Читать книгу Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2 - Группа авторов - Страница 30

Doch besser Eisen: Der weitere Ausbau der Werke unter Wilhelm Lueg

Оглавление

Mit Wilhelm Lueg blieb die JHH auf Expansionskurs. Die St. Antony-Hütte wurde im Laufe des Jahres 1826 wieder zu einer Eisenhütte umgebaut. Die im folgenden Jahr in Betrieb gegangene Anlage

„besteht nur aus einem Hochofen mit einem dazugehörigen Wasserrade und einer Dampfmaschine. Der Hochofen hat einen aus Ziegeln aufgemauerten achteckigen, 30 Fuß hohen, im Kohlensack 8 Fuß und auf der ▶ Gicht 33 Zoll weiten Schacht. Das Cylindergebläse, welches bei mangelndem Aufschlagewasser durch die Dampfmaschine betrieben wird, besteht nur aus einem Cylinder von 5 Fuß Höhe und 3 Fuß Durchmesser. […] Die 16zöllige Dampfmaschine, welche das Gebläse bewegt, hat 7 – 8 Pferde Kraft; der Kolbenhub beträgt 3 ½ Fuß. Das Wasserrad, welches in trockenen Jahreszeiten durch sie ersetzt werden muß, ist vorteilhaft konstruiert, hat 80 sehr engliegende, schräg eingesetzte, aus Eisenblech bestehende Schaufeln, und eine Breite von 5 Fuß. Es ist 16 Fuß hoch und ganz oberflächlig.“188

Der Hochofen war also knapp 9,50 Meter, das Wasserrad fünf Meter hoch. Im ersten Jahr produzierte der Ofen wöchentlich 40.000 Pfund Eisen. Noch 1827 entstand auch ein neuer ▶ Kupolofen für den Gießereibetrieb. Er war etwa zwei Meter hoch und wurde mit selbst hergestelltem und aus England, Schottland und Belgien zugekauftem Eisen betrieben.189 Die Produktion war so erfolgreich, dass die JHH 1827 „die Gebäude durch Erbauung eines Holzkohlen-Magazins von der Größe einer gewöhnlichen Dorfkirche erweitern musste.“190

Leiter der St. Antony-Hütte war bis zu seinem Tod der Sohn von Gottlob Jacobi, August Ferdinand (1801 – 1842), der auch seinen Wohnsitz auf der Hütte hatte. Er konnte das Werk nur langsam weiter ausbauen. Eine Hypothekentabelle aus der Zeit um 1832 listete alle Anlagen auf:191 Am Hochofen stand ein aus Fachwerk gebauter ▶ Gichtaufzug. In der Gießhalle arbeiteten nun zwei ▶ Kupolöfen und die Sandformerei. Daneben gab es ein Dampf- und Gebläsemaschinenhaus, die Lehmformerei mit zwei Dampfkesseln und Kamin, ein Gebäude mit Schmiede und Schreinerei, zwei Kohlenschuppen, einen Materialschuppen und ein Gusswarenmagazin mit Putzhaus sowie das Faktoreigebäude mit Platzknechtwohnung und Stallung. Bis 1842 blieb der Betrieb in dieser Form bestehen.192 1835 produzierten auf St. Antony 45 Arbeiter 906.600 Pfund Gusswaren.193 Bis 1838 stieg die Zahl der Beschäftigten auf 85, die Produktionsmenge auf 1.749.428 Pfund.194

Während die St. Antony-Hütte wie vor 1820 wieder schwerpunktmäßig für den Verkauf arbeitete, widmete sich die Gießerei in Sterkrade nun vor allem der Herstellung von Maschinenteilen für den eigenen Maschinenbau. Die Sterkrader Maschinenbauwerkstatt, zu deren Leitung die JHH 1820 mit dem vormaligen königlich-preußischen Maschinenbauinspektor Ernst Merker (?–1833) erstmals einen Ingenieur eingestellt hatte,195 wurde 1828/​29 weiter ausgebaut.196 Nach dem Tod Merkers übernahm 1833 Friedrich Kesten (1808 – 1891), der 1825 noch minderjährig in das Unternehmen eingetreten und von Merker angelernt worden war, die Leitung des Maschinenbaus.197 Dieser Zweig entwickelte sich zu einem der wichtigsten Betriebe der JHH. Produktionsschwerpunkt war die Herstellung von Dampfmaschinen für den Bergbau und den Schiffsantrieb.198 Seit 1829 baute das Unternehmen auf einer Werft in Ruhrort Dampfschiffe, für die die Maschinen benötigt wurden. Die Leitung der Werft hatte Nicolas Oliver Harvey (1801 – 1861) übernommen, der von der JHH bei der Fijenoordwerft in Rotterdam mit weiteren Arbeitern und Ingenieuren abgeworben worden war.199 Ab 1838 ergänzte eine Kesselschmiede in Sterkrade die Produktion der Maschinenbauwerkstatt. Aber auch andere Arten von Maschinen wurden hergestellt. Anregungen hierzu hatten 1829 Wilhelm Lueg und Nicolas Oliver Harvey auch auf ihrer gemeinsamen Englandreise erhalten.200 So baute das Unternehmen zum Beispiel nach englischem Vorbild unter anderem für den Kölner Hafen neuartige Krane, die großes Lob ernteten.201


Abb. 33 (links): „Hochofen der St. Antonihütte, 1826 erbaut“. Abb. 34 (rechts): Der 1827 auf der St. Antony-Hütte erbaute Kupolofen. Beide Zeichnungen stammen aus dem Notizbuch des Ingenieurs Friedrich Kesten.

Fortwährend wurden jetzt die technischen Anlagen erneuert. 1829/​30 baute das Unternehmen in Sterkrade einen zweiten Hochofen. Für die Jahre 1832 und 1837 werden erneut Hochofenbauten in Sterkrade erwähnt.202 Sämtliche ▶ Kupolöfen sollen zwischen 1836 und 1842 umgebaut worden sein.203 Die Hochöfen wurden jetzt nicht mehr nur während relativ kurzer Kampagnen, sondern möglichst gleichmäßig über das ganze Jahr betrieben. Für den steigenden Erzbedarf reichte das Raseneisenerz aus der Umgebung nicht mehr aus. Nach ersten Versuchen 1815 kamen ab 1830 zugekaufte Erze von der Lahn hinzu. 1838 erwarb das Unternehmen dort dann eigene Gruben. Später kamen noch weitere Erzbergwerke an der Dill sowie rechts und links des Rheins hinzu.204 Auf der Hütte Gute Hoffnung waren 1842 – mittlerweile arbeiteten hier 540 Personen – schließlich neben den zwei Hochöfen auch zwei Flammöfen und drei ▶ Kupolöfen in Betrieb. Für die Gebläse benötigte man mittlerweile drei Dampfmaschinen.205


Abb. 35: Ansicht der St. Antony-Hütte 1834, Zeichnung von Jacob Weeser-Krell 1902

1829/​30 erfolgte auch der Bau eines Walzwerks an der Emscher, wo die JHH in der Nähe der Hütte Neu-Essen eine Öl- und Mahlmühle besaß. Dort walzte das Unternehmen zunächst Kesselbleche aus den Brammen des Hammers Neu-Essen. Später kamen auch Schiffsbleche für die Ruhrorter Werft hinzu, nachdem dort 1838 das erste deutsche Schiff mit Eisenrumpf hergestellt worden war. Eine bereits in der Mühle installierte Dampfmaschine unterstützte den Wasserradantrieb in trockenen Sommern und frostigen Wintern.206 1835 ergänzte das


Abb. 36: Lageplan der „St. Antoni Eisenhütte“ um 1835


Abb. 37: Ansicht der Hütte Gute Hoffnung in Sterkrade 1834, Zeichnung von Jakob Weeser-Krell 1902

Unternehmen dieses Walzwerk durch ein Puddelwerk, mit dem man sich das aktuelle, aus England stammende Verfahren der Stahlerzeugung aneignete, da die Produktion von Frischeisen auf dem Werk Neu-Essen den Bedarf nicht mehr decken konnte. Das Puddelverfahren war schon Gottlob Jacobi bekannt gewesen, wie ein Brief vom 30. Mai 1817 belegt, in dem er Eberhard Hoesch auf das englische Puddeln aufmerksam machte.207 Wilhelm Lueg hatte sich auf seiner Englandreise 1825 das Verfahren ebenfalls genau angeschaut, ebenso wie neue Walzwerke und Koksöfen.208 Am 6. Mai 1836 ging der erste Puddelofen in Betrieb. Eingesetzt wurde vor allem Roheisen aus England, Schottland, Wales und Belgien, vermischt mit deutschem Holzkohleroheisen.209 Das eigene Eisen aus Raseneisenerz war zum Puddeln nicht geeignet. Zunächst mit vier Puddelöfen, zwei Schweißöfen, einem Dampfhammer und drei Walzstraßen ausgestattet,210 wurde das Puddel- und Walzwerk immer weiter ausgebaut.211 Diese Investitionen wurden jetzt nicht mehr nur aus Gewinnen, sondern auch aus Zubußen der Anteilseigner und Krediten finanziert.212 Neben den Betrieben in Sterkrade entwickelte sich die Fläche an der Emscher zum zweiten Zentrum der JHH.


Abb. 38: Ansicht des Walzwerks Neu Essen (Oberhausen), Zeichnung von Jakob Weeser-Krell 1902

Puddler kamen als Fachkräfte aus England, Belgien213 und rheinischen Werken, die das Verfahren bereits eingeführt hatten. So stellte das Unternehmen am 13. November 1837 für sechs Monate zwei Puddelmeister namens Benjamin Bamford und Thomas Lambert ein. Der Arbeitskontrakt war in englischer und französischer Sprache verfasst.214 Ihre Arbeitszeit war auf zwölf Stunden festgelegt. Schon am 3. Juli 1836 hatte das Unternehmen Heinrich Flaesch aus Eisenschmitt in der Eifel als „ersten Meister“ im Puddelwerk engagiert.215 In seinem Arbeitsvertrag verpflichtete er sich, „treu u. fleißig zu arbeiten u. überall das Interesse seiner Gewerkschaft wahrzunehmen“. Er sollte „nicht allein während seinen Arbeitsstunden (nämlich 12 Stunden a 24 Stunden) seine Pflicht […] thun, sondern auch zu anderen Zeiten“ wie „auch Sonntags bei Reparatur der Öfen thätig […] sein.“ Daneben wurde er verpflichtet, „auch anderen Meistern und Gesellen mit seinem Rath zur Seite zu stehen u. besonders zu unterweisen.“ Er hatte dafür Sorge zu tragen, „dass gute Waare fabriziert wird, bei möglichster Ersparnis und nach Möglichkeit Einigkeit unter den Leuten zu erhalten.“ Flaesch erhielt hierfür 40 Thaler Lohn, freie Wohnung, Brand und Licht sowie ein Stück Land als Garten.

In seinem Arbeitsvertrag versprach Heinrich Flaesch, „auch zur Erhaltung guter Meister und Gesellen behälflich zu sein“. Tatsächlich kamen in der Folgezeit noch mehrere Puddler aus Eisenschmitt zur JHH,216 als in den 1840er Jahren die in der dortigen Nachbarschaft gelegenen Hüttenwerke immer mehr Arbeiter entließen und die Verdienste anderswo besser waren.217 Zu den Zuwanderern gehörte auch Mathias Flaesch, der sich in einem Arbeitsvertrag vom 24. März 1846 für weitere zwei Jahre verpflichtete, auf dem Puddelwerk in Oberhausen als Meister „in den bisherigen Lohnsätzen und bekannten sonstigen Bedingungen“ zu arbeiten. Flaesch war zur Einhaltung der „bestehenden Fabrikordnung“ verpflichtet, die Firma versprach, ihm „stets Arbeit zu geben“.218

Mittlerweile besaß die JHH überregionale Bedeutung. Wilhelm Lueg stellte 1836 stolz fest: „Das Werk erfreut sich auch der Aufmerksamkeit der hohen Staatsbehörden und selbst seine Königliche Hoheit der Kronprinz und Prinz Friedrich von Preußen nahmen dasselbe in Augenschein. Der Besuch seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen hatte am 23. Oktober 1833 statt.“219 Extra für diesen Besuch ordnete noch am 21. Oktober der Duisburger Landrat eilig die Instandsetzung der Straße von Düsseldorf über Sterkrade nach Wesel, speziell des Teilstücks von Sterkrade durch die Heide nach Hiesfeld an.220 Am 6. August 1845 besuchte der Kronprinz, nun als König Friedrich Wilhelm IV., erneut das Werk.221

Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2

Подняться наверх