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DIE SCHWEIZ IM INTERNATIONALEN VERGLEICH
ОглавлениеDer nächste Schritt im Hinblick auf den IMIX bestand darin, ein konkretes Messinstrument zu entwickeln, mit dem man in systematischer Art und Weise die Situation in verschiedenen Demokratien vergleichen kann. Der IMIX misst die politische In- beziehungsweise Exklusivität von nationalen Demokratien gegenüber Migrantinnen und Migranten in zweierlei Hinsicht: Zum einen wird anhand der Gesetzgebung eines Landes eruiert, wie inklusiv das Land de jure ist. Zum anderen wird berechnet, wie viele der Immigrantinnen und Immigranten, die eigentlich inkludiert werden müssten, de facto inkludiert sind. Beide Perspektiven haben Vor- und Nachteile: Die in den Gesetzen eines Landes verankerte Inklusivität verkörpert den in demokratischen Prozessen festgelegten Willen der Einheimischen sowie denjenigen der bereits Inkludierten. Allerdings gibt es jenseits der einschlägigen Gesetze weitere Hürden bei der Inklusion, weshalb die Gesetze die reale Situation manchmal nur sehr unzureichend abbilden. Deswegen erscheint eine Berücksichtigung der realen Inklusivität notwendig. Eine alleinige Bewertung auf der Basis solcher Zahlen ist aber auch problematisch, weil die reale Inklusivität auch durch Faktoren beeinflusst werden kann, für die nicht die Demokratie des Landes verantwortlich ist – zum Beispiel die Staatsbürgerschaftsgesetze der Herkunftsländer.
Der IMIX berücksichtigt zwei Möglichkeiten, wie Demokratien Immigrantinnen und Immigranten inkludieren können: durch die Einbürgerung oder durch die Einführung eines Ausländerstimmrechts – angemessener wäre der Begriff «Bewohnerinnenstimmrecht». Obwohl wir der Ansicht sind, dass es für das Ausländerinnen- und Ausländerstimmrecht ebenso viele gute demokratietheoretische Argumente gibt wie für die Einbürgerung, wurde im IMIX die Einbürgerung doppelt gewichtet. Dies zum einen, weil im theoretischen und praktischen Diskurs Letzteres immer noch als Königsweg gilt. Zum anderen, weil es angemessen erschien, im Zweifelsfall eine eher konservative Position einzunehmen, um die Akzeptanz des IMIX und seiner Ergebnisse zu stärken. Für die beiden Perspektiven und die beiden Möglichkeiten der Inklusion wurden dann konkrete Indikatoren festgelegt, und für die meisten Mitglieder der Europäischen Union und für die Schweiz Daten gesucht.
Inklusivität europäischer Nationalstaaten in Bezug auf Immigrantinnen und Immigranten. = Durchschnitt. Quelle: Blatter, Schmid, Blättler, 2016 (siehe Anm. 3).
Insgesamt ergab sich folgendes Bild: Auch in den bestentwickelten Demokratien Europas sind wir von einem universellen Wahlrecht noch weit entfernt. Einem grossen Teil der erwachsenen Wohnbevölkerung wird bis heute das Stimm- und Wahlrecht verwehrt. Dies lässt sich unabhängig davon feststellen, ob wir die Gesetze der Länder analysieren oder die De-facto-Inklusivität betrachten. Es gibt zwischen den Ländern aber deutliche Unterschiede: Skandinavische Länder sowie Belgien und die Niederlande sind besonders inklusiv, wohingegen die deutschsprachigen Länder, insbesondere auch die Schweiz, sich als besonders exklusiv erweisen. Die hohe Exklusivität der Schweiz lässt sich dabei nicht nur damit erklären, dass das Land viele Migranten anzieht und diese im Rahmen der bilateralen Verträge auch einwandern liess. Die Schweiz schneidet auch bei der Vermessung ihrer De-jure-Inklusivität sehr schlecht ab, was zeigt, dass sie Einwandernde nicht oder nur sehr zögerlich inkludiert beziehungsweise inkludieren will.
Auch Deutschland schneidet beim IMIX kaum besser ab als die Schweiz. Das leicht bessere Abschneiden resultiert aus der Mitgliedschaft in der Europäischen Union, denn alle EU-Länder müssen den Bürgerinnen und Bürgern anderer EU-Länder auf der kommunalen Ebene das Wahlrecht zugestehen.3 Allerdings gab es in Deutschland in den letzten Jahren bürgerschaftliche Initiativen, die darauf ausgerichtet sind, die demokratischen Defizite, die durch Exklusion von Migranten und anderen Betroffenen entstehen, zu thematisieren und sie etwas zu reduzieren. Zwei dieser Initiativen stellen wir im Folgenden vor.