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MOBILITÄT ALS FAKTUM UND TREIBENDE KRAFT

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Die Grenzen der Schweiz waren stets durchlässig und Gegenstand von Aushandlungsprozessen. Die Menschen, die sich zwischen den Koordinaten der geografischen oder politischen Schweiz begegneten, bewiesen in unterschiedlichen Konstellationen immer wieder die Fähigkeit zur Adaption an neue Bedingungen, manchmal taten sie dies sogar fragwürdig wendig. Voraussetzung dazu war und ist die Bereitschaft und Fähigkeit, unvoreingenommen miteinander zu reden und in intensiver Auseinandersetzung gemeinsam nach tragfähigen – und das bedeutet für alle tragbaren – Lösungen für Gegenwart und Zukunft zu suchen. Das Eigeninteresse ist stets zusammen mit den Interessen anderer Beteiligter zu konzipieren und zu verfolgen. «Wenn wir zusammenspannen, sind wir stärker», könnte das politische Motto der Schweiz lauten. Denn in vielen Fällen haben die Bewohnerinnen und Bewohner Mitteleuropas dies getan und die besten Ideen unabhängig von ihrer jeweiligen Herkunft übernommen und in den Alltag integriert. Bei gewissen Gerichten wie etwa Spätzle, Kebab, Sushi oder Pizza scheint uns die nationale Herkunft noch einigermassen klar bestimmbar zu sein, obwohl es auch hier schnell einmal zu Täuschungen und Fehlzuordnungen kommen kann.9 Wer aber brachte in Schweizer Landen zum ersten Mal den Dill zum Lachs? Welcher Gedanke wurde an welcher Stelle der Welt zum ersten Mal gedacht? Wodurch war er inspiriert und wer war mit dabei? Die Frage nach dem Ursprung von Entwicklungen führt in ein schwer durchschaubares Geflecht aus Zusammenhängen. Aus dem permanenten Prozess von Austausch, Verständigung und Vernetzung unterschiedlicher Interessen ergeben sich immer wieder modifiziert konkrete, gerechte und effiziente Entscheidungen. Auf den Schultern von Riesen fragen wir schelmisch: «Wer hats erfunden?».

Die Schweizer! Natürlich. Bleibt die Frage, wer damit gemeint ist. Wer gehört dazu, wer nicht, wer bringt was ein, wer gestaltet wie mit, wer belastet, wer beglückt, ab wann und für wie lange? Hannah Arendt macht in «Wir Flüchtlinge» darauf aufmerksam, dass es bei Migrationsbewegungen keine klaren Grenzen gibt zwischen denen, die schon da sind, und denen die kommen, um zu bleiben; zwischen denen, die weggehen, und denen, die nur kurz zu Besuch sind.10 Es ist eine Fiktion, davon auszugehen, dass neue Umstände nur die einen betreffen und die anderen nicht. Vielmehr sind alle schon längst mittendrin und mit dabei, sich umzustellen, anzupassen, einzurichten und zu verändern, wenn noch darüber verhandelt oder lamentiert wird, dass die Bereitschaft zur Veränderung fehle. Dass sich die Dinge fortlaufend wandeln, können wir nicht verhindern. Es bleibt nicht alles beim Alten, ob wir das erfreulich finden oder nicht. Die Frage, die wir beantworten müssen, lautet, welche Veränderung wünschbar und wie das Gewünschte umzusetzen ist. Übertragen auf Migration bedeutet es, dass wir die nationale, regionale und internationale Mobilität gleichzeitig als Faktum unserer Welt und als treibende Kraft von tiefgreifenden Umwandlungen anerkennen und uns der Frage zuwenden müssen, wie wir diese Prozesse intelligent und fair gestalten können.

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