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3.Ein Papst und die Freude der Verkündigung
ОглавлениеEmotionale Verkündigung – das ist genau das Schlagwort, mit dem man Papst Franziskus beschreiben könnte. Mit Papst Franziskus geschieht auf lehramtlicher Seite eine erstaunliche Akzentsetzung: Seine Verkündigung ist von Beginn seines Pontifikates an bestimmt von der Nutzung moderner Medien (Twitter, Facebook & Co.) und von täglichen Kurzpredigten, die durch diese neuen Medien innerhalb kürzester Zeit auf der ganzen Welt verbreitet werden.
Aber nicht nur formal, sondern auch inhaltlich ist hier ein neuer Lehrstil erkennbar: Papst Franziskus hält keine ausgefeilten und theologisch abgesicherten Vorträge und Reden, sondern an Schriftstellen orientierte und von der eigenen Erfahrung bestimmte emotionale Predigten und Ansprachen. Während er damit die Herzen vieler Menschen anspricht gibt es auch kritische Stimmen aus dem innersten Kreis der kirchlichen Hierarchie. So äußert sich z.B. der päpstliche Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein, kritisch zum derzeitigen Enthusiasmus über Papst Franziskus: „Wir warten ja noch auf inhaltliche Vorgaben.“37 Damit wird klar: Er trennt die Gefühle und Emotionen von den Inhalten – und sieht nicht, dass auch die Emotionen, die vermittelten Gefühle, eine Inhaltsebene haben und selbst Botschaft sind.
Vor allem in seinem apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ (EG) vom 24. November 2013 thematisiert Papst Franziskus explizit die Freude der Verkündigung. Ausgehend von vielen Stellen im Alten wie im Neuen Testament, wo von der Freude die Rede ist, ruft der Papst dazu auf, diese Freude auch in den unterschiedlichen Formen kirchlicher Verkündigung spürbar zu machen.
„Wenn die Kirche zum Einsatz in der Verkündigung aufruft, tut sie nichts anderes, als den Christen die wahre Dynamik der Selbstverwirklichung aufzuzeigen. … Folglich dürfte ein Verkünder des Evangeliums nicht ständig ein Gesicht wie bei einer Beerdigung haben.“ (EG 10)
Dass der Papst damit nichts Neues sagt, sondern an die Lehre seiner Vorgänger anschließt, zeigt das darauffolgende Zitat aus Evangelii nuntiandi (EN) von Papst Paul VI.:
„Die Welt von heute … möge die Frohbotschaft nicht aus dem Munde trauriger und mutlos gemachter Verkünder hören, die keine Geduld haben und ängstlich sind, sondern von Dienern des Evangeliums, deren Leben voller Glut erstrahlt, die als erste die Freude Christi in sich aufgenommen haben.“ (EN 80)
Freude erwartet er sich aus einer erneuerten, kreativen Verkündigung – die vor allem durch den Blick auf die Quellen, das Evangelium, zu erwarten sei:
„Jedes Mal, wenn wir versuchen, zur Quelle zurückzukehren und die ursprüngliche Frische des Evangeliums wiederzugewinnen, tauchen neue Wege, kreative Methoden, andere Ausdrucksformen, aussagekräftigere Zeichen und Worte reich an neuer Bedeutung für die Welt von heute auf.“ (EG 11)
Und er warnt vor einer
„Grabespsychologie, die die Christen allmählich in Mumien für das Museum verwandelt. Enttäuscht von der Wirklichkeit, von der Kirche oder von sich selbst, leben sie in der ständigen Versuchung, sich an eine hoffnungslose, süßliche Traurigkeit zu klammern“ (EG 83)
Gott ist für ihn der eigentliche Prediger – und der Auftrag der Verkündigung gilt dem ganzen Volk Gottes. Der Volksfrömmigkeit und der Pluralität der Kulturen traut er viel zu. Jeder und jede, die verkündigt, muss zunächst selbst evangelisiert sein und sich immer wieder neu das Evangelium zusagen lassen.
Im Blick auf die Homilie (EG 135-144) betont er zunächst die personale Kompetenz: „Die Homilie ist der Prüfstein, um die Nähe und die Kontaktfähigkeit eines Hirten zu seinem Volk zu beurteilen.“ (EG 135) Zugleich weiß er, dass sowohl die Gläubigen wie auch die Prediger „oft leiden, die einen beim Zuhören, die anderen beim Predigen.“ (EG 135)
Die Bedeutung der Emotion für die Predigt zeigt sich in seiner Rede vom „Herz“, das es zu erreichen gilt:
„Wer predigt, muss das Herz seiner Gemeinde kennen, um zu suchen, wo die Sehnsucht nach Gott lebendig und brennend ist und auch wo dieser ursprünglich liebevolle Dialog erstickt worden ist oder keine Frucht bringen konnte.“ (EG 137)
Der Papst warnt davor, die Homilie zur „Unterhaltungs-Show“ zu machen; sie soll „kurz sein und vermeiden, wie ein Vortrag oder eine Vorlesung zu erscheinen“. Vielmehr ist für ihn die (kirchliche) Predigt wie das Gespräch einer liebenden Mutter mit ihrem Kind:
„Dieser mütterlich-kirchliche Bereich, in dem sich der Dialog des Herrn mit seinem Volk abspielt, muss durch die herzliche Nähe des Predigers, die Wärme des Tons seiner Stimme, die Milde des Stils seiner Sätze und die Freude seiner Gesten gefördert und gepflegt werden.“ (EG 140)
Der Prediger hat die Aufgabe, „seine Leute diese Freude des Herrn erfahren zu lassen“ (EG 141). Er muss „die Herzen, die sich lieben, .. vereinen: das des Herrn und die seines Volkes“ (EG 143). Der Papst erklärt, was er damit meint: „Mit Herz sprechen schließt ein, dass man ihm nicht nur das innere Feuer bewahren muss, sondern auch das Licht, das ihm aus der Offenbarung … zufließt“ (EG 144).
Was fällt bei der päpstlichen Lehre über die Predigt auf? Zunächst die Bedeutung des persönlichen Sich-Betreffen-Lassens vom Wort Gottes als Grundlage der Verkündigung. Homilie ist für ihn keine Lehrpredigt, sondern das Berühren der Herzen der Menschen. Vom Prediger wird Authentizität und Emotionalität verlangt; nicht Makellosigkeit (EG 151), sondern den Mut, sich dem Wort Gottes immer wieder neu auszusetzen. Er soll zugleich das „Ohr beim Volk haben“ (EG 154); in seiner Kontemplation hat er nicht nur auf die Schrift, sondern auch auf das Volk zu hören. Mehrfach fällt im Apostolischen Schreiben der Begriff der „pastoralen Bedeutung“ (vgl. EG 150). Der Papst schlägt zur Verkündigung einen Weg der Übersetzung der biblischen Botschaft in die Gegenwart vor, die bei den Erfahrungen ansetzt, wie Wiedersehensfreude, Enttäuschungen, Ängste, Einsamkeit Mitleid etc. (EG 155), oder auch bildhaft ist. „Eine gute Homilie muss, wie mir ein alter Lehrer sagte, ‚eine Idee, ein Gefühl und ein Bild‘ enthalten.“ (EG 157).
Der ganze Text ist durchzogen von dem, was er selbst für die Predigten einfordert: eine „positive Sprache“ (EG 159): „Sie sagt nicht so sehr, was man nicht tun darf, sondern zeigt vielmehr, was wir besser machen können.“
Evangelii Gaudium enthält noch eine Fülle weiterer homiletischer Impulse: die soziale Dimension der Evangelisierung (im Blick auf „diakonische Predigten“), die missionarische Dimension der Verkündigung oder auch die mystagogische Katechese. Im Rahmen der Fragestellung nach der Emotionalität von Predigt wird es jedoch spannend sein, zu verfolgen, ob der Impuls des Papstes, die Freude am Predigen (die aus der Freude am Evangelium kommt) zu fördern, auch Auswirkungen auf die konkrete Predigtpraxis in der Kirche haben wird.