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7. Das Land der Bibel
ОглавлениеDazu kommt eine spezifische Problematik, die mit Palästina als Land der Bibel zu tun hat. Auch in den angrenzenden Kulturen von Mesopotamien und Ägypten gibt es reichlich literarische Quellen: Archive und Inschriften. Sie wurden mehrheitlich im 19. Jh. ans Tageslicht gebracht, entziffert und gedeutet. Auch sie konnten in der modernen Zeit missbraucht werden von lokalen Herrschern, die sich mit den früheren Königen und Pharaonen identifizierten. Die Texte selbst aber gehörten klar der früheren Zeit an und haben – abgesehen von literarischen und kulturgeschichtlichen Gesichtspunkten – keine Bedeutung mehr für heutiges Denken und Glauben. Ganz anders die biblischen Texte, die nach einer beispiellosen Rezeptionsgeschichte bis heute für viele Menschen eine wie auch immer geartete Gültigkeit besitzen. Um die wechselhafte Geschichte zwischen Bibel und Archäologie zu skizzieren, kehre ich zurück zu der Gründung des Palestine Exploration Fund (PEF) 1865. Der breite Rahmen der Zielsetzung »to illustrate the Bible« war bemerkenswert.
»No country should be of so much interest to us as that in which the documents of our Faith were written ... At the same time no country more urgently requires illustration. The face of the landscape, the climate, the productions, the manners, the dress, and modes of life of its inhabitants«35 sollten Forschungsziele sein.
Dies alles war additiv gedacht, nicht apologetisch. Als aber einige Jahre später die amerikanische Schwesterorganisation gegründet wurde, fügte man zu der primären Zielsetzung noch »and to defend the Bible« zu. Damit wurde eine fatale Denkrichtung formuliert, die mithilfe der Archäologie die historische Wahrheit der Bibel gegen die historisch-kritische Wissenschaft verteidigen wollte.
Dabei wurde von einer Seite behauptet, dass »archaeology confirmed the substantial historicity of Old Testament tradition«,36 während auf der anderen Seite Martin Noth vor einer Engführung der Begriffe warnte, weil nur ganz bestimmte Ziele in den Blick genommen wurden. Denn mit dem Ergebnis der Archäologie war meistens eine Datierung gemeint, und mit »Bibel« Ereignisse oder Vorgänge, die durch eine Verbindung mit einer archäologischen Datierung als historisch erwiesen galten.37 So entbrannte um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein wissenschaftlicher Streit, in dem der Vorwurf »so nihilistic an attitude« von jenseits des Atlantik die deutsche historisch-kritische Bibel- und Palästinawissenschaft traf.38 Der Streit hatte große Folgen. Erstens hatten die amerikanischen Archäologen großen Einfluss auf die sich entwickelnde Archäologie in dem neuen Staat Israel. Der Fokus auf Historizität aus letztendlich religiösen Interessen der amerikanischen Archäologie deckte sich mit den nationalen Interessen Israels auf der Suche nach Identität und historischer Kontinuität. Zweitens erhielten popular-wissenschaftliche Darstellungen der Grabungsergebnisse im Kollektivgedächtnis eines breiteren Publikums einen viel größeren Platz als diffizile, differenzierte Verhandlungen der historisch-kritischen Fachliteratur. Inhaltlich musste aber die auf Historizität fixierte Biblische Archäologie sich letztendlich geschlagen geben. Ob man nun die eingestürzten Mauern von Jericho gefunden haben wollte, anhand von Brandschichten in verwüsteten Städten die Landnahme als historisch erwiesen ausgab, das hohe Alter der Erzväterzählungen meinte beweisen zu können oder Beweise für die Historizität der Sintflut sammelte und auswertete: Das alles konnte widerlegt werden.
Inzwischen sind die Gegensätze abgebaut. Diesseits und jenseits des Atlantik wird intensiv nachgedacht über die Spielregeln der Palästinaforschung und der Archäologie der südlichen Levante. Auch in Israel ist eine neue Generation Archäologen herangewachsen, die die Bibel nicht mehr als Leitfaden zur historischen Rekonstruktion benutzt.