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Kirche neu entdecken und denken

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Nicht nur Neugier und vielerlei Fragen löst dieses kleine anfängliche Projekt in Hannover aus, sondern auch eine massive theologische Herausforderung. Der Start dieses Projektes fiel zusammen mit den intensiven Vorbereitungen zur ersten Londonreise, die wir gemeinsam mit unseren evangelischen Mitstreitern im Herbst 2009 unternehmen wollten. Diese theologischen Fragen standen im Mittelpunkt der beiden Studientage, die im Januar 2009 und im Frühjahr 2010 die Reise umrahmten. Die Beiträge von Bischof Finney, Professor Gerhard Wegner, Volker Roschke und Professor Medard Kehl versuchten, die weiße Landkarte wenigstens von ihren theologischen, soziologischen und praktischen Eckfahnen zu beschreiben – die Erfahrungen aus England kolorieren und präzisieren das unbekannte und verheißungsvolle Land der Evangelisierung.

Immer deutlicher wird aber, dass diese Aufbruchsbewegung zu einem neuen Hinschauen auf die geistvolle Kirchenentwicklung jenseits der alle Aufmerksamkeit raubenden Umstrukturierung der deutschen Kirche führt.

Denn auf einmal wird deutlich, dass wir uns schon mitten in einem massiven Umformatierungsprozess befinden, und dass die Erfahrungen mit eigenen Projekten wie Soul Side Linden und der Blick auf anglikanische Aufbrüche in London und „elsewhere“ neu sehen lässt, wie Kirche sich hierzulande entwickelt und dabei die eigene Ekklesiologie in ein neues Licht rückt. Das ist die eigentliche Pointe der eigenen Bemühungen um ein neues – deutsches – Antlitz der Kirche: vieles ist schon unbemerkt da – und Ekklesiologie wird plötzlich zu einem erregenden Abenteuer: endlich nämlich wird nicht nur theoretisch eingeholt und wiederholt, was eine vergangene Gemeindetheologie sein sollte und nicht mehr ist – schon gar nicht normativ, endlich wird gelebte Spiritualität und Ekklesiopraxis zum Ausgangspunkt einer Ekklesiologie, und endlich wird die prophetische Dimension nicht rezipierter konziliarer Ekklesiologie erfahrbar, greifbar und formulierbar sowie das Gestaltungspotential der grundlegenden evangelischen Bekenntnistexte für unterschiedliche soziale Formen von Gemeinde ausgeschöpft.

Aus der theologischen Perspektive konziliarer Ekklesiologie gilt ja: wenn Lumen Gentium 1 davon spricht, dass die Kirche in Christus „gleichsam Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug der Einheit Gottes mit der Menschheit und der Menschen untereinander ist“, dann ist im Blick auf eine existenzielle Wendung dieser Ekklesiologie zu sagen, dass Kirche dann erfahrungsorientiert und praktisch überall dort erfahrbar wird, wo dies geschieht. Aus evangelischer Sicht ist hinzuzufügen: Da die Confessio Augustana das Wesen und die Identität der Kirche an den grundlegenden Vollzügen von Evangeliumsverkündigung und Sakramentsverwaltung festmacht (CA 7), bietet dieses weite ökumenische Kirchenverständnis einen entsprechenden hermeneutischen Rahmen für unterschiedliche soziale und liturgische Formate, in denen sich Kirche ereignet. Den ekklesiologischen Status solcher Kirchenwirklichkeiten tiefer zu durchdenken – das ist das Thema einer erfahrungssatten Lehre von der Kirche der Zukunft.

Die sakramentale Mitte der Kirche steht hier nicht in Frage – die Eucharistie ist Mitte, Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens. Dies gilt in gleicher Weise für die protestantischen Alleinstellungsmerkmale von Wort und Sakrament, die ihrerseits Ausdruck der verborgenen Christuswirklichkeit sind. Wohl aber ist angesichts der evangelisierenden und katechumenalen Gestalt vieler dieser neuen und schon bewährten Kirchenbildungen zu fragen, wie die Mitte des Kircheseins und die sakramentale Fülle des Kircheseins nicht auf Kosten ihrer katechumenalen und evangelisierenden Dynamik zu denken ist: es geht um die klassisch gewordene Hierarchisierung, die vom vermeintlichen Mittelpunkt der klassischen Kirchengemeinde ausging und diese faktisch identifizierte mit dem Ganzen des Kircheseins, wie es sich in der Feier der Eucharistie bzw. in Wort und Sakrament zuhöchst darstellt. Dies aber ist eine Verwechselung: auch die Gemeindebildungen klassisch geprägter Christen sind eine, aber lediglich eine der vielen Sozialgestalten, die zusammen mit anderen Formen und Gestalten der Kirche die eine Kirche in der Vielfalt darstellen.

Gottes Sehnsucht in der Stadt

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