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EMPIRISCHE EVIDENZ

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Durch Studien belegt ist hingegen, dass die Akzeptanz doppelter Staatsbürgerschaft im Aufenthaltsland mit tieferen Hürden für eine Einbürgerung einhergeht und dadurch zu höheren Einbürgerungsraten führt.12 Erst jüngst konnte eine Studie für die Schweiz auch nachweisen, dass Einbürgerung die politische Integration von Eingewanderten positiv beeinflusst.13 Zwei weitere Studien untersuchten, ob doppelte oder mehrfache Staatsbürgerschaft zu weniger Integration im Aufenthaltsland führt.14 Grundlage waren Daten zweier Online-Umfragen, die 2013 und 2015 im Rahmen eines vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Forschungsprojekts durchgeführt wurden.

In der ersten Umfrage wurden Daten zur politischen Identität und zum Engagement unter Doppelbürgern sowie unter Kontrollgruppen in der Schweiz erhoben. Die zweite Umfrage ergänzte diese Daten, indem Auslandschweizer mit und ohne zweiten Pass in acht Ländern weltweit befragt wurden. Während Identifikation anhand von kognitiven Selbstbeschreibungen, emotionalen Zugehörigkeitsgefühlen sowie Solidaritätsäusserungen gemessen wurde, galten als Kriterien für den Grad an politischer Beteiligung Bekundungen politischen Interesses und Wissens, Wahlbeteiligung sowie nichtelektorale Formen politischer Beteiligung. Diese Indikatoren können auch als Formen von Loyalität interpretiert werden, denn Loyalität ist einerseits eine affektive Bindung15 und andererseits eine Haltung, die gegenüber einer Sache verpflichtet.16 Die Umfrage in der Schweiz wurde unter 1764 eingebürgerten und autochthonen Schweizerinnen und Schweizern mit und ohne zweiten Pass sowie unter Ausländerinnen und Ausländern aus Deutschland, Frankreich, Italien und dem Kosovo mit dauerhaftem Aufenthalt in der Schweiz durchgeführt.

Das Ergebnis der Studie: Doppelbürger unterscheiden sich im Ausmass ihrer Loyalität gegenüber der Schweiz nicht von Schweizern mit nur einem Pass.17 Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen von Bürgerinnen und Bürgern, weder im Ausmass der Identifikation noch im Ausmass der politischen Beteiligung.18 Ansässige Ausländerinnen und Ausländer beteiligen sich hingegen deutlich weniger an Schweizer Politik. Direkt gefragt, in wessen Interesse sie sich politisch beteiligen, antworteten Doppelbürger sogar signifikant häufiger als Einfachbürger, Schweizer Interessen zu berücksichtigen. Das Einwanderungsland Schweiz scheint durch die Akzeptanz doppelter Staatsbürgerschaft somit eher zu gewinnen als zu verlieren, nicht zuletzt, weil sie die ansonsten schon mit grossen Hürden verbundene Einbürgerung erleichtert.

Wie sieht es bei Doppelbürgerinnen und Doppelbürgern im Ausland aus? Findet sich hier jene oft unbegründet vermutete Illoyalität gegenüber der Schweiz? Die Ergebnisse der Umfrage unter Auslandschweizern liefern wiederum keinen Beleg für die traditionelle Perspektive. Aufschlussreich ist ein Vergleich von 2559 befragten Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern mit und ohne zweiten Pass in den vier für Schweizer Auswanderer beliebtesten Zielländern Deutschland, Frankreich, Italien und den USA.19 Die Untersuchung ergab, dass jene Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die nebst dem Schweizer auch den Pass ihres Aufenthaltslands haben, sich etwas weniger mit der Schweiz identifizieren. Hierbei scheint jedoch weniger der formale Status relevant zu sein als vielmehr die Bereitschaft, sich mit einem Land überhaupt zu identifizieren. Denn interessanterweise identifizieren sich jene Doppelbürger, die sich ihrem Aufenthaltsland zugehörig fühlen, wiederum auch mehr mit der Schweiz als jene, die dies nicht tun. Dasselbe gilt für die politische Beteiligung in der Schweiz. Engagieren sich Auslandschweizer in ihrem Aufenthaltsland, so werden sie als Schweizer Bürger nicht weniger loyal, da sich gerade jene Auslandschweizer in ihrem Heimatland einbringen, die sich zugehörig fühlen und informiert sind, unabhängig davon, ob sie Doppelbürger sind.

Identifikation mit und politische Beteiligung im Aufenthaltsland scheinen also positiv mit äquivalenten Gefühlen und Aktivitäten im Herkunftsland verbunden. Ein zweiter Pass und Loyalität zum Heimatland gehen Hand in Hand, Loyalität gegenüber dem Aufenthaltsland einerseits und dem Heimatland andererseits ebenfalls. Entscheidender als der formale Status scheint für eine Demokratie daher die Frage zu sein, ob sich Doppelbürgerinnen und Doppelbürger generell zugehörig fühlen, ob sie sich für Politik interessieren und sich aktiv einbringen. Ist dies der Fall, tun sie es in der Regel sowohl in ihrem Aufenthalts- als auch in ihrem Herkunftsland. Die Studie bestätigt also eher die transnationale Perspektive als die traditionelle, die von einer Abnahme politischer Identität und Beteiligung bei Doppelbürgerschaft ausgeht.

Und wie steht es um die Förderung kosmopolitischer Einstellungen und Identitäten durch doppelte Staatsbürgerschaft? Die Umfrageergebnisse der Studie in der Schweiz mit Blick auf kosmopolitische Einstellungen wie Akzeptanz kultureller Diversität, Einwanderung und transnationale Rechte, Identifikation und Solidarität mit Europa oder als Weltbürger sowie globale Formen politischer Partizipation zeigen, dass Doppelbürgerinnen und Doppelbürger sowie Ausländerinnen und Ausländer eher kosmopolitische Einstellungen aufweisen als Schweizerinnen und Schweizer mit nur einem Pass. Im Hinblick auf universale Identitäten und Solidarität unterscheiden sich Doppelbürgerinnen und Doppelbürger nicht signifikant von Einfachbürgern, doch beteiligen sich jene mit zwei Pässen signifikant mehr an globaler Politik als Einfachbürger. Doppelbürger scheinen also nicht in jeder Hinsicht eine kosmopolitische Avantgarde zu sein. Als bisweilen vermehrt global aktive Bürger tragen sie jedoch durchaus zu kosmopolitischer Bürgerschaft bei.

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