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b) Vernetzung der Alltagskultur und Realien Israels und der biblischen Schriften mit der altorientalischen Lebenswelt

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Die Ergebnisse der Biblischen Archäologie, insbesondere der Ikonographie und des Studiums der altorientalischen Bild- und Realienwelt, können für die Interpretation biblischer Texte von Relevanz sein, wenn es um die Klärung von topographischen Gegebenheiten, Realien, Sozialstrukturen, Technologien, Verkehrswegen, Importen und Handelsstrukturen u. a. m., also der Alltags- und Lebenswelt der Menschen geht, welche die Hebräische Bibel geschrieben haben und für die sie geschrieben wurde. Selbst biblische Ortsangaben (z. B. Mamre) können mehr als ein topographischer Hinweis sein und eine theologische Konnotation enthalten. Um dies zu verstehen, muss man die Topographie Palästinas kennen.

Auch die Bildsprache und Metaphorik der Hebräischen Bibel ist der altorientalischen Lebenswelt verpflichtet, so dass sie sich erst voll erschließt, wenn man diesen Hintergrund ausleuchtet. Als Beispiel sei auf die Metaphorik verwiesen, die im Alten Orient, Alten Testament oder in den wenigen einschlägigen epigraphischen Funden aus Palästina benutzt wurde, um Sterben, Tod und Unterwelt zu beschreiben. Im Zusammenhang mit der Rede vom Übergang vom Leben zum Tod und vom Dasein des Toten in der Unterwelt teilen sich Alter Orient und Altes Testament zahlreiche Vorstellungen (z. B. das Schattendasein der Toten in der Unterwelt). Aber auch die Metaphorik diesbezüglich zeigt einen beachtlichen gemeinsamen Fundus, da man eben Bilder aus dem Bereich der Flora (Ps 102,5.12 versengte Kräuter) und Fauna (Ps 102,7 Dohle/Pelikan in der Wüste, Eule in Ruinen, 102,8 einsamer Vogel) der israelitisch-judäischen und altorientalischen Lebens- und Erfahrungswelt (Hiob 13,28 Kleid mit Mottenfraß, 14,11 vertrocknender Fluss; Ps 31,13 zerschlagenes Gefäß, 102,12 länger werdender Schatten) verwandte, um diesen Grenzbereich menschlichen Daseins sprachlich und begrifflich zu erfassen. Eine Metapher, die in mesopotamischen wie alttestamentlichen Texten verwendet wird, um der Rede vom Sterben eines Menschen eine spezielle Nuance und Färbung zu geben, ist der Vogelfang: Der konkrete Vorgang aus dem Bereich der Jagd14 wird aufgenommen, wenn das Fangen von Vögeln mit Fallen und Netzen als Bild für den bedrohten und sterbenden Menschen gebraucht wird.15 Der lebendige Mensch wird dabei mit dem freien Vogel assoziiert, der somit zur Metapher für die individuelle menschliche Vitalität (hebr. naepaeš16), steht. Ebenso schnell wie der freie Vogel gefangen werden kann, kann der Tod den Menschen ereilen. So werden Vogelfang und Sterben (wie auch Fischfang und Sterben) z. B. in Koh 9,12 miteinander assoziiert, wenn festgestellt wird:

Auch kann der Mensch seine Stunde nicht erkennen. Wie die Fische, die im tückischen Netz gepackt werden und wie die vom Klappnetz gepackten Vögel, so werden die Menschenkinder gefangen zur Stunde des Unheils, wenn es plötzlich über sie kommt.

Der ständig vom Tod bedrohte Mensch entspricht hier dem gejagten Vogel, das schnell zuschnappende Klappnetz zeigt den unvorhersehbaren Zugriff des Todes auf den arglosen Menschen/Vogel an, und die Vogeljagd steht für die Todesgefahr, der der Mensch immer ausgesetzt ist. Eine ähnliche Metaphorik, die das Böse (in Gestalt von Krankheiten, Tod oder Dämonen) wie etwas beschreibt, das den arglosen Menschen jagt, verfolgt und sich über ihn wie ein Fangnetz wirft, findet sich auch in mesopotamischen Texten. Als Opfer auf der Flucht kommt der Gejagte dem Vogel gleich, der den Netzen und Fallen des Vogelfängers zu entkommen sucht. Ist man erst einmal unter dem Netz gefangen, schwinden die Kräfte und erlahmen die Bewegungen, so dass Kraftlosigkeit eintritt und der Tod nahe kommt. Dies veranschaulicht der folgende mesopotamische Text, der zitiert, was der Kranke in einem Krankenritual sprach, das beim Fest der Ischtar und des Dumuzi vollzogen wurde. Es handelt sich um ein Gebet, bei dem der Kranke die Göttin Ischtar bat, ihn von allem Bösen, das ihn einschloss, zu befreien: 68 Alles Böse, das mich erfasst hat und mich stets begleitet, [m]ich befallen hat, 69 mich nicht loslässt wie ein [F]angnetz, [mich bede]ckt, 70 wie ein Netz mich niederwirft, all [mein F]leisch [zum Schwinden bringt,] 71 alle meine Sehnen umkleidet hält, meinen Mund immer wieder ergr[eift ....] (soll Ischtar verjagen)17.

Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass man sterbende, tote und der Vergänglichkeit ausgelieferte Menschen mit der Metapher des gejagten, und unter dem Netz gefangenen Vogels bezeichnen konnte. Sogar verschiedene Jagdtechniken können durch die unterschiedlichen Netz- und Fallenbezeichnungen mit eingeholt werden: Fallen, die am Boden stehen, und Netze, die von oben geworfen werden, bringen zum Ausdruck, dass man jederzeit aus allen Richtungen unversehens angegriffen werden kann. Wie diese Fallen genau ausgesehen haben, kann man der altorientalischen und ägyptischen Ikonographie entnehmen.18 Die metaphorische Rede vom Vogel im Netz stand für die Deprivation von Leben, Bewegung und Licht und damit für den Menschen, der der Todessphäre anheimgefallen war. Die Rettung konnte (wie bei wirklichen Vogelfallen) nicht etwa durch Eigeninitiative oder durch die Hilfe von Artgenossen, sondern nur durch eine hilfreiche überlegene und fürsorgliche Hand erfolgen, womit sich das Angewiesensein des Menschen auf einen wohlgesonnen Gott ausdrückte. Anders als im Alten Orient, wo eine Vielzahl von Göttern einen Menschen in Todesgefahr bringen, aber auch wieder daraus retten konnten, ist es im Alten Testament Jhwh allein, der dem bedrohten Menschen aus der Gefahr heraushelfen kann. So konnte der Beter in Ps 140,5f., der sich von bösen und gewalttätigen Mitmenschen verfolgt sah, die ihn mit Klappfallen und Fangnetzen (also aus allen Richtungen) verfolgten, nur von Jhwh allein Hilfe erbitten.

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