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2.Wie gelingt geschlechtersensible Verkündigung? 2.1.Aufmerksamkeit für die drei Dimensionen des Glaubens und der Verkündigung 69
ОглавлениеJedes Glaubenssymbol, sei es ein Verkündigungsthema, ein biblischer Text, ein liturgischer Vollzug, ein Festgeheimnis, etc. wirkt auf die Menschen, die damit in Kontakt kommen, auf dreifache Weise bzw. in drei Dimensionen: 1. Die individuell-existenzielle Dimension, 2. die religiös-numinose Dimension und 3. die Glaubensdimension.
Menschen werden, wenn sie mit Religion und Glaube in Kontakt kommen, auf unterschiedliche Weise bewegt. Verschiedene Seiten kommen dabei zum Schwingen: Es gibt eine Berührung auf der individuellen, existenziellen Ebene, eine andere Berührung auf der religiös-numinosen Ebene und eine dritte auf der spezifisch christlichen Ebene. Wenn ich während des Advents täglich zur Rorate gehe, dann ist das auf der ersten Ebene ein wohltuendes Ritual, das in der dichten Zeit des Dezember mir dabei hilft, geordnet und gestärkt jeden Tag zu beginnen. Auf der zweiten Ebene verbindet mich das Licht, die Musik und der Weihrauch mit der Zuversicht, dass die Dunkelheit keine Macht über uns gewinnt, der Vollzug der Liturgie insgesamt vermittelt eine Verbindung unserer irdischen Sphäre mit der des Himmels. Auf der dritten Ebene erinnere ich mich an die biblischen Verheißungen des Kommens des Messias, vergegenwärtige die Erfüllung dieser Verheißung in Jesus Christus und vollziehe gemeinsam mit den anderen die Feier seines Lebens, Sterbens und der Auferstehung.
Glaube wirkt (will wirken) auf allen Ebenen, in allen Dimensionen.70 Entsprechend wirkt auch jede Verkündigung, gewollt oder ungewollt, auf allen Ebenen! Eine Verkündigung, die nur auf die Glaubensebene setzt, läuft Gefahr, dass der christliche Glaube erfahren wird als Ansammlung von Glaubenssätzen und moralischen Vorschriften, gewissermaßen als Skelett ohne Fleisch. Oft besteht die Gefahr, dass die anderen Dimensionen ausgehungert oder mit zwiespältigen und negativen Empfindungen aufgeladen werden.
Das Wissen um die drei Verkündigungs-Dimensionen hat Konsequenzen auch für eine geschlechtersensible Verkündigung: Egal was wie verkündet, gesagt und vollzogen wird, es durchfließt den ganzen Menschen und wirkt in allen Dimensionen. Erforderlich ist eine Reflexion, welche Ebene ich als Verkünderin besonders gerne „bediene“ und was ich damit auf den jeweils anderen Ebenen mit auslöse. Wird an Ostern vorwiegend die therapeutisch-humane Dimension betont, dass Auferstehung im Alltag geschieht, wenn aussichtslose Verquickungen und Schuldverstrickungen nicht gezwungenermaßen ins Desaster führen, dann ist eine Rechenschaft darüber notwendig, was damit auf den anderen Ebenen mitausgesagt ist. Ziel jeder Verkündigungspraxis soll sein, dass ich als Verkünderin bewusst alle Dimensionen einbeziehe, sei es in Worten oder in Vollzügen.
Zum Abschluss dieser Überlegungen möchte ich noch ein Augenmerk legen auf die Verkündigung rund um Maria. Aus geschlechtersensibler Perspektive braucht dieses Verkündigungsfeld eine besondere Aufmerksamkeit, hat doch die marianische Verkündigung über Jahrhunderte hinweg die christliche Vorstellung der Geschlechterordnung geprägt und Einfluss genommen auf die Gestaltung vieler Frauenleben. Gerade die vier Marien-Dogmen71 und deren Verkündigung spielen eine wichtige Rolle. Meines Erachtens ist hier zu beobachten, dass sich die Verkündiger kaum Rechenschaft darüber gegeben haben, was die verkündeten Inhalte bei den Zuhörerinnen auf der individuell-existenziellen Ebene bewirkt haben und bewirken.