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Einleitung CHRISTINE ABBT, JOHAN ROCHEL

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Ab Januar 2017, wenn in der Schweiz das neue Markenschutzgesetz in Kraft tritt,1 wird aus einer italienischen Kuh ohne Probleme, blitzschnell, eine Schweizer Kuh. Bedingung dafür ist, dass die Kuh die Schweizer Grenze ordentlich passiert. Ist dieser Schritt vollzogen, wird aus dem italienischen Tier ein einheimisches, das nach dem Übertritt unmittelbar «Schweizer» Käse produzieren kann. Was in Bezug auf Tiere in naher Zukunft reibungslos funktionieren wird, eben der problemlose Wechsel nationalstaatlicher Zugehörigkeit, vollzieht sich bei Personen offenkundig nicht im selben Mass unproblematisch. Ein- und Auswanderung, Niederlassung und Bürgerrecht, aber teilweise auch schon die Durchreise durch das Land sind in der Schweiz und auch international über anspruchsvolle Verfahren organisiert. Dass Waren, Dienstleistungen, Ideen, Tiere und Pflanzen heute einfacher durch die Welt zirkulieren als Menschen, ist nicht selbstverständlich. Noch bis ins 20. Jahrhundert war es zumindest in Teilen Europas andersherum. Personen konnten sich relativ frei durch unterschiedliche Gebiete bewegen. Die Waren allerdings wurden besteuert und mussten entsprechend verzollt werden. Statt Menschen wurden damals vor allem Warengüter geschmuggelt. Heute wird der jährliche Umsatz von Menschenschmugglern, sogenannten Schleppern, auf Hunderte von Millionen Franken geschätzt.2

Zurück zur heutigen Schweiz, zum Land der Berge, Uhren, Schokolade, der exzellenten Bildung, des starken Frankens, der humanitären Tradition; zur Schweiz als Beispiel für gelebten Föderalismus, direkte Demokratie, innovative Nachhaltigkeit, eines gelingenden Zusammenspiels und Nebeneinanders von technologischem Fortschritt, kultureller Innovation, verankerten Grundrechten und traditionsreichem Heimatschutz. Bei genauerer Betrachtung ist die Schweiz in all den erwähnten Belangen vor allem ein Land des regen Austauschs, ein Land der Zu-, Ein-, Durch- und Auswanderung, ein Migrationsland eben.

Aktuell lässt sich für die Schweiz als Migrationsland ein bemerkenswertes Bild ausmachen. Einerseits ist die öffentliche Diskussion stark geprägt von der Vorstellung der Schweiz als Zuwanderungsland. Insbesondere die Geflüchteten aus Syrien und anderen Ländern prägen die Debatte. Tatsächlich sind laut Angaben des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR 65 Millionen Menschen auf der Flucht, davon zwei Drittel im eigenen Land.3 Jeder Einzelne ist ein Individuum mit einer Geschichte, mit familiären Beziehungen, Angst vor Verletzung und Tod, Hoffnung auf ein besseres Leben sowie berechtigtem Anspruch auf Schutz vor Krieg und Verfolgung. Angesichts der vielen Personen, die seit einigen Jahren nun schon fliehen müssen und auf Aufnahme in einem sicheren Land hoffen, steht auch die Schweiz in der Pflicht.

Migration betrifft heute darüber hinaus jedoch sehr viel mehr Menschen. 232 Millionen sind laut der Uno gegenwärtig international als Migrantinnen und Migranten zu registrieren; das sind all jene Menschen, die sich seit mehr als zwölf Monaten ausserhalb der Grenzen jenes Landes befinden, in dem sie geboren worden sind.4 Diese Zahl ist gemäss den Statistiken seit 1960 stabil bei drei Prozent der Weltbevölkerung.5 Darunter fallen, mit Blick auf die Schweiz, auch jene Personen, die sich dazu entschliessen, die Schweiz zu verlassen, um sich an einem anderen Ort niederzulassen. In den letzten Jahren hat diese Zahl der Auswanderungen aus der Schweiz kontinuierlich zugenommen.6 Zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung lebt gegenwärtig im Ausland.7 Diese sogenannte Fünfte Schweiz der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer umfasst mehr als 700 000 Bürger. Dass heute sogar ein Mitglied des Nationalrats offiziell seit Jahren in Berlin lebt und von dort jeweils zu den Sessionen anreist und danach wieder nach Deutschland heimkehrt, mag nur ein Indiz für die offene, weltverbundene, in Europa fest verankerte Schweiz sein, aber es ist eines.8 Dem unverstellten Blick zeigen sich unschwer viele weitere.

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