgeblasen und es begannen umfangreiche Baumaßnahmen auf dem Gelände. Ziel war die Errichtung eines Kokshochofens schlesischer Bauart.260 Die Baumaßnahmen begannen im Februar. Der Osterfelder Pfarrer Johann Terlunen berichtet in seiner Gemeindechronik, dass „5 Mann den ganzen Sommer gemauert und 300.000 Ziegelsteine verbraucht haben.“261 Im August des Jahres war der „neue Hohofen in schleßischer großartiger Art“262 mit ▶ Gichtaufzug fertig. Die Maße des auf dem Gelände der St. Antony-Hütte 2006/​08 gefundenen Hochofenfundaments entsprechen nahezu dem von Kesten skizzierten Grundriss des Hochofens in Orzesche. Offensichtlich hatte dieser als Vorbild gedient. Verzichtet wurde zunächst auf die innere Ausmauerung mit Feuerfeststeinen, zumal dies in dieser Zeit oft noch vom Hüttenmeister, der den Ofen in Betrieb setzen sollte, durchgeführt wurde. Ein solcher war aber noch nicht engagiert. Auch könnte beim Unternehmen die Hoffnung bestanden haben, notfalls mit einer anderen Ausmauerung den Ofen auch für den Einsatz von Holzkohlen nutzen zu können. Es war der erste nachweisbare Hochofen, der für den Betrieb mit Steinkohlenkoks im Ruhrgebiet errichtet wurde.

Doch der neue Hochofen ging nicht in Betrieb. Um den Ofen anblasen zu können, benötigte man mehr Wissen über koksbetriebene Hochöfen als im eigenen Unternehmen vorhanden war. Die JHH musste sich bemühen, dieses Erfahrungswissen zu erwerben. Am 30. September 1845 erkundigte sich das Unternehmen bei der Sayner Hütte nach den dortigen Erfahrungen mit der Verhüttung mit Koks, die seit diesem Jahr erfolgreich lief. Man plane ebenfalls, einen Hochofen auf der St. Antony-Hütte mit Koks zu betreiben, und wünschte „einen tüchtigen mit der Sache ganz vertrauten jüngern Beamten oder einen Eleven auf eine zeitlang (etwa 1 oder ½ Jahr) überlassen“ zu bekommen, da die eigenen „Beamten theils die Sache nicht genau genug kennen, theils sonst beschäftigt sind.“263

Das Ansinnen der JHH war nicht ganz so vermessen, wie es scheint, befand sich die Sayner Hütte doch zu diesem Zeitpunkt im Besitz des preußischen Staates, dem es natürlich daran gelegen war, technische Neuerungen auch in anderen Landesteilen einzuführen. Lueg plante, sich den Hüttenbetrieb in Sayn selbst anzusehen, doch ist unklar, ob es dazu gekommen ist.264 Tatsächlich erhielt die JHH auch Unterlagen aus Sayn, aber keine Mitarbeiter, die bei der Inbetriebsetzung des Hochofens auf St. Antony hätten helfen können. Auch der direkte Abwerbeversuch des Schmelzers Braubach von der Sayner Hütte schlug fehl.265 Im Herbst 1846 versuchte man Hüttenmeister Meitzen aus Groß-Oschersleben auf zehn Jahre einzustellen, doch glückte auch dieser Abwerbeversuch nicht.266 Auch die Einschaltung staatlicher Stellen zur Gewinnung der notwendigen Fachkräfte nutzte nichts. Dennoch gingen die Versuche und Forschungen des Unternehmens zur Verhütung mit Koks zunächst weiter. Auf der Hütte Gute Hoffnung in Sterkrade führte man Verhüttungsversuche mit Koks von der Zeche Sälzer & Neuack durch. Hier scheint vorübergehend sogar mit einem gewissen Erfolg ein Holzkohlehochofen nur mit Koks gefahren worden zu sein.267


Abb. 44: Das ergrabene Fundament des Hochofens der St. Antony-Hütte von 1842 mit eingezeichneten Befunden

Nach einigen Jahren ließ das Interesse der JHH am neuen Hochofen auf St. Antony offensichtlich nach. Roheisen aus England und Belgien war mittlerweile so preiswert geworden und von so guter Qualität, dass sich die eigene Herstellung vorübergehend nicht lohnte.268 Hinzu kam eine nachlassende Konjunktur und die Tatsache, dass Koksroheisen in Deutschland durchaus noch ein Imageproblem hatte: Es galt als schlechter als das Holzkohleroheisen. Als dann 1847 die Köln-Mindener Eisenbahn ihren Betrieb aufnahm, führte die Strecke südlich an der Emscher vorbei, wo bereits das Puddel- und Walzwerk der JHH stand. Die St. Antony-Hütte geriet in die ungünstigere Verkehrslage mit besonders hohen Frachtkosten für Koks und Erze. Der Hochofenbetrieb auf St. Antony blieb eingestellt, der nicht benutzte Hochofen wurde wahrscheinlich 1854 wieder abgebrochen.269 In den Produktionsberichten der JHH findet sich für das Jahr 1853 für die St. Antony-Hütte letztmals der Hinweis: „Der Hochofen lag stille.“270

In Betrieb blieben jetzt noch zwei Hochöfen auf dem Werksgelände in Sterkrade, die mit Holzkohle und Koks gemischt betrieben wurden. Der auf St. Antony noch vorrätige Eisenstein wurde nach Sterkrade gesandt.271 Mittlerweile zeichnete sich der Neubau eines Hochofenwerks in der Nähe der Eisenbahn ab. Dort nahm die Eisenhütte Oberhausen 1855 den Betrieb auf. Bis dahin war die JHH angesichts des gestiegenen Verbrauchs an Roheisen bei stagnierender bzw. sinkender Eigenproduktion von einem Eisen erzeugenden zu einem Eisen verarbeitenden Unternehmen geworden. 1842 stand einer eigenen Produktion von 28.028 Zentnern ein Zukauf von 93.458 Zentnern Roheisen gegenüber.272 Auch die Gießerei auf St. Antony wurde jetzt ausschließlich mit fremdem Roheisen versorgt.

Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2

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