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DER IMMIGRANT INCLUSION INDEX
ОглавлениеIm Jahr 2013 beteiligten sich Andrea Blättler und Samuel Schmid an einem forschungsorientierten Seminar mit dem Titel «Zur Qualität von Demokratien und Demokratiemessinstrumenten», das von Professor Joachim Blatter an der Universität Luzern angeboten wurde. Die beiden Studierenden erkannten sofort, dass selbst die jüngsten Demokratiemessinstrumente wie beispielsweise das Demokratiebarometer, das vom Wissenschaftszentrum Berlin zusammen mit der Universität Zürich entwickelt wurde, in einer wichtigen Hinsicht ein Defizit aufweisen: Sie berücksichtigen bei ihrer Messung der Qualität von Demokratien nicht oder nur unzureichend, wie gut Demokratien Immigrantinnen und Immigranten in den politischen Prozess einbinden. Um dies zu belegen, entwickelten die beiden zusammen mit dem Dozenten ein eigenes Messinstrument: den Immigrant Inclusion Index (IMIX).
Der erste Schritt bei der Entwicklung des IMIX bestand in der Beantwortung der Frage: Müssen demokratische Gemeinschaften Migrantinnen und Migranten eigentlich inkludieren? Alle wichtigen Strömungen der Demokratietheorie sind sich in dieser Frage einig:2 Ja, das müssen sie, und dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen. Der erste und wichtigste Grund ist, dass alle Erwachsenen, die politischer Herrschaft unterworfen sind, in der Lage sein müssen, sich an der Kontrolle dieser Herrschaft zu beteiligen. In anderen Worten: Man kann nur von jemandem erwarten, dass er sich an die Gesetze eines Landes hält, wenn er bei der Gestaltung dieser Gesetze auch mitwirken kann. Darüber hinaus tragen Immigrantinnen und Immigranten durch die Übernahme von politischer Verantwortung und von politischen Ämtern auch dazu bei, dass sich die politische Gemeinschaft als Ganzes selbstbestimmen kann. Dies ist insbesondere in der Schweiz mit ihrem Milizsystem von grosser Bedeutung. Mit der politischen Inklusion ist auch eine gegenseitige Anerkennung von Einheimischen und Migranten verbunden. Dies wiederum führt zu einer erhöhten Identifikation der beiden Gruppen mit Staat und Gesellschaft. Eine dauerhafte Exklusion führt dagegen zu Abgrenzung und Distanzierung.
Während sich praktisch alle einig sind, dass Migrantinnen und Migranten, die dauerhaft in einem Land leben, eine Stimme im politischen Prozess erhalten sollten, gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber, wann dies zu geschehen hat. Für diejenigen, die vor allem den Schutz der individuellen Rechte und Interessen der Migrantinnen und Migranten im Auge haben, muss die Inklusion möglichst früh erfolgen. Bei denjenigen, die gemeinsame Werte als Voraussetzung einer funktionierenden Demokratie betrachten und die sich um die politische Kultur eines Landes Sorgen machen, ist die Sache nicht so klar. Für Konservative kommt eine Inklusion erst in Betracht, wenn Migrantinnen und Migranten sich assimiliert haben und die Kultur der Einheimischen teilen. Progressive verweisen darauf, dass eine frühe politische Inklusion dazu beiträgt, dass sich Migrantinnen und Migranten für die politische Kultur eines Landes erwärmen können und dass sich die politische Kultur eines Landes durch deren Inklusion zeitgemäss weiterentwickelt. Wieder andere sehen eine gewisse Vertrautheit mit dem politischen System als notwendige Voraussetzung, um produktiv mitwirken zu können. Der IMIX schliesst sich einem sich immer mehr herauskristallisierenden Konsens an, der davon ausgeht, dass Demokratien denjenigen, die fünf Jahre legal und durchgehend in einem Land gelebt haben, das Wahl- beziehungsweise Stimmrecht geben sollten. Allein durch die Einführung von Beiräten ist die politische Inklusion unzureichend, denn nur wenn Immigrantinnen und Immigranten auch eine Stimme haben, die bei den Abstimmungen und Wahlen zählt, werden sich Politikerinnen und Politiker um ihre Interessen kümmern.